Meggendorfers Humoristische Blätter.
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Der Äespensterschirin.
/ ach Garcon-Wohnungen mich mnsehend, fand ich zuin Schlusse eines mühe-
/ 1 vollen Lserumsuchens ein geeignetes inöbliertes Ziinmer, das ich noch am
^ ^ selben Tage meiner Ankunft in Beschlag nahin. Ls entsprach vollkommen
meinem Munsche und ich fiihlte inich schon bei dem Gcdanken überglücklich, daß
ich eine gute und nebstbei eine billige Unterkunft habe. Das Restauraut hatte
ich auch in der Nähe, wo ich in Gemütlichkeit mein Nachtmahl verzehrte und nach
beendetem Imbiß sofort ineinem neuen kseiin zueilte, um inich mit meinem wenigen
ihab und Gut dort einzurichten.
Ich zündete Licht an, xackte aus, stellte alles in Rasten und Fach. Ls
währte nur kurze Zeit — und ich war mit meinen ksabseiigkeiten in Grdnung.
Befriedigt blickte ich in nieinem Zimmer herum. Meine Unterkunftsgcberin schien
eine ordentliche ksausfrau zu scin; alles glänzte vor Reinlichkeit, — der polierte
Aasten, der Schreibtisch, das Bett mit den schneeweißen Ueberzügen, der Wasch-
tisch — daraus schon alles sür morgen in vorbereitung — sogar an dem daneben
stehenden etwas alien und ungeformten Rleiderstock sand ich ein Wohlgefallen,
weil er so — — — — überrascht machte ich in meinem Gedankengange lsalt;
mein Blick blieb an einem Regenschirm haften, der sich gemütlich an den Aieider-
stock anlehnte. Den hatte ich bis jetzt nicht einmal bemerkt. Neugierig ging ich
auf ihn zu, nahm ihn in die ksand, er war ziemlich schwer und schien dem Aus-
sehen nach im gleichen Alter mit dem Kleiderstocke zu stehen — gewiß hat ihn
mein vorgänger liegen lassen, dachte ich mir, und stellte ihn wieder aus seinen
Platz, setzte mich dann zum Schreibtische, um cine auf der Reise angefangene Skizze
aus Murgers „Boheme" weiter zu lesen.
Die rührende Beschreibung „Fränzchens Ukusf" ließ mich ganz auf den
Schirm vergessen.
Ls mochte schon gegen elf Uhr sein, als ich mich, teils von der Reise, teils
von der Iagd nach Mohnungen totmüde, zu Bette warf und sofort einschlicf.
Unruhige Träume überfielen mich; ich konnte nnr wenig geschlafen haben,
als ich wieder aufwachte.
In meinem Zimmer war es hell; das Licht hatte ich brennen lassen, und
eben wollte ich ausstehen, um es auszulöschen, als ich vernahm, daß jemand an der
Thüre meines Zimmers herumtastete, gleichzeitig kündete dieAuckucksuhr im anstoßen-
den Zimmer meiner Lsausfrau die zwölfte Stunde. Ahnungslos, wem es einge-
fallen, mich jetzt zu ftören, wartete ich bcklommen des Lintretenden.
Die Thüre that sich auf — und ich erstarrte völlig vor Entsetzen.
Lserein trat ein bleicher, gebeugter, alter Mann; einen Lylinder auf dem Kopfe,
auf der etwas langen spitzen Nase eine Brille, schneeweißer Bart umrahmte das
geisterhaft aussehende Gesicht, und an dem Leib schlotterte ihm ein etwas abge-
tragener Gehrock — schweißtriefend vor Angst erwartete ich was dieser gesxenstige
Gast mit seinem nächtlichen Besuch will. Eine Meile schaute er sich stehen bleibend
in meinem Zimmer um, dann ging er schnurstracks auf den Uleiderstock zu, nahm
den dort befindlichen alten Regenschirm in die ksand, — und fort war er.
Ich weiß nicht, war es Ghnmacht oder ein anderer Zustand, der über mich
kam — denn ich fiel wicder in tiefen Schlaf, der erst mit dem späten Morgen endete,
als mich meine lsausfrau mit einem vielfachen lauten „guten Morgen" aufweckte.
„Sie schlafen aber fest," rief sie lachend, „brauch' nicht zu fragen, ob Sie
die Nacht gut zugebracht haben."
Jch rieb mir die Augen, jetzt in der festen Meinung, nur alles geträumt
zu haben, schaute aber dennoch nicht ohne ein gewisses Bangen nach dem Aleider-
stock hin.
Der Regenschirm stand — nicht mehr dort.
„Ia, so eine Reise ermüdet einen schon," setzte meine gesprächige Mrtin
fort, „und junge Leute schlafen immer gerne in der Frühc; da war der kserr Pro-
fessor — Gott hab ihn selig l — ein anderer Mensch; der arbeitete bis tief in die
Nacht hinein und in der Früh' gegen sechse saß er schon wieder am Schreibtisch.
Leider hat ihm gerade das vielleicht geschadet" — --
„Der Lserr Professor?" stammelte ich, die Frau unterbrechend.
„Ia, er hat nämlich auch dieses Zimmer bewohnt, ist aber vor einigen
Tagen an kserzschlag gerade während des vortrages gestorben — aber was ist
Zhnen?"
„Ls ist mir ein bißchen schlecht, bringen Sie mir frisches kaltes wasser."
Meine lfausfrau lief besorgt hinaus und ich dachte fröstelnd llber den Sxuck
nach, zugleich ging mir ein Licht auf, warum der Gcisterxrofessor kam; er hatte
seinen Regenschirm ins Ienseits mitzunehmen vergessen.
Zukrmstsfrage.
Dame: „Bitte, kann ich vielleicht cincn
Briefsteller für S i ch s ch e i d e n l a ss en -
ivollende haben?"
ÄÜ! Vubenstreich.
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/ ach Garcon-Wohnungen mich mnsehend, fand ich zuin Schlusse eines mühe-
/ 1 vollen Lserumsuchens ein geeignetes inöbliertes Ziinmer, das ich noch am
^ ^ selben Tage meiner Ankunft in Beschlag nahin. Ls entsprach vollkommen
meinem Munsche und ich fiihlte inich schon bei dem Gcdanken überglücklich, daß
ich eine gute und nebstbei eine billige Unterkunft habe. Das Restauraut hatte
ich auch in der Nähe, wo ich in Gemütlichkeit mein Nachtmahl verzehrte und nach
beendetem Imbiß sofort ineinem neuen kseiin zueilte, um inich mit meinem wenigen
ihab und Gut dort einzurichten.
Ich zündete Licht an, xackte aus, stellte alles in Rasten und Fach. Ls
währte nur kurze Zeit — und ich war mit meinen ksabseiigkeiten in Grdnung.
Befriedigt blickte ich in nieinem Zimmer herum. Meine Unterkunftsgcberin schien
eine ordentliche ksausfrau zu scin; alles glänzte vor Reinlichkeit, — der polierte
Aasten, der Schreibtisch, das Bett mit den schneeweißen Ueberzügen, der Wasch-
tisch — daraus schon alles sür morgen in vorbereitung — sogar an dem daneben
stehenden etwas alien und ungeformten Rleiderstock sand ich ein Wohlgefallen,
weil er so — — — — überrascht machte ich in meinem Gedankengange lsalt;
mein Blick blieb an einem Regenschirm haften, der sich gemütlich an den Aieider-
stock anlehnte. Den hatte ich bis jetzt nicht einmal bemerkt. Neugierig ging ich
auf ihn zu, nahm ihn in die ksand, er war ziemlich schwer und schien dem Aus-
sehen nach im gleichen Alter mit dem Kleiderstocke zu stehen — gewiß hat ihn
mein vorgänger liegen lassen, dachte ich mir, und stellte ihn wieder aus seinen
Platz, setzte mich dann zum Schreibtische, um cine auf der Reise angefangene Skizze
aus Murgers „Boheme" weiter zu lesen.
Die rührende Beschreibung „Fränzchens Ukusf" ließ mich ganz auf den
Schirm vergessen.
Ls mochte schon gegen elf Uhr sein, als ich mich, teils von der Reise, teils
von der Iagd nach Mohnungen totmüde, zu Bette warf und sofort einschlicf.
Unruhige Träume überfielen mich; ich konnte nnr wenig geschlafen haben,
als ich wieder aufwachte.
In meinem Zimmer war es hell; das Licht hatte ich brennen lassen, und
eben wollte ich ausstehen, um es auszulöschen, als ich vernahm, daß jemand an der
Thüre meines Zimmers herumtastete, gleichzeitig kündete dieAuckucksuhr im anstoßen-
den Zimmer meiner Lsausfrau die zwölfte Stunde. Ahnungslos, wem es einge-
fallen, mich jetzt zu ftören, wartete ich bcklommen des Lintretenden.
Die Thüre that sich auf — und ich erstarrte völlig vor Entsetzen.
Lserein trat ein bleicher, gebeugter, alter Mann; einen Lylinder auf dem Kopfe,
auf der etwas langen spitzen Nase eine Brille, schneeweißer Bart umrahmte das
geisterhaft aussehende Gesicht, und an dem Leib schlotterte ihm ein etwas abge-
tragener Gehrock — schweißtriefend vor Angst erwartete ich was dieser gesxenstige
Gast mit seinem nächtlichen Besuch will. Eine Meile schaute er sich stehen bleibend
in meinem Zimmer um, dann ging er schnurstracks auf den Uleiderstock zu, nahm
den dort befindlichen alten Regenschirm in die ksand, — und fort war er.
Ich weiß nicht, war es Ghnmacht oder ein anderer Zustand, der über mich
kam — denn ich fiel wicder in tiefen Schlaf, der erst mit dem späten Morgen endete,
als mich meine lsausfrau mit einem vielfachen lauten „guten Morgen" aufweckte.
„Sie schlafen aber fest," rief sie lachend, „brauch' nicht zu fragen, ob Sie
die Nacht gut zugebracht haben."
Jch rieb mir die Augen, jetzt in der festen Meinung, nur alles geträumt
zu haben, schaute aber dennoch nicht ohne ein gewisses Bangen nach dem Aleider-
stock hin.
Der Regenschirm stand — nicht mehr dort.
„Ia, so eine Reise ermüdet einen schon," setzte meine gesprächige Mrtin
fort, „und junge Leute schlafen immer gerne in der Frühc; da war der kserr Pro-
fessor — Gott hab ihn selig l — ein anderer Mensch; der arbeitete bis tief in die
Nacht hinein und in der Früh' gegen sechse saß er schon wieder am Schreibtisch.
Leider hat ihm gerade das vielleicht geschadet" — --
„Der Lserr Professor?" stammelte ich, die Frau unterbrechend.
„Ia, er hat nämlich auch dieses Zimmer bewohnt, ist aber vor einigen
Tagen an kserzschlag gerade während des vortrages gestorben — aber was ist
Zhnen?"
„Ls ist mir ein bißchen schlecht, bringen Sie mir frisches kaltes wasser."
Meine lfausfrau lief besorgt hinaus und ich dachte fröstelnd llber den Sxuck
nach, zugleich ging mir ein Licht auf, warum der Gcisterxrofessor kam; er hatte
seinen Regenschirm ins Ienseits mitzunehmen vergessen.
Zukrmstsfrage.
Dame: „Bitte, kann ich vielleicht cincn
Briefsteller für S i ch s ch e i d e n l a ss en -
ivollende haben?"
ÄÜ! Vubenstreich.
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