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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 39.1899 (Nr. 458-470)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20267#0146
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Neggendorfers Humoristische Biätter.

f38

und Gewürz muß dran — und mit Speck muß er gespickt sein.
Ihr süßer Sauerbraten — der schmeckt wie — wie . . ."

„Na — wie denn? Genieren Sie sich man ja nich —
wie schmeckt er — wie?"

„Wie gekochte Särge" — platzte Wanda heraus.

Frau Weber that einen „!volter"-Schrei. Dann riß sie den
Teller an sich und suhr zur Thüre hinaus — aber die knallte
nur zu, um sich im nächsten Momcnt wieder zu öffnen. Und
in dem Sxalt erschien, gleich dem Antlitz der Medusa, Frau
Webers Aoxf und öffnete den Mund zu einer Rede.

„Sie können sich sür nächsten Lrsten man 'n andre Aost-
und Logiswirtin suchen, denn das möcht' ich nich auf mein
Iewissen nehmen, daß ich das jnädje Freilein wie 'nen vanipyr
behandle, die ja woll jekochte oder rohe Sarge fressen."

Bums l flog die Thüre wieder zu. Wanda aß mit nassen
Augen ihr „Axxelmuß" und ein Stück Brot dazu.

„Ach Gottl" seufzte sie — „ich werd's wirklich thun müssen

— alle Tage ein neues, schreckliches Gericht — und ich bin
noch so hungrig l Wir Mädchen haben's halt gar zu schlimm.
Lss' ich im Restaurant, starren inich die Menschen an — ess' ich
daheim, kann ich verhungern — wenn das der nette Mensch
wüßte, der mir immer nachläuft, wie schlecht mir's geht l

Und Manda weinte halb aus Aummer und halb aus
ljunger.

III.

Ivalter und Leo gingen, ganz vertieft in ihr Gespräch,
durch die Gänge des Tiergartens.

„viermal, sagst Du?" — stöhnte Ulalter, „ihr ewigen Götter

— viermall"

„viermall" bestätigte Leo. „kjör mal, mein Alter, wenn
Du vernünftig bist, schlägst Du Dir das Mädel aus dem Sinn.
Ich fürchte, ich fiirchte . . . das ist keine Liederei — die will
die Sachen verlierenl"

Walters Augen wurden so groß wie ein j)aar Untertassen,
vor Lrstaunen.

„Gestern" — Leo senkte seine Stimme bis zum Flüstern

— „hab' ich sie auf der Ianowitzbrücke beobachtet. Sie stand
dort lange Zeit, über das Geländer gelehnt, wie trauinversunken.
plötzlich sah sie mit einem scheuen Blick um sich — und ließ,
da sie sich unbeobachtet glaubte, ein kleines Aästchen in den
Strom sallen. Die verliert nichts — die schafft etwas bei-
seite. Meißt Du — vielleicht Schmuck — gestohlenen,— aus
dem die Steine gebrochen worden — oder Banknotenl Mensch

— fasse Dich doch! — es ist ja nur ein verdacht. Aber —
neulich ist doch 'ne Falschmünzerbande aufgchoben worden —
da sollen Iveiber mit im Spiel sein. Anbringen könncn sie die
Noten nicht mehr — da miissen sie so nach und nach bei Seite
geschafft werden." —

„kjör auf — Du tötest michl" stöhnte Walter.

„Ich meine nun, wir ertappen sie beim nächsten Mal —
zwingen sie, das paket zu öffnen und ein Geständnis zu machen.
Vder, wir machen die Ariminalpolizei auf sie aufmerksam. Es
mag Dir weh thun — aber ein rascher Schritt ist besser als
lange verzehrende Tual."

„Lrst wirl" bat Ivalter — „wir wollen ihr ins Gewissen
reden, wenn es sich wirklich so verhält — Gott — ich hab' sie
doch so lieb gchabt, das reizende, liebe Mädel!"

„Gut also — auf morgen!"

Leo ging, und Ivalter schwankte nach kjaus wie ein Be-
trunkener. „Das sollte das Lnde sein — das?I"

IV.

Die B.-Straße entlang schritt Ivanda. Sie ging leichten
Schritts — vollkommcn ahnungslos, daß hinter den Spitzenvor-
hängen eines Lafes vier scharfe Augen sie beobachteten. Lin
kleines jdäckchen trug sie in der kjand.

„Bums l — da liegt'sl" rief Leo und stürzte hinaus, auf
den zierlich verschnürten Aarton zu, der soeben, scheinbar zu-
fällig, Ivandas kjand entglitten. Die schnellen Schritte ließen
sie stehenbleiben und zurückschauen. Da hob Lco gerade das
Päckchen auf, und kvalter stand gesenktcn kjauptes dabei.

„Ivanda erglühte bis unler das lockige Stirnhaar — und
stand — ein Bild fassungsloser Scham, das hiibsche Uöxfchen
tief gesenkt, vor ihren Richtern.

Leo faßte sich zuerst. Lr zog höflich den kfut.

„Mein Fräulein!" begann er — aber Ivalter fuhr da-
zwischen.

„ . . . wie können Sie — o wie können Sie nurl — und
ich habe Sie so sehr verehrt . . ."

„kjalt doch den Nund, dummer Aerl I" rief Leo warnend
und faßte Ivandas Arm.

„Bitte, kommen Sie einen Augenblick mit uns — dort in
die Aonditorei!"

Ivanda versuchte sich loszumachen, und faßte mit zittern-
den kjänden nach ihrem Päckchen.

„Nein!" wehrte Lco — „nachher l — kommen Sie — machen
Sie durch Ihr Sträuben kein Aufsehen — der Schutzmann
wird schon aufmerksam." —

„Und ich hab' Sie so lieb gehabt, so lieb!" klagte Ivalter.

Ivanda blickte gänzlich verstört von einem zum andern.
Ivortlos und zitternd schritt sie an Leos Arm über die Schwelle.

Lndlich war die bestellte Schokolade gebracht, und das
Ladcnfräulein hatte sich cntfernt. Die Stube war sonst noch
ganz leer in dieser Morgenstunde.

„Mein Fräulein, wir bcobachten seit ca. vier Ivochen Ihr
merkwürdiges Thun und Treiben. Sie werden mir selbst zuge-
stehen, daß es ein äußerst seltsames ist." —

Ivanda vergrub ihr Gesicht in den kjänden.

„Ivir wollen Sie schonen," flüsterte Leo — „schon meines
Freundes willen, der sie aufrichtig gelicbt hat. Aber wir wissen,
was dieses Paket, das Sie absichtlich verlieren, enthält — wissen,
was Sie fortwährend auf diese raffinierte IVeise fortschaffen.
Ivie war es möglich, daß Sie auf diese Bahn gerieten? Also
gestehen Sic es — ehe ich es öffne, was enthält dieses Paket?"

„Und ich habe Sie so sehr geliebt" — jammerte Ivalter.

„Still dochl — nun, mein Fräulein? Dieses Paket ent-
hält ...?"-

„Bo — Bo —" stammelte Ivanda —

„Ba — Ba —" korrigierte Leo, — „Banknoten" formte er
lautlos mit den Lippen.

„Bohnensuppe" — schluchzte Ivanda vor Lachen laut auf.

Die beiden kserren sahen nicht gerade zn geistreich aus.
„Bohnensuppe?!" — wiederholten sie verständnislos. —

Ivalter riß das Päckchen an sich und zerfetzte Schnur und
jdapier. Lin Aarton kam zum vorschein — er enthielt gallert-
artig erstarrt — aber nach Geruch und Aussehen unverkennbar
— nun eben — Bohnensuppo.

Ivanda schluchzte noch immer vor Lachen — das war so
ansteckend — die beiden lachten schließlich mit, bis ihnen die Seiten
schmerzten — warum — das wußten sie noch immer nicht recht.

Lndlich saßte sich Ivanda, trocknete die Lachthränen und
schöpfte ties Atem.

„Aber erklären Sie uns doch —" — stammelte IValter. —
 
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