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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 40.1900 (Nr. 471-483)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20911#0138
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^Neggendorfers u ni o r i st i s ch e Vlätter.

Der N)ccker.

Sprach's und nahm vom Schrank einen derben Bogen jdack-
xapier, den er fest um die Uhr wickelte, worauf er das jdaket
mit einem Bindfaden verschnürte. —

Aus dem tvohnzimmer klang die 5timme des festgebannten
Dicken: „Na, seid ihr denn noch nicht bald fertigl? Löffler
hat den Wecker wohl ebenfalls zum chkhrmacheck getragen?"

Die beiden gingen, nachdem sie ihre vom Lachen verzerrten
Gesichter einigermaßen in Grdnung gebracht hatten, schleunigst
wieder ins Nebenzimmer zurück. — „Nee," sagte Löffler, „der
wecker stand noch da, für den gibt mir doch kein Mensch 'was,
. . . . ach so, . . . ich wollte sagen, bei solch einein billigen
Ding lohnt sich eine Reparatur doch nicht; außerdem war er

gar nicht kaput.Nee .... aber ich mußte ihn dir doch

ordentlich einwickeln, du kannst ihn doch so nicht über die
Straße tragen, ganz naß wird er auch. — 5o, nun mach, daß
du fortkommst, sonst ersausen wir hier nochl" Damit drängte
er den Dicken sachte zur Thüre hinaus.

„Na, erlaube 'mal," sagte der, trat aber doch brummend,
seinen Wecker vorsichtig im Arme tragend, auf den Aorridor. —-

Die drei lauschten zwei Sekunden, wie er die Trexpe hin-
abstieg, und gerade wollte Vollbaum die beiden Verschworenen
ob ihrer vergnügten Gesichter befragen, als den dreien von
draußen mit einem Male ein schriller Alang ans Ghr drang,
dann ein lauter Aufschrei, ein Rlirren und Rasseln und gleich-
zeitig ein dumpses Gepolter, das mit einem Rnall und einem
dumpfen Arach endete. Dann war alles ruhig. Löffler ries
Recher noch ein „G du cheuxserdl" zu, dann stürzten alle drei
erschrocken hinaus und stürmten den ersten Treppenabsatz hin-
unter.

Da bot sich ihnen ein wunderbares Bild.

Unten am Fuße der Treppe lag Vetter auf
dem Rücken, Arme und Beine halb in die
Lust erhoben, und machte vergebliche Ver-
suche, sich aus seinen Bauch zu wälzen, um aus
dieser Lage wieder aus die Beine zu kommen.

„So helst mir doch lieber," schrie er erbost
den dreien zu, die ob dieses Anblicks in ein
brüllendes Gelächter ausbrachen. Mit vieler
Mühe ward er aufgerichtet. Ihm selbst schien
die Geschichte, außer ein paar blauen Flecken
und schmerzenden Stellen nicht viel geschadet
zu haben. Nicht so gut hatte der lvecker den
Fall überstanden. Der Dicke war aus ihn ge-
sallen, und hatte ihn völlig plattgedrückt, so
daß er, als er aus seiner Packpapierhülle ge-
schält war, einem Zinnteller nicht sehr un-
ähnlich sah. Rein Uhrmacher hätte ihn mehr
reparieren können und kein Leihhaus hätte
nurauch einen jdsennig mehr dasür gegeben.

Der Dicke rieb sich seinen schmerzenden
Rücken und begann zu wehklagen: „Das ver-
wünschte Ding war zufällig gerade auf jetzt
gestellt" — Recher und Löffler waren ob dieser
lsarmlosigkeit so verblüfft, daß ihnen das
Lachen in der Aehle stecken blieb —, „wie
ich auf dem letzten Trepxenabsatz bin, geht's
mit einem Male los, ich schmeiße es vor
Schreck hin, und verliere, als ich noch schnell
danach greisen will, selber die Balance. —

.... Ach meine Knochenl . . . als ich hier
unten ankam, habe ich mich noch einmal
überschlagen, und dabei fiel ich auf den

wecker. Das Ding schrie wie ein Mensch, der gequetscht wird."

Recher und Löffler hatten sich jetzt von ihrer Verblüffung
erholt und brachen von neuem in ein satanisches Gelächter
aus; Recher hielt sich die Seiten und fiel rücklings aus die
Treppe. Darob wurde der Dicke doch mißtrauisch:

„Ihr habt doch nicht etwa selbst . . . ?"

Lrneuter bseiterkeitsausbruch. Ietzt ging auch dem un-
eingeweihten vollbaum ein Licht auf, und er stimmte wieder
nach Rrästen mit ein.

Da wurde vetter die ganze Schandthat klar. Sekunden-
lang war er starr ob solcher bodenlosen verworfenheit, dann
brach er los:

„So 'ne Gemeinheitll . . . ich . . . ich . . ."

„Dicker, sei gut," suchte ihn jetzt Löffler zu beruhigen, „es
war doch nur 'n 5cherz, außerdem konnten wir diesen halben
Genickbruch doch nicht voraussetzen; der IVecker sollte erst in
ein xaar Minuten losgehen, wenn du gerade auf der Straßc
warst, Recher hatte ihn mit gewohnter Geschicklichkeit nur zu
srüh gestellt."

„Na, ich danke," schrie der Dicke erschrocken, „das Ding
wäre am Lnde ohne Rechers Irrtum gerade jetzt, wo ich im
Aolleg gesessen hätte, in das ich von euch aus wollte, losge-
gangen . . . Große Zeit, das wäre doch noch schlimmer gewesen l"

„Na, siehste," sagte Recher gekränkt, „da machst du hier
wüsten Rrach, und solltest mir doch lieber dankbar sein. Dir
werde ich wieder einen Gefallen thunl"

Von der Kekundärkabn.

Fremder lzum Lükomotivführer): „Was ist denn das für ein sonderbarer Ramin auf
der Lokomotive?"

Lok omotivsührer: „Ist kein Aamin — beim Tunnel is der alte abgebrochen
und da hat uns eine Gesellschaftdie Tylinderhüte zur verfügung gestelltl"

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Gesterreich-Ungarn sür bserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Nohr in Wien I.

Verlag von I. F. Schreibev in Miinrkken nnd Etzlingen.
 
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