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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 39.1899 (Nr. 458-470)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20267#0026
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Neggendorsers Humoristische Blätier.


s stand vor wenig Iahren ein Rennplatz schön und rund
Inmitten eines jdarkes auf großstädtischem Grund,

Und rings von ksolztribünen — so meldet der Bericht —

Lag eingefaßt der Rennxlatz im Bogenlampenlicht.

Dort fuhr ein Meisterfahrer an lsaut und Knochen reich,

Lr fuhr auf seinem Racer schon manchen Sattel weich.

Denn was er sinnt, ist Training, und Spurt, was ihn beglückt,
Und seine ganze tsoffnung, daß den Record er drückt.

Linst zog nach dieser Rennbahn ein edles Tandempaar,

Es waren Alubgenossen vom gleichen Eintrittsjahr.

Der alte mit zwei jdlattfüß' pedalte wie der Blitz,

Ls unterstützt der Iunge ihn auf dem ksintersitz.

Der Alte sprach zum Iungen: „!sör einmal auf mein N)ort,
Es gilt uns heut' zu schlagen des Lhampions Record,

Nimm alle Araft zusammen und schone nicht das Rad —

Wir müssen heut' erringen das Welt-Lhampionat."

Schon stehn die beiden Radler zum Ablauf bei dem Start,

Und in den vielen Logen das volk geduldig harrt.

Der Lhampion furchtbar xrächtig, wie Lhampiöner find,

Lr lächelt nur ironisch, er hofft auf Gegenwind.

„Ihr habt das volk verführet, verlockt ihr nun die Braut?"
Der Lhampion schreit es wütend, er schreit es riesig laut.

Lr wirft den Schraubenschlüssel, der 's Tandemrad erreicht,
Daß aus dem ksinterreifen die ganze Luft entweicht.

Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Zeugen Schwarm,
Der Iüngling fällt vor Schrecken in des Genossen Arm,

Der xackt den Gummimantel und schleppt das stählern Roß
Lntrüstet aus der Rennbahn, weil ihn das sehr verdroß.

Doch draußen vor dem Thore, da hält der Radlergreis,

Da faßt er die Ntaschine, sie aller Tandems preis,

Und auf dem Straßenxflaster, da hat er sie zerschellt,

Dann ruft er, daß es schaurig die wettfahrbahn durchgellt:

„weh dirl du stolze Rennbahn, du herrlich schöner Grt,

Du werdest nun gemieden, von heut' ab immerfort —

Aein Radler suche weiter hier Ehre, Sieg und Schatz,

Für Taxameterwagen sei du ein Aufstellplatzl

weh euchl ihr ksolztribünen, ihr RLume licht und hell,

Luch zeig' ich dieses Tandems zerschmettertes Gestell,

Daß ihr darob verfaulet, daß morsch ihr sinkt zur Lrd',

Daß ihr in wenig Nlonden, nicht seid zum Brennholz wertl

Das j?aar fing an zu treten,

es trat so kräftig stramm,
Daß schneller, immer schneller

es alle Runden nahm.
Sie spurten immer toller,

es jauchzt' das volk im Lhor,
Da trat in ihrer Loge

die Braut des Lhampions vor.

Sie denket an Lenz und Liebe,

an sel'ge goldene Zeit,
An ihres Bräutigaines

gezeigte Schnelligkeit,
Die nun so schwer geschlagen,

ihr jetzt als nichts mehr scheint,
Daß sie in ihrem ksarme

vor grimmem Schmerze weint.

Des Nleisterfahrers Freunde

verlernen jeden Spott,
Der Rennbahn ernste Richter,

sie beugen sich vor Gott,
Die holde Braut zerflossen

in Wehmut und in Lust,
Sie wirft ihr Klubabzeichen

dem j)aar zu von der Brust.
 
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