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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 38.1899 (Nr. 445-457)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20266#0141
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s33

Meggendorfers tzumoristische Blätter

A. : „warum zichst Du denn vor diesem kserrn Deinen ksut so tief?"

B. : „Na, weißt Du, der hat einmal meine Lrbtante sitzen lassen."

A'fefferrohr und

von Frido

^ n einem Anfalle von Zerstreutheit hatte ich irgendwo

H meinen Spazierstock stehcn gelassen- lNir war sehr leid
um ihn, da er mich jahrelang buchstäblich durch dick und
dünn begleitet und einigemale sogar vor feindlichen Angrisfen /
beschützt hatte. Nun lehnte der treue Bummelgenosse vergessen
in einem dunklcn wiukel oder diente einem dazu gänzlich Un-
berechtigtcn als Stütze und Zierde oder wurde, uin fremden
Intcrcssen Nachdruck zu verleihen, von unbekannter Faust ge-
schwungen.

Ich unterließ nichts, um wieder in den Bcsitz meines Lieb-
lings zu gelangen, stellte in allcn Gast- und Uasfeehäusern, die
ich damals besucht und auch nicht besucht hatte, Nachforschungen
an und gab in die Zeitungcn eine Anzeige über diesen schmerz-
lichen Derlust, in wclcher dem vorläufig noch unehrlichen Finder
eine solch hohe Belohnung in Aussicht gestellt wurde, daß er
sich hätte sofort in einen ehrlichcn verwandcln müssen. Iedoch
alles war vergebens, der Finder fand sich nicht und mein Spazier-
stock, der hiibsche, schlanke Uerl aus hellem ksagedorn mit
schwarzem Beingrisfe, blieb verschwunden.

Ich stand allein auf der welt und durchirrte wehmütig
Gassen und öffentliche Anlagen. Meine ksände vergrub ich im
Ueberzieher, weil ich mit ihnen sonst nichts anderes anzufangen
wußte und mir dieselben äußerst überslüssig zn sein schienen.
Derhältnismäßig am wohlsten fühlte ich mich noch in den Ge-
mäldesammlungen, welchc ich besuchte, als die Unzufriedcnheit
über meine vereinsamung ihren Gipfelpunkt erreicht hatte.
weil ich dort den Stock HLtte ohnehin in der Garderobe ab-
geben müssen, empfand ich meinen verlust weniger schmerzlich,
zumal damit auch eine kleine Lrsparnis verbunden war. Dies
machte mir nur so lange Freude, bis ich eines Tages zu Bildern
kam, deren Anblick mich ungemein lebhast an den vermißten
ksagedorn erinnerte, weil ich ihn unwillkürlich herbeiwünschte,

Schtangerchoh.

Aordon.

um die betreffenden Maler zur vergeltung fiir die bodenlose
Bläue ihrer Leinwand gehörig durchzubläuen.

von da an mied ich die Galerien und machte mich mit
dem Gedanken nach einem Lrsatze vertraut, obschon ich im
voraus überzeugt war, daß ein dem Lntschwundenen halbwegs
würdiger Nachfolger nicht leicht aufzutreiben sein würde. Die
Thatsachen gaben mir recht, denn in keinem der vielen Ge-
schäftc, die ich kauflustig beehrte, sah ich etwas passendes. Ich
besichtigte im verlaufe einiger Tage ksunderte von Stöcken,
ohne daß auch nur einer mein k?erz schneller schlagen und meine
lsand sreudig darnach greifen ließ.

Nun begann ich, sämtliche Spaziergänger einer scharfen
Beobachtung zu unterziehen und zwar hauptsächlich bei plötzlich
herabbrechenden Regengüssen, weil dann erfahrungsgemäß die
Leute ihre Schirme daheim gelassen hatten und mit Stöcken
ausgerückt waren. Ich that es weniger in der ksoffnung, hier-
bcl wieder meinen alten Gesährten zu ertaxpen, als vielmehr
-. -halb, um jene Gegenstände zu studieren, welche von den
Männern an Stelle von Spazierstöcken, Regenschirme natiirlich
ausgenommen, allenfalls noch zur Begleitung verwendet würden.

Dabei machte ich die wahrnehmung, daß diesen Zweck
häufig eine dem Manne zur Seite wandelnde Frau erfüllte und
ihm eine ebensolche treue Gefährtin zu sein schien, wie mir
einstens der hclle Lsagedorn mit dem dnnklen Beingriff.

Das brachte mich schließlich auf den Gedanken, ebenfalls
nach einer Fran Umschau zu halten. Um die Lrinnerung an
meinen verloren gegangenen überschlanken Freund zu ehren,
war ich selbstverständlich entschlossen, nur Damen von mäßiger
Beleibtheit in den Areis meiner Lrwägungen zu ziehen und
einer solchcn mit schwarzcn ksaaren — zum Andenken an den
dunklen Beingriff — den vorzug zu geben. Im Laufe eines
Iahres war ich thatsächlich im Besitze eines allerliebsten weib-
chens und hatte — zu meiner Schande sei's gesagt — auf
 
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