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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 40.1900 (Nr. 471-483)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20911#0016
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B7eggenäorfers ^umoristische Btätter.

Die Unterhaltung der im Lsause des Fabrik-
direktors Stein „zu einer Tassee Rasfee" ver-
sammelten Damen hatte den Aulminationspunkt
erreicht, denn auf der Tagesordnung stand
das Aapitel von dem mönnlichen Vertreter des
Itlorno SLpiens, wie er ist und sein soll.

Fräulein Kunigunde Sittig hatte gerade
den letzten Bissen eines umsangreichen 5tücks
Baumtorte hinter einem Gehege salscher Zähne ver-
schwinden lassen und demselben mit dem braunen Reste aus
ihrer Uiokkatasse ein wohlwollendes Geleite gegeben. 5o hin-
länglich gewappnet, um nunmehr auch ihr, durch „keinerlei
5achkenntnis getriibtes" Urteil abzuschießen, setzte sie das seine
PorzeUan — es wurde bei sedem Uaffee wegen seiner Echtheit
von neuem bewundert — aus den Tisch des chauses und im-
provisierte ein erbarmungsloses Autodase des abwesenden Ge-
schlechts in Bausch und Bogen.

„Ia, ja, meine verehrten Damen!" schlotz fie ihren von
unversälschtem Männerhaß diktierten kserzensergutz. „5o sind
sie, diese cherren der Schöpsung l Tyrannen, Tgoisten, alle, alle,
ohne Ausnahme I Tiner genau wie der andere, — nur immer
noch schlimmerl . . . Na, und nun gar erst die Ukoral . . . ich
bitte 5iel Die krasseste Zronie! Geben 5ie einem von ihnen
die Gelegenheit zu einer Techtelmechtslei hinter dem Rücken
seiner Frau — glauben Sie mir, es widersteht keiner, keiner!
Darauf mein purole ckAonnenr l Denn ich bin alt genug ge-
worden, um das beurteilen zu können."

Zm ersten Gliede des letzten 5atzes inutzte man chräulein
Sittig entschieden recht geben, denn sie hatte ihr sünstes s)ahr-
zehnt gerade hinter sich, im andern sreilich könnte man ihre
Rompetenzsähigkeit in Rücksicht aus ihre weibliche Iunggesellen-
schast mehr oder minder in Zweisel ziehen.

N?enn dennoch das vernichtende „Rreuzige!" der mutigen
5-precherin im großen und ganzen vor dem weiblichen Gerichts-
hos unangesochten blieb, so verdient es um so qrößere Aner-
kennung, daß sich chrau Uteta 5tein, die lspbreizende, jugend-
srische chausfrau, mit geradezu vcrblüssender Mssenheit bemühte,
für ihr „süßes Ukännchen" eine tüchtige'Lanze zu brechen und
dre worte ihrer jungsräulichen Oorrednerin Lügen zu strasen.

Aber Fräulein Sittig," plädierte sie eifrig, „Sie
übertreiben doch wahrhaftig mehr als nötig! Wie kann
man nur so summarisch über die Ukänner urteilen? Ich,
zum Beispiel, würde mich keinen Augenblick besinnen, für tneinen
Mann beide chände ins Feuer zu legen!"

„Dann verbrennen 5ie sich gefälligst nicht, werteste Frau
Direktorl Mer, wie 5ie, einen so begehrenswerten stattlichen
Ulann zum Gemah! hat, der überdies viel auf Reisen „beschästigt"
ist (diesem letzten Ausdruck gab sie eine ausfallend spitze Be-
tonung), der hätte doch wahrlich allen Grund, seine Augen
offen zu halten, statt so voreilig besonnenen personen in die
Rede zu fallen. Nein — diese Naivität von Ihnen ist wirklich
einzig und stimmt mich beinahe rührselig."

Und als wollte sie diesen Grad ihrer 5eelenstimmung möglichst
auqenscheinlich versinnbildlichen, bemächtigte sie sich der inzwischen
von neuem gefüllten Tqsse und begann, den dampfenden Inhqlt
mit dem silbernen Lössel eifrig zu bearbeiten, während das be-
gonnene Gespräch gleichzeitig an verschiedenen 5tellen des

Tisches neue und vielseitige Angriffspunkte bot.

Auf chrau Uketas 5timmung hatten die harten lVorte der
männerfeindlichen Iungsrau einen düsteren Schatten gesenkt, der
nicht weichen zu wollen schien, so sehr sich die vertrauensselige
Voreingenommenheit sür den Gatten auch dagegen aufzulehnen
suchte. Immer wieder klang in den Mhren der jungen chrau
das Ukenetekel des chräulein 5ittig i „lVer, wie 5ie, einen so
stattlichen Nann zum Gemahl hat, sollte seine Augen offen
halten ..."

Gott I lVenn sie gar etwas Bestimmtes zu wissen glaubte,
etwa einem „unverbürgten on clit zufolge", wie sie sich aus-
zudrücken beliebte? Aber nein, unmöglich I Fort mit solchem
! unbegründeten, thörichten Verdachtl Vskar war thr treu und
! ergeben, liebte er sie doch ebenso innig wie sie ihn I

Und dennoch I . . Zetzt vielleicht . . . aber später, wenn
 
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