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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 39.1899 (Nr. 458-470)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20267#0019
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

U


Bekannten Revue xaffieren. Diese Mädel, heutzutagell — Lin
vergnügungstolles, putzsüchtiges, oberslächliches Geschlecht. —
Entweder Gänse oder Blaustrüinxse. D, wo findet man ein
Iveib, das Güte, verständnis, bseiterkeit und Sanftmut vereint,
das häuslich und einsach ist, lieb und gut — ? Ich drehte den
Ring — und als sei er ein Zauberring, zauberte er mir plötz-
lich ein holdes Bild vor die Augen. Ia — das war das tveib,
das ich suchte — merkwürdig, daß ich nie daran gedacht hatte,
sie zu heiraten — die Iugendspielin in der fernen kseimatstadt

— vielleicht, weil wir wie Geschwister fast aufgewachsen waren.
ksertha Müller war dreiunddreißig Iahre — desto besser für
michl !vas sollte der achtundvierzigjährige mit einem achtzehn-
jährigen Gänschen? — Und ich setze mich sofort hin, und
schreibe an meine Mutter — die kann vorerst 'mal sondieren.

Die Burgratze war, seitdem sie Myrten witterte, ganz un-
erträglich. Meiner Ansicht nach hätte der Liebesrausch, in dem
sich die Gute befand, vollkommen genügt, sie unausstehlich zu
machen — die Aomplikation von Liebe und Schwindel alias
Lognac, war etwas viel — und schwer zu ertragen für einen
„meublierten kjerrn." Nun — alles nimmt ein Gnde, dachte
ich grimmig, und begrüßte die umgehende Antwort meiner
guten Mutter mit Lnthusiasmus.

Aber mein Geficht wurde sehr lang, als ich die Epistel
las. kjertha Müller war verreist, und hatte sich in dem frem-
den Grt mit einem jungen Geistlichen verlobt. Mama klagte
mich bitter an, nicht längst gesxrochen zu haben — kjertha habe
mich seit Aindertagen treu und heiß geliebt — eine bessere
Frau hätte ich nicht finden können — „hätte sie nur einen
Schimmer von Lsoffnung gehabt — sie hätte sicher auf Dich
gewartet" ^— -—

Meine Faust fiel schwer auf die Tischplatte — der heftige
Schmerz, den ich dabei empfand, erinnerte mich an den Ring

— der war natürlich schuldl — in überwallendem Grimm riß
ich ihn vom Finger und schleuderte ihn über das ganze Zimmer.

„Dank schön l" sagte mein Freund Gustav, der in dem-
selben Moment die Thiire öffnete, und dem der Ring an den
Aoxf flog. „Das ist ja ein netter Lmxfang — Du überschüt-
test den Lintretenden mit Gold und Aleinodenl"

„Behalt ihnl" schrie ich zornig — „wenn Du ihn magst." —

„Donnerwetter I" sagte Gustav — und drehte den Ring
hin und her. Du sxaßt wohl — das ist ja ein prachtstiickl"

„Jch spasse gar nicht — behalt ihn in drei T . . Namen

— wenn Du nicht abergläubig bist — denn es sind Gpale —
und Dpale bringen Unglück."

„!vas nicht gar! — so 'n Blödsinnl" lachte Gustav ver-
vergnügt und steckte den Ring an, ihn liebäugelnd hin- und
herschiebend. „Du — ich wollte Dich abholen —"

„Laß mich zufrieden," knurrte ich, „ich bin nicht bei Stim-
mung — kneixt ohne mich l"

Gustav war sort. Mir schien das Leben gallebitter. Diese
weiber — konnte sie nun nicht geduldig weiter warten? —
Mir war das schreiendste Unrecht geschehen. Gott — wie die
Lngel hätten wir gelebt — und da kommt nun so ein wild-

fremder Mensch und nimmt fich, mir nichts dir nichts, mein
Iuwell

Ich stöhnte — ich tobte — die Burgratz ging den ganzen
Tag aus — die Lampe hatte sie nicht gefüllt — Aohlen hatte
sie nicht geholt — wütend lief ich in die Aneixe.

Dort suchte mich am späten Abend ein glattgescheiteltes
Menschenkind auf, das entsetzlich nach Aarbol und Iodoform
roch und in jedem sofort die schauerliche Vorstellung von Särgen
und Gräbern weckte. Dieser unheimliche Jüngling überreichte
mir mit Leichenbittermiene einen Brief mit etwas ksartem dar-
in, daß sich zu meinem höchsten Befremden als mein Gxal-
ring erwies.

Der Ring lag in einem beschriebenen Papier. „Lieber
Freundl" schrieb mein Freund Gustav, „ich liege mit gebrochenem
Bein im bjospital und habe das vergnügen, mich sechs wochen
nicht rühren zu können. Gleich, nachdem ich Dich verlassen,
fiel ich bei Schmitts die Treppe herunter, nots. bens eine
steinerne Wendeltreppe. Anbei Deinen Ring — es war ja
doch nur Sxaß mit dem Sxenden — auch habe ich Respekt vor
den Vpalen bekommen. Besuche mich bald."

Na — da hatt' ich den Salat. Rnirschend steckte ich den
Ring in die westentasche, verlor darauf im Skat mit edler
Beharrlichkeit und trollte um zehn Uhr nach ksaus.

Dort traf ich die Burgratze, wie sie heuchlerisch besorgt um
den Gfen ,herum stand'.

„AHI Frau Burgratzl" sagte ich mit verbindlichster Ljöf-
lichkeit, „schon heimgekehrt? Angenehmen Nachmittag verlebt,
wie??"

Die Burgratze warf einen mißtrauischen Blick auf mich.

„Dl Ls war so idyllischl" schwärmte sie dann, „das
Wohnzimmer von meinem Bräutjam liegt so südländisch (süd-
lich, meinte die Gute) und die Sonne hat so schön geschienen,
die Blumen haben geduftet und der Puckel hat Zither gespielt,
die reinste Idyllel Und, was der zweite Sohn is, der war
auch angekommen, aus Mexiko (den Namen wälzte sie förmlich,
wie eine Delikatesse, im Munde herum), aber er soll nu nich
mehr hin, wissen Sie, da gibt es so ,fiese' Tiere, die Lskimos
und die beißen den Leuten in die Beine."

Ich bewahrte nur schwer meine Fassung; ein Lskimo, der
in Mexiko den Leuten in die Beine beißt, das war überwäl-
tigend; schließlich platzte ich doch los.

„Und es sind ifiese' Tiere," sagte die Burgratze beleidigt
und wandte sich zum Gehen.

„Warten Sie dochl" rief ich, noch immer lachend, „sie
haben ja ganz recht, ob's nun ein Lskimo oder ein Mosquito
thut, ,fiesi ist beißen immer; bleiben Sie doch, ich will Ihnen ja
etwas schenken. Dal" sagte ich heimtückisch und zog den Ring
aus der Tasche; „ich sehe, Sie haben keinen verlobungsring,
hier, zum Andenken an Jhren letzten Mietsherrnl" Ich hielt ihr
den Dpal-Ring hin.

„Der Ljerr Berger wollen mich doch bloß nur uzen."

„Nein, nein, 's ist mein voller Lrnst. Nehmen Sie ihn
nur, ich bin just in der Gebelaune heut'."

Abonnement-Ginladung aus die Meggendorfer Klätter.

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Schubertstraße b. bei Stuttgart.

vomgaffe st.

GxMm der Meggeildoiser DIMer.
 
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