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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 39.1899 (Nr. 458-470)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20267#0135
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

s27

Varüertes Kprichwort.

Mn bißchen Romantik!

Humoreske von Max Wttndtke.

eiß der Uuckuck, wo das Mädel auf einmal die
roinantischen Launen herbekominen hat!" schimpfte
der Geheime Aommerzienrat Bankier Goldstein.

„Na, von mir doch nicht!" oxponiertc die wohlgenährte
Mama.

„von mir ctwa?" knurrte Papa. „Ich sollte meinen, daß
ich schlechterdings unfähig wäre sür solche romantische Linfälle I"

„Wie nberhanpt fnr ieden Linfall," bemerkte Mama Gold-
stein xikiert.

Ilnd nachdem ste sich eine Meile gestritten hatten, kamen
sie dahin überein, daß es absolut nicht herauszubekommen wäre,
von wem die merkwurdige Laune Dollys, ihres Goldtöchterchens,
eigentlich herrühre

Dolly, ein Goldfisch in fast idealer Gcstalt und noch viel
idealerer Ausstattung, sollte nämlich heiraten. Das war an sich
eine gute Sache, und ste stimmtc darin init ihren Lltern voll-
kommen überein Darüber hinaus aber hörte die Ueberein-
stimmung auf. Dolly liebte nun einmal wie närrisch ihren
Lrich, den berühmten, zu allen tollen Streichen aufgelegten
Maler; und das paßtc den Goldsteins nicht. Wohingegen das
Mädchen durchaus den Grafen Lgon von Trottelburg heiraten
sollte, und das paßte der Dolly wieder nicht. Unbegreiflichl
Was das Ukädel bloß gegen den Trottelburger hatte?l Lr war
reich, o, wie reichl Er war äußerst chio, brauchte täglich vier
Stunden, um seine Toilette tadellos zu arrangieren, und den
Rest des Tages dazu, sich tadellos zu amüsieren. Freilich hatte
er das Pulver nicht erfunden; aber war ein Graf Trottelburg
etwa dazu da, das Pulver zu erfinden? Alles in allem . . .
Graf Trottelburg war einfach unwiderstehlich. Das war auch
so eine vertrackte Laune von der Dolly, den Grafen nicht un-
widerstehlich sondern unausstehlich zu finden; aber Ukama ließ
nicht locker. Und Papa? Nun, der war mit Mama immer
einer Meinung. wenn's aus ihn allein angekommen wäre . . .
Gott, er war ja nicht sol Aber in seinem ksause gab's Sub-
ordinationl Lr hätte sich am Lnde gar kein Gewissen daraus
gemacht, wenn seine „bessere" Fsälfte einmal nicht recht behalten
hättel Aber um Gottes willen keine Vxxositionl

Dolly aber hatte ihren Aopf sür sich. Sie liebte Lrich und
wußte, daß sie wieder geliebt wurde; bastal Und wenn es
möglich gewesen wäre, sich heimlich mit ihrem Maler zu ver-

Lin bißchen Romantik.

mählen — wahrhaftig ste hätte es
gethan. Liner vollzogcnen That-
sache wäre auch Mama Goldstein
machtlos gegenübergestanden. Und
Papa Goldstein hätte vielleicht
äußerlich geschimpft und innerlich
gelacht; zuzutrauen war's ihm.
Aber die beiden Alten wachten mit
Argusaugen über das renitente
Töchterchen.

GrafLgon vonTrottelburg konnte
partout nicht begreifen, wcshalb
Dolly ihn nicht mochte. Das war
doch einfach unerhört, und scheuß-
lich blamable obendrein I Nach geist-
reicher Diplomatenart wollte er der
Sache auf den Grund kommen und
hatte bei der Angebeteten direkt
angefragt, weshalb sie seinen An-
trag ausschlüge. Und was hatte sie
geantwortet? Das wäre ihr alles
viel zu fadel Ein bißchen Romantik
müßte dabei sein, eine kleine Lntführung, eine Flucht, eine
heimliche Trauung, ein elterlicher Doppelfluch mit obligatem
verstoßenwerdenl Das wäre doch eine Sache; das könnte man
sich gefallen lassenl Aber so mir nichts dir nichts verhandeln,
vom Llternhaus weg und mit dem väterlichen Segen aufs
Standesamt schleppen . . . Das ist absolut nicht ihr Geschmack.
Linem Liebhaber, der so nüchtern und ledern, wird sie niemals
ihre ksand reichen.

Graf Trottelburg war nie sehr geistreich; in diesem Augen-
blick sah man's ihm aber auch an. Fliegenden Atems, noch
zusammenschauernd unter dem Lindruck des Unerhörten, das
er soeben aus dem lUunde eines Ntädchens der guten Gesell-
schaft vernommen, hatte er die Aunde paxa und lUama Gold-
stein mitgeteilt.

Nachdem die beiden Alten sestgestellt hatten, daß sie nicht
wüßten, von wem die Dolly diese romantische Laune geerbt
habe, war die lUama auf einen sublimen Linfall gekommen.
Sie berief ihren Schützling zu sich und sagte ihini wenn es ihm
wirklich um Dolly zu thun und er wirklich ein ganzer lUann
wäre, so müßte er wissen, was er jetzt zu beginnen habe.

Troltelburg war geradezu starr. Lnlführen? Unter
heimlicher lUitwissenschaft der Lltern? Aann man denn das
machen? Das ist doch gar nicht gebräuchlich. Aber doch chic,
das mußte man sagen. Gut alsol Und nachdem er von lUama
noch besondere Geheiminstruktionen emxfangen hatte, trat er
wieder vor Dolly und sagte:

„Gnädiges Fräulein, ich kann ohne Sie nicht leben. Sie
müssen mein werdcn, und ich bin bereit, alles für Sie zu
wagen . . . ."

„Aber ohne ein bißchen Romantik . . ."

„G, mein gnädiges Fräuleinl Die Romantik werden wir
jetzt gar nicht mehr entbehren können. Ihre Lltern scheinen
nichts mehr von unserer verbindung wissen zu wollen . . ."

„Und da sind Sie bereit, mich heimlich zu entführen?"

„Dazu und zu noch viel mehr."

„G, das ist ja reizend I Ia, wenn Sie das sertig bringen . . .
eine heimliche Trauung. . . . mein Gott, ich wäreja zu glücklich I"

Und Graf Trottelburg frohlockte. Lr wollte es sertig
bringen.

Also ganz heimlich, bei Nacht und Nebel — über Ljamburg
nach Großbritanien — Gretna-Greeu — es war zu köstlich.

Und Graf Trottelburg spielte dem lUädchen gegenüber seine
Rolle als heimlicher Lntsührer, mie er sich einbildetc, mit vir-
 
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