Meggendorfers Humoristische Blätter.
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an ihre Bühnentauglichkeit nur noch bestärkte. Allein auch fie zog
das direkte verfahren in Bälde dem Umweg über die weltbedeutenden
Bretter vor und rettete sich vor Ziegensxecks hartnäckigen Bekehrungs-
versuchen in die der Aunst weitgeösfneten Arme eines verwitweten
Börsianers. Und ach I Susanna war die letzte nicht, die Romuald
enttäuschte. Ihr solgten Alara, Doris, Ida, Nini und Iosexhine
nach, bis es als ausgemachte 5ache galt, man müsse sich dem Meister
Ziegenspeck zur vorbereitung sür die Bühne anvertrauen, um zu-
verlässig einen Mann zu kriegen.
So ging es einige Iahre lang. Zch hatte den Ulärtyrer seiner
fixen Idee darüber aus den Augen verloren; erst nach geraumer
weile sührte der Zusall mich abermals mit ihm zusammen. Lr
stand vor einem Auslagefenster, die Nase an das Glas gexreßt, so
daß er mich sürs erste nicht erblickte.
Du lieber Gott, wie sah der Mensch verändert aus! Weg waren
die dunkelblonden bsängelocken, die im Verein mit dem nun gleich-
falls abgethanen Schlapxhut seinem bsauxt sonst das Gexräge genialer
Eigenart verliehen hatten. lveg das Gachenez aus weißer 5eide,
das sich selbst in den Tagen ärgster Lsungersnot als weithin leuch-
tende Flagge weltmännischer Lleganz behauptet und höchstens hin
und wieder ohnmachterregend nach Benzin geduftet hatte. Auch der
zimmetbraune jDrophetenmantel mit seinem phantastisch - slatternden
Aragen, um dessentwegen einst mehrere Lxcentrik-Alubs sich begeistert
um Romualds Beitritt rissen, war gefallen. An seiner Stelle uin-
spannte nun ein Ueberrock von bürgerlich - banalem Schnitt gleich
einer Wursthaut seine sanft gerundete Gestalt. Ia, ja, Freund Ziegen-
sxeck schien jetzt in einem guten Stall zu stehen, darüber konnte selbst
der schwache Leidenszug nicht täuschen, der sich schämig um die Fülle
seiner rosigen lVangen lagerte.
Ich klopfte Romuald von rückwärts auf die Schulter: „bse, Ziegen-
sxeck, wie heißt die jüngste Primadonna, die Du der deutschen
Bühne schenkst?"
Lrschrocken fuhr der arme Aerl herum, als hätte das böse Ge-
wissen ihm einen Biß versetzt. „Ah, Du bist'sl" atmete er dann
erleichtert aus, mit einem scheuen Seitenblick nach der Butike,
vor der er stand.
„Nun weißt Du, mit der ^>rimadonnenjagd ist's aus, unwider-
ruslich aus." Lr kraute sich den Aoxf. „Das ist so eine Sache, siehst
Du — hm — ich habe sie kennen gelernt — ein miserables Lorps,
diese singenden weiber! Kein Ernst, kein zielbewußtes Streben,
keine Liebe für die Aunst — bei allen läuft der Lhrgeiz auf das
siebente Sakrament hinaus." Das letzte sagte er leise und ängstlich,
wie entsetzt über seine eigene Aühnheit. Ich suchte unwillkürlich
nach dem Damoklesschwert, das den armen Burschen so unheimlich
verschüchterte. „weißt Du was, komm mit ins Sxatenbräu, dort
nehmen wir die letzten Aapitel aus Deiner Lebensgeschichte durch,"
schlug ich ihm vor. Doch er, der nie das bserz gehabt hatte, ein
ähnliches Anerbieten auszuschlagen, schüttelte nun energisch ablehnend
das bsaupt. „Ich kann nicht," kam es gepreßt von seinen Lixpen,
„ich kann wirklich nicht." Und mit einem abermaligen Streifblick
nach der Ladenthüre: „lveißt Du, die letzte jdrimadonna, auf die ich
meine bsoffnungen gesetzt, eine Grtrud, wie man sie noch nie gehört,
— die — jal hm, ich hatte sicher darauf gerechnet, daß sie zur
Bühne gehen würde, hm, aber mein pech, mein kolossales j)ech,
wollte es anders. . . . Sie war gar nicht mehr besonders jung, und
was ihre Schönheit anbelangt ... . na, ja . ." bsier geriet er
vollends in ein verlegenes Flüstern.
„Und dennoch wurde sie Dir weggeheiratet?" meinte ich, zu
ksilse kommen zu müssen.
Romuald wand sich wie ein lebendig gespießter Regenwurm.
„IVurde geheiratet ist kaum das richtige lVort," xiexste er trübselig,
„dazu ist sie viel zu energisch und willensstark. Sie hatgeheiratet.
Za, ja," er neigte das bsaupt zur Seite, wie ein krankes bsuhn und
starrte melancholisch vor sich nieder, „ich habe immer jdech gehabt,
immer — immer .... Dh diese tVeiberl" (Schiuß nächste Seite.)
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an ihre Bühnentauglichkeit nur noch bestärkte. Allein auch fie zog
das direkte verfahren in Bälde dem Umweg über die weltbedeutenden
Bretter vor und rettete sich vor Ziegensxecks hartnäckigen Bekehrungs-
versuchen in die der Aunst weitgeösfneten Arme eines verwitweten
Börsianers. Und ach I Susanna war die letzte nicht, die Romuald
enttäuschte. Ihr solgten Alara, Doris, Ida, Nini und Iosexhine
nach, bis es als ausgemachte 5ache galt, man müsse sich dem Meister
Ziegenspeck zur vorbereitung sür die Bühne anvertrauen, um zu-
verlässig einen Mann zu kriegen.
So ging es einige Iahre lang. Zch hatte den Ulärtyrer seiner
fixen Idee darüber aus den Augen verloren; erst nach geraumer
weile sührte der Zusall mich abermals mit ihm zusammen. Lr
stand vor einem Auslagefenster, die Nase an das Glas gexreßt, so
daß er mich sürs erste nicht erblickte.
Du lieber Gott, wie sah der Mensch verändert aus! Weg waren
die dunkelblonden bsängelocken, die im Verein mit dem nun gleich-
falls abgethanen Schlapxhut seinem bsauxt sonst das Gexräge genialer
Eigenart verliehen hatten. lveg das Gachenez aus weißer 5eide,
das sich selbst in den Tagen ärgster Lsungersnot als weithin leuch-
tende Flagge weltmännischer Lleganz behauptet und höchstens hin
und wieder ohnmachterregend nach Benzin geduftet hatte. Auch der
zimmetbraune jDrophetenmantel mit seinem phantastisch - slatternden
Aragen, um dessentwegen einst mehrere Lxcentrik-Alubs sich begeistert
um Romualds Beitritt rissen, war gefallen. An seiner Stelle uin-
spannte nun ein Ueberrock von bürgerlich - banalem Schnitt gleich
einer Wursthaut seine sanft gerundete Gestalt. Ia, ja, Freund Ziegen-
sxeck schien jetzt in einem guten Stall zu stehen, darüber konnte selbst
der schwache Leidenszug nicht täuschen, der sich schämig um die Fülle
seiner rosigen lVangen lagerte.
Ich klopfte Romuald von rückwärts auf die Schulter: „bse, Ziegen-
sxeck, wie heißt die jüngste Primadonna, die Du der deutschen
Bühne schenkst?"
Lrschrocken fuhr der arme Aerl herum, als hätte das böse Ge-
wissen ihm einen Biß versetzt. „Ah, Du bist'sl" atmete er dann
erleichtert aus, mit einem scheuen Seitenblick nach der Butike,
vor der er stand.
„Nun weißt Du, mit der ^>rimadonnenjagd ist's aus, unwider-
ruslich aus." Lr kraute sich den Aoxf. „Das ist so eine Sache, siehst
Du — hm — ich habe sie kennen gelernt — ein miserables Lorps,
diese singenden weiber! Kein Ernst, kein zielbewußtes Streben,
keine Liebe für die Aunst — bei allen läuft der Lhrgeiz auf das
siebente Sakrament hinaus." Das letzte sagte er leise und ängstlich,
wie entsetzt über seine eigene Aühnheit. Ich suchte unwillkürlich
nach dem Damoklesschwert, das den armen Burschen so unheimlich
verschüchterte. „weißt Du was, komm mit ins Sxatenbräu, dort
nehmen wir die letzten Aapitel aus Deiner Lebensgeschichte durch,"
schlug ich ihm vor. Doch er, der nie das bserz gehabt hatte, ein
ähnliches Anerbieten auszuschlagen, schüttelte nun energisch ablehnend
das bsaupt. „Ich kann nicht," kam es gepreßt von seinen Lixpen,
„ich kann wirklich nicht." Und mit einem abermaligen Streifblick
nach der Ladenthüre: „lveißt Du, die letzte jdrimadonna, auf die ich
meine bsoffnungen gesetzt, eine Grtrud, wie man sie noch nie gehört,
— die — jal hm, ich hatte sicher darauf gerechnet, daß sie zur
Bühne gehen würde, hm, aber mein pech, mein kolossales j)ech,
wollte es anders. . . . Sie war gar nicht mehr besonders jung, und
was ihre Schönheit anbelangt ... . na, ja . ." bsier geriet er
vollends in ein verlegenes Flüstern.
„Und dennoch wurde sie Dir weggeheiratet?" meinte ich, zu
ksilse kommen zu müssen.
Romuald wand sich wie ein lebendig gespießter Regenwurm.
„IVurde geheiratet ist kaum das richtige lVort," xiexste er trübselig,
„dazu ist sie viel zu energisch und willensstark. Sie hatgeheiratet.
Za, ja," er neigte das bsaupt zur Seite, wie ein krankes bsuhn und
starrte melancholisch vor sich nieder, „ich habe immer jdech gehabt,
immer — immer .... Dh diese tVeiberl" (Schiuß nächste Seite.)