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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 40.1900 (Nr. 471-483)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20911#0116
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s06

Meggendorfers ^urnoristifche Blätier,

Nalten.

tferr Tßle (nachdem er zwei Stunden lang von den delikatesten Lastenspeisen geschmaust): hab' ich aber genug — beim besten

Willen kann ich nicht länger fasten."

Der Uechvogel.

er weit über das Weichbild seiner Vaterstadt hinaus
berühmte Nervenarzt Dr. Müller schritt erregt in seinem
Arbeitszimmer aus und ab. Er, der seinen Patientcn
stets aus das Eindringlichste Selbstbeherrschung anempsahl, schien
einer solchen heute durchaus nicht sähig zu sein. Mhne Zweifel,
cherr Dr. Nugo Nüller ist selbst sehr nervös geworden. Er
sühlt es, aber er kann es nicht ändern, und das bringt ihn,
den vielgepriesenen Nervenspecialisten, noch mehr aus dem bsäus-
chen. Nachdem er ungezählte Male das vornehm eingerichtete
Gemach mit langen, hastigen Schritten durchmessen hatte, setzte
er sich an den 5chreibtisch, um an seiner neuesten Abhandlung
„Neurasthenische Zustände bei Säuglingen" weiterzuarbeiten;
kaum aber hatte er einige Worte aus das Ldaxier geworfen,
als er die Feder wieder wegschleuderte, um seinen Rundlaus
durch das Zim>ner sort-
zusetzen, hie und da stehen
bleibend, ein Album auf-
und zuklaxxend oder ab-
sichts- und gedankenlos
die Nixpgegenstände in
andere Stellungen ver-
setzend. Endlich wurde
es ihm doch zu bunt.

AIs Arzt mußte er sich
sagen, daß die Lrschein-

ungen nur mit deren Ursache zum Schwinden zu bringen
seien.

Lr war also entschlossen, den Grund seiner Aus-
regung aus der lvelt zu schassen, um den Einklang seiner
5eele wiederherzustellen. Vorerst that er das, was er bei
seinen nervösen jdatienten stets aus das Entschiedenste verbat,
er stürzte drei Gläschen Cognac nacheinander hinunter, dann
wollte er aus die elektrische Alingel drücken, zog aber im letzten
Augenblicke wieder die Finger zurück. Grst nachdem er das
Zimmer noch einigemal durchquert und zwei weitere Gognacs
zu sich genommen hatte, vollführte er seinen Lntschluß und
klingelte. chast schien es, als wolle er die kaum vollbrachte
That wieder ungeschehen machen, aber es war zu spät. Die
Glocke hatte ihre Schuldigkeit gethan, es ösfnete sich die Thüre

und ihm gegenüber stand
eine ältliche, hagereDame,
die selbst den bescheiden-
sten Ansorderungen an
weibliche Schönheit leider
nicht zu entsprechen ver-
mochte. Die Gemahlin
weiland Sokrates' würde
bei einer der jetzt so
beliebten 5>chönheits-
konkurrenzen Fräulein
 
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