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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 40.1900 (Nr. 471-483)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20911#0117
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INeggendorfers Humoristische Blätter.

t07

Laura, die Mrtschasterin des jungen Arztes, sicherlich besiegt
haben.

„Sie wünschen?" fragte sie mit einer Stimme, welche
jedem Lsörer sofort klar werden lassen mußte, daß Gesangs-
unterricht bei dieser Dame wohl kaum nennenswerte Lrfolge
erzielen würde.

Dr. Müller räusperte sich, nahm noch einen Lognac und
indem er seine ohnehin tadellos sitzende Rrawatte hin und her
rückte, sagte er:

„Fräulein Laura, ich will ein vernünftiges lvort mit Ihnen
sxrechen."

„lvenn es Ihnen möglich ist, dann bitte!"

„Ich muß Ihnen eröffnen, daß in meinen verhältnissen
demnächst eine Änderung eintreten wird."

„Nun?" — die Lsaushälterin war ganz Fragezeichen.

„Fräulein Laura, ich — ich — ich werde heiraten," — platzte
Dr. Müller heraus, indem er sich eilig hinter einem Stuhle
verschanzte.

„Sooo! Also man will heiraten? Und wer ist die Glückliche,
wenn man fragen darf?"

„Fräulein Llla, die Tochter des Gutsbesitzers Langmann
aus bsohenberg."

„Li seht! Also Ihre treueste patientin, der ich stets so liebe-
voll und arglos entgegenkam. Uem Fräulein hat es also mehr
im Lserzen als in den Nerven gefehlt?" Ls lag eine schmerz-
liche Ironie in den lVorten des Fräuleins, welche auf den Arzt
nicht ohne Lindruck blieb. Lr wandte daher seine ganze Red-
nergabe auf, um sich vor der Lrzürnten zu rechtfertigen, doch
vergebens. Indem sie den Sünder mit einem verächtlichen Blicke
schier durchbohrte, sagte sie:

„Das also ist der Dank dafür, daß ich Sie durch so lange
Iahre hegte und xflegte, Ihren Ruf begründen half, indem ich
die jdatienten im wartezimmer draußen nach ihren Beschwerden
befragte, während Sie hier an der Thüre horchten, um dann,
gleich einem IVundermanne, den erstaunten Leuten deren Leidens-
geschichte scheinbar an den Augen abzulesen; Sie vergessen . . . ."

„Ich vergesse gar nichts, liebe Laura," unterbrach Müller
den lVortschwall, „und ich werde Ihnen gewiß ewig dankbar
bleiben, aber Sie werden einsehen . . . ."

„Ich sehe leider ein, daß ich eine Schlange an meinem
Bußen genährt habe."

Der Doktor ließ einen fragenden Blick über die flache Brust
der Sxrecherin schweifen und lächelte. Laura achtete jedoch
nicht darauf, sondern fuhr in ihrer Anklage fort:

„Sie haben gar keinen Grund zu heiraten; sollte aber
wirklich eine Notwendigkeit dazu vorhanden sein, dann hätten
Sie auch wissen sollen, wen Sie dankbarerweise zu heiraten
haben."

„Doch nicht Sie, meine Liebe?" fragte der Arzt mit ge-
heucheltem Lrstaunen.

„warum nicht? Ich glaube, einen vernünftigen Mann
glücklich machen zu können; denn daß ich eine wirtschaft zu
führen verstehe, werden Sie wohl zugeben?"

„Gewiß, gewiß. Und eben, weil Sie die ^>erle einer Lsaus-
frau sind" — heuchelte Dr. Müller — „habe ich mich nicht
würdig genug gehalten, mich um Ihren dauernden Besitz zu
bewerben."

„Da hat Ihnen Ihre Bescheidenheit einen schlechten Streich
gesxielt."

„Sie hätten mich also geheiratet, teuerste Laura?" fragte
Müller mit gut gesxielter verzweiflung. „Ich Unglücklicher, ich
— ich — ich, nein, es ist zum selbstmorden."

„Nun läßt sich die Sache nicht mehr ändern?" lispelte
Laura, deren Zorn sich beim Anblicke des Zerknirschten ge°
legt hatte.

Zeitgemäß.

Gefängnisdirektor: „Ietzt haben wir seit acht Tagen

keinen einzigen Insassen gehabt, Müller!"

Schließer (nachdenklich): „Ia ja . . . wir müßten einmal 'n
bißchen Reklame machen!"

„Zu sxätl zu spät!" — stöhnte der Falsche, indem er, in
den ksaaren wühlend, auf und ab rannte.

Fräulein Laura zog nun ihren hageren Leib noch mehr in
die Länge, rollte ihre dunklen Augen, streckte ihre Rechte gen
bsimmel, dann rief sie aus:

„Also zu spätl Der Mohr hat seine Schuldigkeit gethan,
der Nohr kann gehen. Und ich gehe noch heute. Sie aber
werden Ihren Undank noch bereuen." Ehe der junge Mann
einige begütigende worte sagen konnte, war die Zürnende zur
Thüre hinaus, diese dröhnend ins Schloß werfend.

Dr. Müller atmete erleichtert auf und doch that ihm Laura
leid, trotzdem sie ihn durch ihre Launenhaftigkeit oft zur Ver-
zweiflung gebracht hatte. Sie meinte es aber doch stets gut
mit ihm und er war ihr thatsächlich zu Danke verpflichtet. Er
zerbrach sich daher den Aopf, wie er der Gekränkten Balsam
auf die !Vunde träufeln könnte. Da kam ihm ein vorzüglicher
Gedanke. Sein zukünftiger Schwiegervater hatte ihm ja gesagt,
daß er sich eine verläßliche lvirtschafterin ins lfaus nehmen
werde, sobald er sein häusliches Töchterchen hergeben müsse.
Dr. Müller rieb sich zufrieden die Lsände. —

Dr. Lsugo Müller genoß sein Lheglück mit vollen Zügen.
Gbwohl bereits ein Zahr seit der Lsochzeit verstrichen war, liebte
er sein reizendes lveibchen mehr denn je und eben saß er wieder
 
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