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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 39.1899 (Nr. 458-470)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20267#0144
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<36

Meggendorfers Humoristischs Bläiter.

Uahrungssorgen.



ein gnädiges Fräirlein, gestatten Sie mir, Ihnen
Ihr Ligentum wieder zuzustellen — ich hatte
zufällig das Glück, hinter Ihnen zu gehen,
als Sie es verloren."

Die junge Dame, die leichten Schrittes
die Stratze hinuntergcschritten, war bei
der Anrede stehen geblieben und nahm
mit ein paar verwirrten Oankesworten
und sehr tiefem Lrröten das kleine
Paket in Empfang. 5ie war dabei
sichtlich bemüht, den merkwürdig düstern
und vorwurfsvollen Blicken des jungen
Mannes auszuweichen, verneigte sich
und setzte schnell ihren Weg fort.

walter Berg sah ihr schmerzerfüllten
Blickes nach. Er stand so eine ganze
Weile, und ein xaar Berliner Schuster-
jungen, diese (guintessenz des Begristes
„Range", fingen schon an, ihn zur Ziel-
scheibe ihres Witzes zu machen.
Da weckte ein heller Ruf den
Bersunkenen.

„'n Tag, Walter l" — ein derber
Schlag auf die Schulter vollendete das
Lrwecken gründlichst.

Walter Berg seufzte erst sehr tief, ehe er den Gruß seines Freundes Leo Adler,
etwas weniger nachdrücklich, erwiderte.

„Ahal" sagte dieser, indem er die sich immer mehr entfernende junge Dame
bemerkte. „Bist mal wieder hinter der kleinen Lette-Schülerin herl Aber warum

folgst Du denn nicht errötend ihren Spuren
und stehst hier, so steif wie 'n Besenstiel?"

„Leo, lasse dasl" wehrte walter be-
leidigt ab — „ich vertrage es nun einmal
nicht. Du weißt, ich hab' sie wirklich
lieb, nicht bloß so zu Spiel und Spottl"

„Na ja doch, zum Donnerwetter noch
'mal, — meine Einwilligung hast Du!
Deshalb brauchst Du doch nicht da zu
stehen und stöhnen, daß man's fünf
Ailometer weit hört — auf in den Aampf,
Torero I"

„Leo — ich bitte Dich — laß ein
einzigesmal Deine dummen Redens-
arten; ich bin nicht in der Stimmnng
dazu — wo ich solchen Aummer habel"
nnd abermals seufzte Walter herzbrechend.

„Na — was ist denn los — mag
sie Dich nicht?"

„Ach Gottl — ich hab' sie doch noch
gar nicht gefragt. Sieh mal, das weiß
ich, daß sie eine Maise ist, und aus guter
Familie — und Buchführung lernt —
und nichts hat — und ein süßes, braves,
liebes Mädel ist —"

„Na — also!"

„Ach Gottl — siehst Du, Leo, Du weißt
ja, ich hatte eine Stiefmutter. Sie war
auch lieb und gut — aber sie war zerstreut,
 
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