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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 40.1900 (Nr. 471-483)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20911#0018
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Meggendorfers Huinoristische Blätter.

sO


waffnen und das Band, das fie an ihn fesselte, auf immer
zerreißen.

Im Schatten des gotischen jdortals birgt sie die schlanke
Gestalt und xreßt ihre glühende 5tirn an das seuchtkalte Gestein.
vor ihren Blicken dehnt sich die im Lichte unzähliger Gas-
flamm en sich badende Btraße, auf der er nun gleich erscheinen
wird.

Ietzt taucht seine stattliche Gestalt aus der LZuerstraße aus
und macht thalt. Ihr cherz schlägt zum Ierspringen. Mannig-
sache Lrinnerungsbilder zucken gespenstisch vor ihr aus und
verschwinden wieder. Sie
teilt das Los des Ertrinken-
den, vor dessen Geiste im
Augenblicke des Todes noch
einmal die Vergangenheit
mit blitzartiger Geschwin-
digkeit vorüberhuscht . . .

Doch warum kommt er
nicht?

Sie sieht, wie er
sich gemächlich eine Li-
garre anzündet — den
Rock sester zuknöpst und
— — die Btraße in
entgegengesetzter Rich-
tung langsam zurück-
geht. Ist das alles
wirklichkeit, ist's ein Trug-
bild ihrer ausgeregten
Binne? Nein, nein! Oort
aus dem Marktplatze rauscht
wie imnrer der alte Brunnen
seine stetigs IRelodie, docther siutet aus dem Bogensenster der
Apotheke der Lichtschein aus das Btraßenpslaster, und vom Turme
erschallt das erste Viertel der neunten Ltunde. Aein 5innen-
trug, . . . greisbare, lebensvolle wirklichkeit!— Sollte er von
xlötzlicher Reue erfaßt, sich im letzten Augenblicke zum Rückzug
entschlossen haben?

5o kehrt langsam, aber stetig ihre bsossnung wieder, während !
sie ihn aus seinem kvege über dieselben Straßen und plätze, ^
die sie gekommen, solgt. Ie mehr sie sich ihrer Behausung nähern, !
desto schwerer wird es ihr, ihre sreudige Ausregung zu bemeistern,
und als er im bsause verschwunden ist, jubelt eine 5timme in !
ihr: Triumxhl Lr ist kein verräter: ich bin eine glückliche Frau I !

Nach wenigen Minuten hängt sie an seinem bsalse und >
vermag sich nicht genug über die entzückende Attrape zu sreuen,

die er ihr von seinem Gange mitgebracht, „nur um sie damit
zu überraschen." Der Gute!

Fast sühlt sie sich ihm gegenüber jetzt schuldig und ist nahe
daran, ihr ganzes Geheimnis zu beichten und seine Verzeihung
zu erbitten, aber das Schamgesühl schnürt ihr die Aehle zu.
Da kommt er ihr entgegen, indem er mit einem Anslug über-
mütiger Laune den Boten zarter Geständnisse in ihre weiche
khand drückt. welch eine rührende Mffenheitl lVie klein er-
scheint sie sich nun in ihrem thörichten Verdachte gegen einen solchen
INann! Mebr um ihr Trröten zu verbergen, als um das begonnene

Spiel fortzusetzen, beugt sie
sich über das Schreiben und
liest pochenden cherzens die
ihr nur zu bekannten lVorte.
„)hre 5ie vergötternde
Tilly," citiert er mit einem
Ausdruck stolzen Belbstge-
sühls. „Nun, was sagst Du
dazu, Frauchen?"

„Ich — was soll ich dazu
sagen?" stammelt sie in rei-
zender verlegenheit, an der
er sich mit Behagen zu weiden
scheint. „Aannst Du Dir
denken, daß ich einer solchen
Bestellung Fcllge leisten
würde?"

„Nein, Du Guter, Lieb-
ster, Bester!" jubelt sie aus
und bedeckt seinen Nund
mit unzähligen, heißen
Aüffen.

„Namentlich," sährt jjener trocken und gedehnt fort, „we::n

man bei einem Rendezvous so wenig zu gewinnen — und sc-
viel zu riskieren hat, wie in diesem Falle."

„Mskar! 5o kennst Du —"

„Die heimliche Absenderin? Allerdings — durch einen
Zusall: eine kleine Unvorsichtigkeit ward ihr Verräter."

lVährend er von dem Damenschreibtisch einen allerliebsten
kleinen Tintenlöscher nimmt, sährt er gelassen sort: „Betrachte
in diesem Trumeau ein klein wenig den tadellosen Bchristabdruck
aus dieser gewölbten Fläche — schändlich, was?"

Und vor ihren trunkenen Blicken tanzen in dem krystallnen
Glase des Spiegels gleich neckenden Robolden die lVorte:

Ihre Bie vergötternde Lilly.

^lloderne dLeXameter.

Der Sonnenbruder

<^>äse, 'ne lVeiße, 'ne Wurscht un 'ne Iurke, und 'ne Liejarre dazu —
Er-Ä lherz, wat verlangste noch mehr? — Arbeet? — nich in die la main I"

Der Bergsex:

i^>limm' ich, gestützt aus den Bergstock, mit nägelbeschlagenem Schuhzeug
Ragende Felsen hinan, gähnt mir von unten der Grund.

Uünde ich, thalwärts gekehrt, was oben ich schaute, dem ksörer,
lVährt es nicht lang und er gähnt, täuschend dem Abgrunde gleich.

_ O. E. H.

IZallgelpräch.

„Fräulein, haben Sie schon einmal das europäische Aonzert gehörtl"

Äm fawofes Zuchtbaus.

das sür ein Gesangverein?"
lvirt: „Ach, das ist der Männerchor drüben im
Zuchthaus .. . da wird jedensalls wieder einer
entlassenl"

Litterarifches.

Nachbar (ironisch): „lVas war das denn sür eine
lange Vorlesung, die Ihnen gestern Abend Ihre
liebe Frau gehalten hat?"

Bausherr: „Das war der Text zu den drei

Reiherfedern, die Sie heute aus ihrem neuen
bsut sehenl"
 
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