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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 39.1899 (Nr. 458-470)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20267#0071
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

63

Der Ring öes (Linfleölers.

Lin Marchen von Nttdolf Schmidt.

s war einmal ein liebes, junges Mädchen, das nichts hatte,
als seine Schönheit und Liebenswürdigkeit.

Ls ist das schon lange her — aber die Männer waren
damals gerade so, wie heute — denn das herzige Uind hatte
zwar viele verehrer, aber, weil es arm war, wie eine Rirchen-
maus (auch die waren schon dainals sehr arm), so dachte keiner
daran, sie zu heiraten, und jeder sagte ihr nur die schönsten
Schmeicheleien.

Das Mädchen hörte wohl daraus und ließ sich's gefallen —
aber — sie war gescheit und dachte — — dachte — nun, was
denken heiratsfähige Mädchen? — Das dachte auch sie.

Da kam einst in das Dörfchen, in dem sie wohnte, ein
Iiingling, dcr nicht war, wie die anderen Männer. Iedoch der
ging stuinin an ihr vorbei, grüßte abcr höflich, wie sich's gehört.
— — So sahen sich die beiden schon Iahr und Tag — und
hatten nichts geredet als Gruß und Gegengruß. — —

Und doch kam es dazu, daß sie sich liebten l
Wie das zugeht — — wer weiß es zu sagen?! —

Und endlich, endlich kainen sie so weit, einander zu gestehen:
„Ich liebe Dich I Mhne Dich kann ich nicht mehr leben l"

Das sagt man heute noch so, damals sagten
es die jungen Leute auch schon zu einander.

Und schon damals wurde das Geständnis be-
krästigt, indem die beiden, nachdem sie obige Nlorte
gesxrochen, die Lippen einander xreßten und nach
einiger Zeit erst wieder trennten, um dasselbe merk-
würdige Manöver mehreremal hintereinander zu
wiederholen. Beide, der Iüngling und das Nkädchen
waren hierauf wie zwei Berauschte. Ist das nicht
komisch? Aber, das ist heute auch noch so,
glaub' ich. —

Nun begannen die beiden, die Natur mit anderen
Augen anzusehen — die Bäume waren grüner, die
Sträucher blühten schöner, das Gras war länger,
die Blumen dusteten herrlicher als früher, die Vög-
lein (alles das war aber nur ihre Linbildung) sangen

bedeutend schöner.-Ia, selbst wenn es regnete,

so regnete es schöner und gründlicher, gleich ein paar
Wochen hintereinander — — so wie jetzt. —

Der Iüngling hatte bereits im Dorfe mehrere
Freunde. Als er diesen — ganz harmlos — obige
Beobachtungen, die er gemacht zu haben glaubte,
mitteilte, lachten die und sagten: „Du bist verliebtl"

Freunde reden ja auch manchmal einen Unsinn
zusammen. Und der Iüngling ward rot bis unter
die bsaare und bewunderte im Stillen den Scharf-
sinn der Freunde.

Von den Freundinnen des Ulädchens gar nicht
zu rcden l Die wußten alles schon sriiher — als die
Verliebten selber.

Ls ist doch 'was Schönes um die Freundschaftl —

Und die Freunde und Freundinnen schlossen
Biindnisse untereinander — zum Besten der Lieben-
den natürlich — um zu erproben, ob die Liebe auch
echt und dauerhaft wäre.

Denn die Treue ist ja schließlich auch 'was
Wichtiges. Sie besprachen sich zusammen also:

„Wir wollen die beiden in versuchung führenl
N)ir werden auch iiber sie klatschen — natürlich
nur zu ihrem Besten — I — denn ist er ihr treu,
so glaubt er nichts Böses von ihr — und ist sie ihm
treu, so sind wir Freunde nicht im stande, sie zu
verführen I"

Ls ist doch 'was Schönes um die Freundschaft!

Und die Freunde plagten sich redlich um die beiden —
und hatten doch so gar nichts davon, die Guten!

Und es kam eines Tags, daß der Iiingling sein bserz einem
Freunde aufschloß und klagte, daß sein Lieb die Bemühungen
dieses oder jenes jungen Niannes nicht zurückgewiesen, ja, daß
sie beginne, sie, die früher so unnahbar war, mit freundlichen
NUenen zu kokettieren — — — achl und gegen ihn werde sie
so launenhaft — einmal die Zärtlichkeit selbst, ein andermal
wieder kalt und unfreundlich. — Und der gute Freund weinte
aus Niitgefühl bittere Thränen und bedauerte den armen Iüngling.

Das Nkädchen ging zu seiner besten, besten Freundin und
sagte mit zitternder Stimme: „Tr liebt mich nicht mehr so wie
früher — er schaut auch schon andere Niädchen an — gestern
sxrach er so freundlich mit der Anna von drüben — achl achl
ich muß sterben."

Und auch die Freundin weinte bitterlich.

Sie gab ihr aber den Rat, ir- den wald zum alten Lin-
siedler zu gehen, der wüßte Niittel — in allen Nöten.

(Es ist doch gut, wenn man Freunds hatl)

Dcr Dnkel als Ktachelschwein.
 
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