INeggendorfers Hurnoristische Blätter.
87
„Ia, eigentlich war es gar nicht meine Ab-
sicht, Sie anfzusuchen; nur der Zufall fnhrte
mich hierher."
verwundert blickte mein Freund auf und
sagte dann:
„So, der Zufall? — Na ohne indiskret zu
sein, Sie haben doch sicher heute schon etwas
erlebt?!"
„Ia," entgegnete ich, „ich hätte mich
beinahe verlobtl" —
„Sind die Lferrschaften vielleicht zu sprechen?"
Das Mädchen wendet den Aoxf, ich folge ihrem Blick und
siehe da, an der Salonthüre steht „Annchen."
Aeste kahl gegen den Lfimmel. Zwischen den Gebüschen schmilzt
der Schnee. An den Zelten fällt mir ein, daß ich in der Nähe
der Mohnung meines Freundes bin. Ich finde ihn im Begriff
auszugehen.
„Ah, guten Morgen Lferr Doktor, bitte abzulegen, Sie müffen
sich jedoch mit meiner Gesellschaft begnügen, j)apa und Mama
sind in die Airche gefahren, ich bin allein zu kfause geblieben;
„Zamos, daß Sie kommenl Wir wollen den heutigen
Abend zusammen sein, wenn es Ihnen recht ist. cheute Abend
will ich mit meiner Lizzi zu Renz gehen; schlie-
ßen Sie sich an; Lizzi's Schwester wird auch
mitkommen. Sie werden sich briltant unterhalten.
Reizender Räfer, die kleine wanda, und witz
hat das Mädel, sag' ich Ihnenl Sie werden
sich köstlich amüsieren. Nachher effen wir bei
Dreffel zusammen. Uebrigens habe ich noch gar
nicht gefragt, was Sie zu solch ungewohnter
Zeit zu mir führt?"
denken Sie, ich bin vorgestern auf dem Lise, natürlich neuer
„Mauer-See", furchtbar gefallen."
A)ir treten in den Salon, und sofort ist eine lebhafte Unter-
haltung im Gange. Dann sxrach ich mein Bedauern darüber
aus, daß ich fie im Musizieren gestört, und bitte sie, die Guver-
ture zu Gnde zu sxieten. Sie setzt fich an den prachtvollen
chlügel; ich wende die Notenblätter. Mitten drinnen hört sie
auf einmal auf.
„Aber, cherr Doktor, Sie hören ja gar nicht zu, Sie starren
da immer das dumme Bild an; es ist das erste, das ich gemalt;
freilich ist es ja auch darnach geworden. Ich werde es doch
noch an einen j)latz hängen müffen, wo es weniger in die
Augen fällt."
Ich spreche galant meine Bewunderung über ihr Talent
aus. Und nun unterhalten wir uns lebhaft über Nalerei,
Musik, über ihre demnächstige Reise nach Italien, und — was
weiß ich alles.
Endlich erhebe ich mich, nach meinem T'slinder langend.
„Gnädiges chräulein, ich möchte nun nicht länger stören,
ich bitte, mich Ihren Lltern bestens zu empfehlen."
„Sie haben mich durchaus nicht gestört, cherr Doktor, ich
danke Ihnen sehr für Ihren freundlichen Besuch, meine Lltern
werden sehr bedauern —"
verbeugung, bfändedruck.-— —
-i-
* *
Ich eile durch den verregneten Tiergarten in gänzlich ver-
kehrter Richtung. Die Bäume strecken ihre schwarzen, triefenden
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„Ia, eigentlich war es gar nicht meine Ab-
sicht, Sie anfzusuchen; nur der Zufall fnhrte
mich hierher."
verwundert blickte mein Freund auf und
sagte dann:
„So, der Zufall? — Na ohne indiskret zu
sein, Sie haben doch sicher heute schon etwas
erlebt?!"
„Ia," entgegnete ich, „ich hätte mich
beinahe verlobtl" —
„Sind die Lferrschaften vielleicht zu sprechen?"
Das Mädchen wendet den Aoxf, ich folge ihrem Blick und
siehe da, an der Salonthüre steht „Annchen."
Aeste kahl gegen den Lfimmel. Zwischen den Gebüschen schmilzt
der Schnee. An den Zelten fällt mir ein, daß ich in der Nähe
der Mohnung meines Freundes bin. Ich finde ihn im Begriff
auszugehen.
„Ah, guten Morgen Lferr Doktor, bitte abzulegen, Sie müffen
sich jedoch mit meiner Gesellschaft begnügen, j)apa und Mama
sind in die Airche gefahren, ich bin allein zu kfause geblieben;
„Zamos, daß Sie kommenl Wir wollen den heutigen
Abend zusammen sein, wenn es Ihnen recht ist. cheute Abend
will ich mit meiner Lizzi zu Renz gehen; schlie-
ßen Sie sich an; Lizzi's Schwester wird auch
mitkommen. Sie werden sich briltant unterhalten.
Reizender Räfer, die kleine wanda, und witz
hat das Mädel, sag' ich Ihnenl Sie werden
sich köstlich amüsieren. Nachher effen wir bei
Dreffel zusammen. Uebrigens habe ich noch gar
nicht gefragt, was Sie zu solch ungewohnter
Zeit zu mir führt?"
denken Sie, ich bin vorgestern auf dem Lise, natürlich neuer
„Mauer-See", furchtbar gefallen."
A)ir treten in den Salon, und sofort ist eine lebhafte Unter-
haltung im Gange. Dann sxrach ich mein Bedauern darüber
aus, daß ich fie im Musizieren gestört, und bitte sie, die Guver-
ture zu Gnde zu sxieten. Sie setzt fich an den prachtvollen
chlügel; ich wende die Notenblätter. Mitten drinnen hört sie
auf einmal auf.
„Aber, cherr Doktor, Sie hören ja gar nicht zu, Sie starren
da immer das dumme Bild an; es ist das erste, das ich gemalt;
freilich ist es ja auch darnach geworden. Ich werde es doch
noch an einen j)latz hängen müffen, wo es weniger in die
Augen fällt."
Ich spreche galant meine Bewunderung über ihr Talent
aus. Und nun unterhalten wir uns lebhaft über Nalerei,
Musik, über ihre demnächstige Reise nach Italien, und — was
weiß ich alles.
Endlich erhebe ich mich, nach meinem T'slinder langend.
„Gnädiges chräulein, ich möchte nun nicht länger stören,
ich bitte, mich Ihren Lltern bestens zu empfehlen."
„Sie haben mich durchaus nicht gestört, cherr Doktor, ich
danke Ihnen sehr für Ihren freundlichen Besuch, meine Lltern
werden sehr bedauern —"
verbeugung, bfändedruck.-— —
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Ich eile durch den verregneten Tiergarten in gänzlich ver-
kehrter Richtung. Die Bäume strecken ihre schwarzen, triefenden