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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 39.1899 (Nr. 458-470)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20267#0030
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22

Meggendorfers Hurnoristische Blätter.

V diese Vffiziersburschen!

begann er das Zimmer aufzuräumen, die Papierschnitzel, die
auf dem Tisch und dem Fußboden zerstreut umherlagen, zu
sammeln und in den Dfen zu werfen, in welchem er, wie ihm
befohlen war, ein helles, lustiges Feuer angezündet hatte.

„Li — Areiz neine noch eemall" schrie er plötzlich auf und
starrte erschrocken in die helllodernde Flamme. Lr hatte auch
guten Grund zu erschrecken; achtlos hatte er die Visitenkarte
seines Leutnants in der lhand behalten und mit anderen jdaxier-
spänen in den Dfen geworfen. Lr fuhr mit der ksand in die
Glut hinein, aber was er hervorzog, war eitel verbranntes
ssaxier, das zwischen seinen Fingern zu schwarzen Atomen zerfiel.

Anobbe kratzte fich wortlos den Koxf. Lr kannte seinen
Leutnant. lVar dessen Auftrag nicht bis zu seiner Rückkehr
vom Dienst ausgeführt, dann entlud sich über seinem ksauxte
ein Donnerwetter — „nee, nee — Dunnerlitzchen nee, nur
das nichtl"

Als er nachdachte, erhellten sich seine Iüge. Ls war ja
Gott sei Dank kein Brief gewesen — nur eine visitkarte, wie
fie drüben auf dem Schreibtisch noch zu Dutzenden lagen. Das
eine Wort auf der Rückseite — na, das konnte er auch zur
Not draufschreiben — dann merkte kein Mensch etwas von seiner
Unachtsamkeit.

Aber, als er sich an den Schreibtisch setzte, malte sich die
hilfloseste Verlegenheit von neuem in seinem Antlitz. Ia —
welches lvort hatte doch auf der Rückseite gestanden? Ein
Städte- und ein Garnisonnamen war's — aber welcher? Das
war ihm rein aus dem Gedächtnis entflogen.

Anobbe rieb sich die Stirn, schlug mit der geballten Faust an
fie, rannte im Zimmer umher, steckte den Aopf tief in das
Sofa, und gleich darauf in des Leutnants lVaschschüssel —
umsonst, der entstohene Name kehrte nicht zurück.

Da klingelte es — sollte nicht schon der Leutnant —
heiß und kalt ward ihml Aber nein, es war nur das
Paket aus der Nleißner jdorzellan-Niederlage, das für den
kserrn Leutnant abgegeben rxurde.

Nun wurde die Sache brennend und Anobbe geriet in
Verzweiflung. Aber, je mehr er nach dem entflohenen
Namen haschte, desto mehr entwich ihm diescr.

Schweißtriefend kam endlich Anobbe zu folgender
Resolution:

„Areiz verpixxchen — 's war doch ä Garnison in

der Nähe-denken m'r doch eemal ruhig un verninfdig

nach — welche Garnisonen ham' m'r denn eegentlich so
in d'r Neehe 'ruml"

Line lVeile sann Anobbe mit an die Nase gehaltenem
Finger, dann leuchtete es in seinen Augen wieder auf.

„I nadierlich — das war'sch — nä, wie konnt' ich's nur
vergessenl" Und schnell ftand in genau so unschönen
Zügen, wie in denen seines bserrn, aber dennoch deutlich
lesbar der Name auf der Rückseite der Aarte. Diese
unter den Areuzbindfaden des Paketchens schieben, einen
neuen Umschlag darum machen und forteilen, um es der
schönen Emxfängerin auszuhändigen, war das lVerk eines
Augenblicks.

Als am folgenden Ulittag Leutnant Biesedow hoch-
kloxfenden bserzens bei seinem bsauptmann vorsprach und
fich bei den Damen melden ließ, emxfing er die Antwort,
die Damen ließen bedauern, ihn jetzt nicht emxfangen zu
können. Bestürzt ging der Dffizier davon, als er aber
am nächsten Morgen hörte, Fräulein von Berstl sei plötz-
lich abgereist, drohte ihm das kserz fiillzustehen. Sie hatte

also mit ihm gespielt und war der zart angedeuteten Aeuße-
rung seiner Gefühle ausgewichen — für immer.

„lVas haben Sie denn mit meiner kleinen Schwägerin ge-
habt, lieber Biesedow?" fragte ihn nach einer Reihe von Tagen
der bsauptmann. „Sie ist ja im Groll über Sie abgereist. —
propos — heute kam von ihr ein Paketchen an meine Frau,
mit der Bitte, Ihnen das zu iibermitteln. Ich lasse es in Ihre
lvohnung besorgen. Morgen lieber Biesedow."

Jn unruhiger Erregung wartete Biesedow in seiner!Voh-
nung das Lintresfen des Paketchens ab. Ls enthielt seine
Nippes und Larte, aber als er diese umwadtne, grinste ihm
statt des kvortes „Vschatz" in steilen ungelenken Buchstaben das
lvort — „lvurzen" entgegen.

Also als „einc lvurzen," als eine unschöne, nicht begehrens-
werte persönlichkeit hatte sie sich von ihm betrachtet geglaubt.
— — — Biesedow rastel

Die folgende halbe Stunde war xeinlich für den guten
Anobbe. Am anderen Morgen meldete er sich zur Kompagnie
zurück.

Don der Kchmiere.

A. : „lvas sind das für originelle Malereien auf dem

Bühnenhintergrunde?"

B. : „Liersxuren."

Aedenkliche Vroherei.

verkäuferin: „vielleicht noch ein Aragenschoner gefällig für den
kserrn Sohn?"

vater: „Kragenschoner? Mein Sohn kann anziehen alle acht
Tage einen neuen Aragen, wenn er will."

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber, Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Desterreich-Ungarn für kserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohrin lDien I.
Verlsg von I. I. Schreibrr in München und Etzlingrn.
 
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