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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 40.1900 (Nr. 471-483)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20911#0093
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

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aber den ich noch verfügte, den letzten 5toß. Die gänzliche
Abwesenheit von sprudelnder Fröhlichkeit widerte inich auf die
Dauer an, und ziemlich enttäuscht verließ ich das Fest. —

Draußen wehte mir ein bitter scharfer Gstwind entgegen.
Es war Glatteis. Voll stand der Mond am dunklen, klaren
kfimmel, an dem die Sterne wie Diamanten flimmerten.

Wohin aber jetzt? Nach kfause? Nein! — kveshalb?
Niemand erwartet mich dort, und ich bin noch nicht in der
Stimmung, schlafen zu gehen. —

planlos wandere ich „Unter den Linden" entlang, biege
dann rechts in eine verkehrsreiche Straße. —

„wachsftreichhölzer? !" — „kfeir-r-ratszeitung?!" — „Sträuß-
chen gefällig?!" — —

Was einem in solch einer
Großstadt nachts um ein Uhr
nicht noch alles zum Aauf
angeboten wird! Zwei kokett
gekleidete Dämchen streifen
dicht an mir vorüber. Die eine
sieht sich um, die andere lächelt
mir verheißend zu. Beinahe
kollidiere ich mit einem eiligen
cherrn. jllötzliches Lrkennen
— ksändeschütteln. —

„lVollen Sie schon nach
kfause?"

„lveiß nicht!"

„Ia was machen Sie denn ^
hier? Aommen Sie mit ins
Lafe Bauer?" — „Bon, na-
türlich „Bauer"; was soll man
auch sonst jetzt noch anfangen!"

wir machen wieder Aehrt
und treten ins Lafe. Alles
überfüllt, ein kseidenspektakel
dröhnt durch das Lokal, unter
der Decke lagerte sich eine dichte
Rauchwolke. Lächelnd sah mich
mein Freund an, als ich meinen
Ulantel ablegte.

„Also aus Gesellschaft kom-
men Sie?"

„Nein, vom Theaterball l"

„kfören Sie mal, Sie sehen
aber gar nicht vergnügt aus; ich sollte meinen, ein Mensch,
der von einem lustigen Ballfest kommt, sehe fideler aus."

„Sie haben recht," entgegnete ich nachdenklich; „ich weiß nicht,
was mir fehlt; ich war wohl nicht in rosiger Laune, auch machte
mir das witzlose Getriebe kein Vergnügen."

„Ia, ja," lachte mein Freund, „mit solchen Rünstlerfesten,
wie ihr sie da im Süden feiert, dürfen Sie den Lindenball
auch nicht vergleichen; aber auch auf den Redouten in Ntünchen
geht es etwas derb her; indes wir leben nun einmal in Berlin,
und jeder amüsiere sich, so gut er kann."

„Das ist es ja gerade," entgegnete ich ernst, während der
Rellner den „Schwarzen mit Lognac" xräsentiert, „diese Art
von Vergnügen machen mir keinen Sxaß mehr, sie sind mir schal."

Mein Freund sah mich erst einen Noment xrüfend über
seine Taffe hinweg an und brach dann in ein herzhaftes Lachen aus:

„Aber Nensch, dann sind Sie ja reif für die Lhe; heiraten
Sie doch; vielleicht macht Ihnen das mehr Spaß!"

Und nun erzählte er mir sxrudelnd allerlei; ich hörte es
kaum mehr in dem allgemeinen Lärm. Ich fing an, müde zu
werden, und machte den vorschlag, aufzubrechen. An der Uranzler-
Lcke trennten wir uns.

Nun ging ich wirklich nach kfause. verschlafen empfing
mich mein Diener, nahm mir Lsut, Mantel und Stock ab und
fragte, ob ich sonst noch Befehle hätte. Ich schickte ihn fort und
setzte mich nachdenklich in die Sosaecke.

Wie hatte mein Freund doch gesagt? Ich wäre reif für
die Lhe? Ich, der bisher dergleichen nur von der komischen
Seite betrachtet hatte? —

Allein, so unrecht hatte er eigentlich nicht, xhilosoxhierte
ich weiter. In dem Alter ist man nun nachgerade angelangt,
in dem der Themann gedeiht, und — aufrichtig gestanden —
die Zunggesellenwirtschaft habe ich auch satt. Ich nehme eine

Stellung ein, die ihren Mann
ernährt, — ihren „Mannl"

— richtig das ist es-

Ich bin beinahe einge-
schlafen. Lichte Gestalten schwe-
ben an meinem geistigen Auge
vorüber: das Ulajorstöchter-
chen, hübsch, liebenswürdig,
talentvoll — aber — aber —
Gder die Linzige des kserrn
Geheimrat — nein, nichts für
mich, zu viel Geist, zu wenig
kserz —; aber, wie wär's denn
mit dem Töchterlein des kserrn
Roland? cherr Roland hat
keinen Titel, keine Grden,
keine Uniform; aber er ist ein
„schwerer Ukann" und einpräch-
tiger Mensch, sein Töchterlein
gerade keine Schönheit; auch
große Talente hat sie nicht, sie
sieht überhaupt recht anspruchs-
los aus, wie ein richtiges

chausmütterchen,-- mir fällt

immer wieder dvr „Schwieger-
vater" ein — ... kserrgott; so-
eben habe ich halblaut „Schwie-
gervater" gesagt, fahre er-
schreckt in die ksöhe und blicke
erstaunt im Zimmer umher. Ich
beruhige mich und träume
weiter:

Ts wäre doch schön, wenn man jemand hätte, der Anteil
an einem nähme, dem män alles anvertrauen könnte, den man
lieb HLtte.

Weshalb sollte ich mich denn mit der kleinen Roland nicht
verloben?

Als verlobte empfehlen sich:

--^

Nnnchen Rciland

Or. Max Sturm,

Bxrlin. Müircheir.

Ls klingt gar nicht so übel, ich gewöhne mich nach und
nach an den Gedanken. Grübelnd fange ich an, mich zu ent
 
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