^eggendorfers Humoristische Blätter.
s25
Ookte'r Smart, Rlassiker.
waruni soll ein Schriftstellcr nicht präiniert wcrden? tverden
doch Ifunde, Aatzcn, tNastochsen, landwirtschaftliche Lrzeugnisse
und tausend andere Dinge preisgekrönt I Immerhin war mir
die Sache doch so eigenartig, daß ich beschloß, das tsandwcrk
zu grüßen und der Schriftsiellereifirma mit Dampfbetrieb „Dr.
Smart, Alassiker," einen Besuch abzustatten.
Ich trat in dcn lsausflur. Der Zufall war mir günsng.
Lin junger Niensch in Livrce kam mir cntgcgcn, dcssen tNütze
auf einem Blechschild den Namcn jencs Ulassikers trug
„Junger Freund, ich möchte kscrrn Dr. Smart sprcchen.
Wollen Sic Ihrem hjerrn meine Aarte bringen?"
Der Diener verncigte sich, nahm die tlartc und vcrschwand.
„kserr Dr. Smart erwartet Sie. Bittc, ich werdc Sie
fiihren."
Nach wenigen Augenblicken stand ich vor dcm preisge-
krönten Inhaber der Firma. Ls war ein fast bis auf ein
Nichts zusammengetrocknetes, gebücktes Männchen mit absolut
kahlem Kopf, mächtigcn blauen Brillengläsorn, zwischen denen,
wie ein Aapgebirge aus dcm blauen klkeere, die echtc, kühn-
geschwungene lsankeenase cmporstrebte.
Jch stellte mich ihm vor.
Lr schüttelte mir freundlich die ksand und begriißte mich
mit hcrzlichen tvortcn.
„Ah! Sie trcffcn es gnt," sagte er, „ich habe gerade hcutc
wieder einmal einen freien Tag und ich kann mich Ihnen ein
wenig widmen. Sonst wäre das leider nicht möglich gewesen.
lvie Sie unten gesehen haben werden, ist heute mein Ausliefe-
rungstag, und da gönne ich mir stets auf vierundzwanzig
Stunden Ruhe."
Ich mußte gcstchen, daß mir das wesen des Auslieferungs-
tages noch nicht ganz klar gewordcn war.
„A.II riZkt, Sie kommen von drüben, nicht wahr, kjerr
Aollega? Auch eine ganz hübsche Lrde und brave Leute, sogar
recht talentvoll," fügte cr in gönnerhaftem Tone hinzu, „aber
— verzeihen Sie mir — doch recht zopfigl wissen nichts aus
sich zu machen, kein Sinn für businsss! Nun, vielleicht lernen
Sie von uns." —
„G, wir geben uns Mühe, rccht viel von Ihnen zu lernen,
und einige Kollegen meiner kseiinat drüben haben's darin schon
ganz herrlich weit gebracht."
„Ls freut mich das zu hören. Und mit meinem Aus-
lieferungstag .... sehen Sie .... gerade gestern ist mein
vicrzchntes werk in diesem Iahre sertig geworden ..."
„Das vierzchnte Werk . . . in diesem Iahre? wir sind
doch crst im September."
„Nun ja; ich denke es auch für das Iahr >920 bis zum
Gpus 20 zu bringen und damit meinen eigenen vorjährigen
Record zu schlagen."
Ich guckle den Uienschen sprachlos an. Zwanzig Werke
in einem Iahr? Ist dcnn das möglich?
Er schien sich an ineinem Staunen zu weiden.
„Ia, ja, mein Lieber! Sie da drüben begnügen sich, all-
jährlich zu weihnachten dem Publikum einen neuen Band zu
bescheren; es gibt wohl auch thätige Geister, die zwei BLnde
im Iahr herausbringen. Von einem glaube ich gelesen zu
habcn, daß er es in knrzer Frist auf etwa fünfzehn Bände ge-
bracht habcn soll. Und das bei ksandbctrieb — alle Achtung l"
Ich fühlte mich durch die Ancrkennung dieser kaninchen-
haflcn Betriebsamkeit ein wenig gehoben und verneigle mich,
auf diese lveise dankend quittierend.
„Und so gelangt heute, wenn ich recht verstehe," fnhr ich
fort, „Ihr vierzehnter Band zur Ausgabe?"
„'.Vell, Lir. Und dann lasse ich mir diesen Tag frei, ehe
ich an den nachsten Band gehe."
„Ich verstehe nnr nicht — verzeihen Sie mir die Unkennt-
nis — Sie sagten doch vorhin, daß Sie gestern erst mit dem
vicrzehnten Bande fertig gewordcn seien? Das werk muß doch
gesctzt, gedruckt und gebunden werden —"
„wird's auch, mein Lieber."
„In einer Nacht? Sie müßten ja eine Legion lhände zur
verfügung haben. Und sclbst dann ..."
Doktor Smart lächelte mitleidig.
„Abcr Wertester! Ich arbeite mit viel weniger Personal
als irgend cine vcrlagsdruckerei bei Ihnen drüben, obwohl ich
Autor, verleger, Drucker in einer Person bin. Lin paar
Arbeiterinnen und ein Ingenieur, das ist alles. Der Letzt-
gcnannte ist bei mir allerdings die lsauptperson."
Ich glaube, ich muß ein furchtbar einfältiges Gesicht ge-
macht haben; daß bci dcr ljerstellung von litterarischen Lrzeug-
nissen einem Ingenieur die ljauptaufgabe zufällt, war mir
mehr als verblüffend.
„G, ich sehe schon, cksar Zir, daß Sie sich auf diese weise
schwer in die Sache hineinfinden wcrden. Uommen Sie mit
mir in meincn Arbeitsraum. Ich habe so wie so das Bedürf-
nis, den Tag doch nicht so ganz ungenlltzt verstreichen zu lassen.
Ich kann immer an ineinem fünfzehnten Gpus dieses Iahres
ein wenig beginnen. Sie werden mich dann in meiner Thätig-
keit sehen und so am besten lernen."
Lr drückte auf den Anopf einer elektrischcn Alingel.
„Das ist das Zeichen für meinen Ingenieur," erläuterte
er auf meinen fragenden Blick, „daß für meine Arbeit alles
bereit zu halten und die Uiaschinen in Gang zu bringen seien."
Das war mir neu! Lin Schriftsteller, der eines Ingenieurs
bcdarf, um sein Arbeitskabinett bereit zu halten. Iedenfalls
aber erfüllte mich ein heiliger, erwartungsvoller Schauer. Ich
sollte den berühmten Klassiker und vielbegehrten Schriftsteller
Doktor Smart bei der Arbeit sehen, das war mehr, als ich zu
hoffen gewagt.
Lin intensivcs Summen, Stöhnen und Stampsen ließ jetzt
das lhaus crzittern.
s25
Ookte'r Smart, Rlassiker.
waruni soll ein Schriftstellcr nicht präiniert wcrden? tverden
doch Ifunde, Aatzcn, tNastochsen, landwirtschaftliche Lrzeugnisse
und tausend andere Dinge preisgekrönt I Immerhin war mir
die Sache doch so eigenartig, daß ich beschloß, das tsandwcrk
zu grüßen und der Schriftsiellereifirma mit Dampfbetrieb „Dr.
Smart, Alassiker," einen Besuch abzustatten.
Ich trat in dcn lsausflur. Der Zufall war mir günsng.
Lin junger Niensch in Livrce kam mir cntgcgcn, dcssen tNütze
auf einem Blechschild den Namcn jencs Ulassikers trug
„Junger Freund, ich möchte kscrrn Dr. Smart sprcchen.
Wollen Sic Ihrem hjerrn meine Aarte bringen?"
Der Diener verncigte sich, nahm die tlartc und vcrschwand.
„kserr Dr. Smart erwartet Sie. Bittc, ich werdc Sie
fiihren."
Nach wenigen Augenblicken stand ich vor dcm preisge-
krönten Inhaber der Firma. Ls war ein fast bis auf ein
Nichts zusammengetrocknetes, gebücktes Männchen mit absolut
kahlem Kopf, mächtigcn blauen Brillengläsorn, zwischen denen,
wie ein Aapgebirge aus dcm blauen klkeere, die echtc, kühn-
geschwungene lsankeenase cmporstrebte.
Jch stellte mich ihm vor.
Lr schüttelte mir freundlich die ksand und begriißte mich
mit hcrzlichen tvortcn.
„Ah! Sie trcffcn es gnt," sagte er, „ich habe gerade hcutc
wieder einmal einen freien Tag und ich kann mich Ihnen ein
wenig widmen. Sonst wäre das leider nicht möglich gewesen.
lvie Sie unten gesehen haben werden, ist heute mein Ausliefe-
rungstag, und da gönne ich mir stets auf vierundzwanzig
Stunden Ruhe."
Ich mußte gcstchen, daß mir das wesen des Auslieferungs-
tages noch nicht ganz klar gewordcn war.
„A.II riZkt, Sie kommen von drüben, nicht wahr, kjerr
Aollega? Auch eine ganz hübsche Lrde und brave Leute, sogar
recht talentvoll," fügte cr in gönnerhaftem Tone hinzu, „aber
— verzeihen Sie mir — doch recht zopfigl wissen nichts aus
sich zu machen, kein Sinn für businsss! Nun, vielleicht lernen
Sie von uns." —
„G, wir geben uns Mühe, rccht viel von Ihnen zu lernen,
und einige Kollegen meiner kseiinat drüben haben's darin schon
ganz herrlich weit gebracht."
„Ls freut mich das zu hören. Und mit meinem Aus-
lieferungstag .... sehen Sie .... gerade gestern ist mein
vicrzchntes werk in diesem Iahre sertig geworden ..."
„Das vierzchnte Werk . . . in diesem Iahre? wir sind
doch crst im September."
„Nun ja; ich denke es auch für das Iahr >920 bis zum
Gpus 20 zu bringen und damit meinen eigenen vorjährigen
Record zu schlagen."
Ich guckle den Uienschen sprachlos an. Zwanzig Werke
in einem Iahr? Ist dcnn das möglich?
Er schien sich an ineinem Staunen zu weiden.
„Ia, ja, mein Lieber! Sie da drüben begnügen sich, all-
jährlich zu weihnachten dem Publikum einen neuen Band zu
bescheren; es gibt wohl auch thätige Geister, die zwei BLnde
im Iahr herausbringen. Von einem glaube ich gelesen zu
habcn, daß er es in knrzer Frist auf etwa fünfzehn Bände ge-
bracht habcn soll. Und das bei ksandbctrieb — alle Achtung l"
Ich fühlte mich durch die Ancrkennung dieser kaninchen-
haflcn Betriebsamkeit ein wenig gehoben und verneigle mich,
auf diese lveise dankend quittierend.
„Und so gelangt heute, wenn ich recht verstehe," fnhr ich
fort, „Ihr vierzehnter Band zur Ausgabe?"
„'.Vell, Lir. Und dann lasse ich mir diesen Tag frei, ehe
ich an den nachsten Band gehe."
„Ich verstehe nnr nicht — verzeihen Sie mir die Unkennt-
nis — Sie sagten doch vorhin, daß Sie gestern erst mit dem
vicrzehnten Bande fertig gewordcn seien? Das werk muß doch
gesctzt, gedruckt und gebunden werden —"
„wird's auch, mein Lieber."
„In einer Nacht? Sie müßten ja eine Legion lhände zur
verfügung haben. Und sclbst dann ..."
Doktor Smart lächelte mitleidig.
„Abcr Wertester! Ich arbeite mit viel weniger Personal
als irgend cine vcrlagsdruckerei bei Ihnen drüben, obwohl ich
Autor, verleger, Drucker in einer Person bin. Lin paar
Arbeiterinnen und ein Ingenieur, das ist alles. Der Letzt-
gcnannte ist bei mir allerdings die lsauptperson."
Ich glaube, ich muß ein furchtbar einfältiges Gesicht ge-
macht haben; daß bci dcr ljerstellung von litterarischen Lrzeug-
nissen einem Ingenieur die ljauptaufgabe zufällt, war mir
mehr als verblüffend.
„G, ich sehe schon, cksar Zir, daß Sie sich auf diese weise
schwer in die Sache hineinfinden wcrden. Uommen Sie mit
mir in meincn Arbeitsraum. Ich habe so wie so das Bedürf-
nis, den Tag doch nicht so ganz ungenlltzt verstreichen zu lassen.
Ich kann immer an ineinem fünfzehnten Gpus dieses Iahres
ein wenig beginnen. Sie werden mich dann in meiner Thätig-
keit sehen und so am besten lernen."
Lr drückte auf den Anopf einer elektrischcn Alingel.
„Das ist das Zeichen für meinen Ingenieur," erläuterte
er auf meinen fragenden Blick, „daß für meine Arbeit alles
bereit zu halten und die Uiaschinen in Gang zu bringen seien."
Das war mir neu! Lin Schriftsteller, der eines Ingenieurs
bcdarf, um sein Arbeitskabinett bereit zu halten. Iedenfalls
aber erfüllte mich ein heiliger, erwartungsvoller Schauer. Ich
sollte den berühmten Klassiker und vielbegehrten Schriftsteller
Doktor Smart bei der Arbeit sehen, das war mehr, als ich zu
hoffen gewagt.
Lin intensivcs Summen, Stöhnen und Stampsen ließ jetzt
das lhaus crzittern.