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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 41.1900 (Nr. 484-496)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20910#0017
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

. - -

Alanöverfreuöen.

Humoreske von T. Resa.

uf ksaus Arnoldshöhe, bei kserrn
von und zur Mühlen, lagen
der Lferr Nlajor von Bande-
lov — genannt: „Der schöne Bande-
lov", und sein Adjutant, lvalter von
Arnim, im Vuartier.

Nach einem fast unerträglich schwü-
len Tage war es endlich zur Nacht et-
was kühler geworden. Die bjerren
hatten ihre Bowle auf die breite, von
wildem lvein umrankte veranda ge-
tragen, und machten es sich hier, nach
dem vortrefflichen Abendessen, in Fau-
lenzern und Schaukelstühlen bequem.
Die glimmenden Ligarren leuchteten
wie Glühwürmchen durch die immer
tiefer sinkende Dunkelheit.

Ein bfausmädchen brachte die rot-
verschleierte Lampe, bei deren Schein
man konstatierte, daß sowohl der Ad-
jutaut als das kjaustöchterchen — eigentlich war es nur ein auf
Besuch weilendes kjausnichtchen, fehlten. Die beiden promenierten
ein wenig abseits der veranda, da wo die alten dichten Ahorn- und
Rastanienwixfel dic Dunkelheit noch vertieften, und hin und her
cin welkes, raschelndes Blatt, wie einen Gruß, herniedersandten.

lvaltcr von Arnim war auf das Freudigste überrascht ge-
wesen, die schöne lvalli Aersten hier anzutreffen. Lr kannte
sie seit einem Iahr, seit er in der neuen Garnison weilte, hatte
ihr den kvinter übcr, gleich den anderen Aameraden, eisrig den
lsof gemacht, ohne doch ihr näher getreten zu sein. Denn sie
wurde sehr geseiert. Ihr Vater war als Millionär bekannt
und das Töchterchen mithin eine gute partie. Nebenbei aber
war sie ein reizendes, liebes, natürliches Aind, das lvalter
heimlich anbetete.

Vor einem Rundell hochstäminiger Rosen, die noch in voller
Blüte standen, blieb lvalter stehen.

„lvissen Sie wohl noch, mein gnädiges Fräulein," sagte er,
und neigte sich ein wenig zu ihr, um ihre Gesichtszüge besser
zu erkennen, „daß wir voriges Iahr dieselben Tage zu-
sammen verlebt haben? Nkorgen vor einem Iahr — da tanzten
wir zusammen — und Sie trugen dabei gerade solche Rosen im
Gürtel, wie diese hier."

lvallis Lrröten verbarg die Dunkelheit. „Gewiß!" rief
sie — „das war auf Vnkel Selliens Lrntefest. Und wissen Sie
auch noch, wie Sie geneckt wurden, weil Sie eine ganze Schüssel
rvaffeln ausgegessen hatten?"

>,D, Fräulein walli — gnädiges Fräulein wollte ich sagen
— die lvasfeln haben mir bloß so gut geschmeckt, weil Sie die-
selben gebacken — — haben wollten" — neckte er.

„Dho!" unterbrach sie ihn entrüstet, „Sie haben's wohl nicht
geglaubt?? — Das ist also der Dank dafür, daß ich mich
stundenlang an den bjerd stelle, bloß um Ihnen zum Geburtstag
eine Freude —"

„Fräulein kvalli!" rief er entzückt — „Sie machen mich
überglücklich! Utir zuliebe hatten Sie das gethan — und
meinen Geburtstag haben Sie nicht vergessen?"

lvalli erschrak heftig — da hatte sie sich ja schön verraten.
Aber — das half nun nichts. Möglichst gleichmütig beugte sie
sich über eine VL-Arance-Rose und sog den Duft ein.

„Na — Sie haben ihn damals doch genügend angekündigt"
^ meinte sie so kaltblütig wie möglich. „Nun verleben wir
morgen den Tag wieder zusammen. Ich werde also Gnade

vor Recht ergehen lassen und Ihnen zu diesem Lhrentage die-
selben lvaffeln backen — zum Beweis meiner Aochkunst."

„Das wäre — ,zu schön gewesen' — Fräulein lvalli —
s o schön, daß es ,nicht hat sollen sein ll !vir müssen früh um
fünf Uhr schon aufbrechen und kommen sxät abends wieder ins
(tzuartier. So ist alles ein schöner Traum: Geburtstagsfeier
in Ihrer Gegenwart — waffeln — alles. — Soldatenlos mein
gnädiges Fräulein!"

„OI" rief walli betrübt.

„Thut es Ihnen ein bißchen leid um den armen Landsknecht?"
stüsterte er, und zupfte an der Vr-Rrance, die sie gebrochen
hatte und in der kjand hielt.

„Ich meine nur — es ist bloß wegen der waffeln" —
stammelte Walli verwirrt.

„Bloß wegen der waffeln — gar nicht um das arme
Geburtstagskind?" schmeichelte er — und faßte nun auch das
kjändchen, das die Rose hielt.

„walli!" rief von der veranda her des ksausherrn Stentor-
stimme.

walter und walli fuhren auseinander. „Ich muß hinauf,"
sagte sie hastig. „Bitte, lassen Sie mich los, kjerr von Arnim I"

Lr zog ihre beiden kjände zu langem Auß an die Lippen
— morgen Abend, wenn ich wiederkomme — darf ich Sie da
um ein Geburtstagsgeschenk bitten — ein sehr — sehr unbe-
scheidenes?" flüsterte er heiß in ihr Vhr —

„Zwölf Uhr, meine kjerrschaften!" rief jetzt der schöne
Major und beugte sich weit über die Brüstung der veranda.
„Arnim — wir müssen morgen unangenehm früh aus den
Federn — das Flirten können Sie morgen Abend fortsetzen."
walter und walli tauchten in gemessener Lntfernung von-
einander, und ganz harmlos, im Lichtkreis der Lampe auf. Ls
gab ein allgemeines kjändeschütteln und kjandküssen zum Ab-
schied. Dann ging es sporenklirrend die alte Lichentrepxe in
die ^öhe. Noch einmal stog von oben walters dunkler Blick
nieder und tauchte heiß in zwei goldbraune Mädchenaugen.
Dann siel die Thüre zu und bald lag tiefe Stille über kjaus
Arnoldshöhe.

Vben, in dem niedrigen Gastzimmer, warf sich der schöne
Bandelov unruhig auf seinem Lager hin und her. Lndlich hielt
er's nicht mehr aus. wenigstens sollte einer mit ihm leiden. —

„Arniml" rief er in das anstoßende Zimmer — „können
Sie schlafen? Nee? — nal doch ein Trost. Ich bratel puh!
ist das 'ne Temperatur in dem vollen Aasten — reineweg zum
Lxplodierenl Und mufsig riecht's hier — hier müssen Aepxel
wo liegenl"

Walter von Arnim seufzte leise — er hatte gar so süß
geträumt mit offenen Augen.

„Riechen Sie's nicht?" rief der schreckliche Major wieder.
„kjerrgott, Sie müssen schon keine Nase haben — und wie
stellen Sie das an, zu schlafen, bei dieser Bruthitze — an mir
ist kein trockener Faden. Liebster Arnim — bitte öffnen Sie
die Zwischenthür' — auch die Fenster, vielleicht nützt 's."

Arnim crhob sich — machte im 5chutz der Dunkelheit eine
sehr reglementwidrige Faust nach der Gegend seines vorge-
setzten und knallte dann die Zwischenthüre derartig auf, daß die
verquollene Tapetenthüre wie eingemauert in die Lcke fuhr.
Darauf riß er alle Fenster aus.

„Dankel —" meinte der schöne Bandelov — helfen thut's
zwar wenig, aber man sieht doch den guten willen. Na —
nun schlafen Sie nur, wenn Sie das Aunststück fertig bringen."

Line weile blieb es nun still, dann strich es, wie ein leichter
Flügel, die Decke entlang — und der Lärm ging von neuem an.
 
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