Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 40.1900 (Nr. 471-483)

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.20911#0148
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
s58

IN e g g e n d o r f e r s 1) u Nl o r i st i s ch e Blätter.


4

Auf dein Schreibtische lagen drei Lockenmedail-
lons, danebcn ihr letztcr Bries — unaufgebrochen.
Mit einein Schlage ward ihr das Lntsetzliche,
das Unerhörte klar. Oer Elende hattesie verraten,
schändlich betrogen. Drei Damenlocken!

Der Bries war wirklich unbernhrt. Er
hatte es nicht einmal der Miihe wert gefunden,
ihn zu össnen. 5o sollte er ihn auch nimmer
zu Gesicht bekommen. Maras Auge kehrte
wieder auf die INedaillons zurück. Da waren
ja Schriftzeichen I Aus dem einen, das eine karge
braune Locke einschloß, war 0/ zu lescn, das
ziveite, init den ivenigen schwarzen ksaaren, trug
die Inschrist ,VV. N.' und aus dem dritten, das
einige hellbloude chaare saßte, slanden die Buch-
staben ,N. L/.

,U. 0.- — das war Rosa Glbers. Sie kannte
das nußbraune, kokette j?rosessorstöchterlein und
die schwarze Locke mußte von Wanda von Lang
stannnen. 5ie kannte zwei ihrer Nebenbuhler-
innen, die ihr den geliebten Utann entfremdet
hatten. Da meldete sich ihr Starrköpschen: sie
hatte ihn eigentlich nie so recht geliebt, sein
Achtung gebietendes lVesen hatte sie bethört, jetzt
wußte sie es, sie trug sogar eine leise Abneigung
gegen ihn seit jeher im Busen. Und nun haßte
sie den Meineidigen. lVer aber war die dritte
init dcn widerlich strohblonden Lsaaren, die an
lhaserrispen gemahnten? Umsonst, sie sand keine
5pur. Gleichviel, wer die ehrlose Dirne war!
Uer Ligarrendust ... .1 Uarl hatte sich jeden-
salls verleugnen lassen, er war nicht gesaßt genug,
ihr als Verbrecher gegenüber zu treten.

Sie überdachte das Unglaubliche in seiner
ganzen Schwere und ihr Trotz schwand dahin
wie der Reis am Ulaimorgen.

Nein und hundertma! neinl 5ie hatte ihn

so unsagbar lieb gehabt. Der ^olster-

stuhl nahm das gebrochene U?eib aus und ver-
haltenes Lchluchzen durchzitterte ihren schlanken
Leib. — Im vorzimmer erschallte die Thürglocke.

*

*

*

Rasch verschwand die Tigarre und gleich darauf trat an
den übcrraschten Anton die Notwendigkeit heran, die chrau
Rechtsanwalt devot zu begrüßen und zur Genesung zu be-glück-
wünschen. Indigniert darüber, daß sie nicht vom Bahnhose
abgeholt worden, sragte Frau Dornseld um den Gemahl.

„bserr Rechtsanwalt ist einer Trbschaftsverhandlung wegen
bis zum Abend in der Ureisstadt," berichtete Anton und die
Verlegenheit ließ ihn dabei etwas stottern. Uut bewunderungs-
würdiger Schnelligkeit nützte er darauf die Lrlaubnis zurn
Rückzuge aus.

chrau Ulara war bitter enttäuscht in der Erwartung eines
herzlichen Empsangs. Sie trat in das Arbeitszimmer ihres
Ulannes. Ein seiner, dünner Tigarrendust strömte ihr entgegen.
Ulerkwürdig, ihr Nlann sollte doch den ganzen Taq in der
Rreisstadt sein. Antons Aussage hatte überdies so uusichcr ge-
klungen. Nachdenkiich trat sie ans Fenster zum Schrcibtisch.

„G bsimmell" entfuhr es ihr und die bsand krampfte sich
uin die Sessellehne.

-„Neues eingelausen?" sragte Dornseld seinen

l Famulus, als ihm dieser seinen Ueberrock abnahm.

„Neues?— Außer Frau Gemahlin nichts," antwortete ge-
mütlich der Schelm und wies zur Thüre des Arbeitszimmers.
chastig griff der Rcchtsanwalt an die Rlinke. bsochausgerichtet
und starr wie eine Ularmorgöttin empfing ihn drinnen seine
Frau. Keine Sxur der vergossenen Thränen war in dem kalten
Antlitze mehr zu entdecken. Im Drange der Gesühle eilte Rarl
aus sein weibchen zu: „Nleine einzige, meine süße Nlara . . .1"
Abwehrend hob die bleiche Frau den Arm. „Spare die Schau-
spielerkünstel" Gb seiner heuchlerischen Zärtlichkeit verachtete
fie ihn. Und nun sand sie auch ihm gegenüber ihre eisige Ruhe
wieder. Sie wollte keine, auch nicht die geringste Rücksicht üben.

„Ulara, was soll das?, .... Der Gedanke an ein glück-
srohes wiedersehen hat mich die Gede und Langeweile hindurch
ernährt."

„Und ich," entgegnete Frau Dornfeld hohnvoll, „habe ksaare
in der Suxxe gesunden." Dabei zeigte sie die drei Nledaillons
und erwartete ihre niederschmetternde wirkung. Diese blieb
aber gänzlich aus.

„G ihr lfieiligen," stöhnte er, „jetzt will sie die Lsaare . . ."
 
Annotationen