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Meggendorfers Humoristische Blätter.
Das hufeisen.
ausgehaltenl So ein Lramenssylvester — pfui Donnerwetterl —
das kommt ja gleich nach jdferdestehlen."
Dbwohl ich an diesem Reiterbravourstiick kaum so etwas
Schlinnnes finden konnte, außer etwa für den Bestohlenen,
that mir doch der schwerzuprüfende Iurist leid. Der fuhr dann
auch mit seinen Alagen fort.
„Und die Lsitze zum arbeitenl Da bruinmt ja einem der
Schäde! schon ohne die vielen neuen Gesetze. Ia, für die Delin-
quenten sind die Foltern abgeschafft, aber für uns juristische
prüflinge bestehen sie fort. Und nun wohne ich noch dazu
neben dem Lokale, dessen Konzert Sie vorhin von weitem hörten.
Und in der Nähe ist es fürchterlich. Das sagt doch schon
Schillerl" —
Ich glaube, wenn der arme Poet gewußt hätte, daß er
so viel und so falsch citiert werden würde, er hätte den Taucher
nie gedichtet. Doch der Referendar fuhr unbeirrt fort:
„Denken Sie sich, vorhin, als ich den Aopf zum Fenster
hinausstreckte, um etwas frische Lust zu genießen und an
die paradicsischen Freuden dachte, die meiner nach eventuell
bestandenem Lramen harren, da spielt diese Ukusikbande,Behüt
dich Gott, es wär zu schön gewesenll Das ist ja zum ver-
zweifeln; besonders, da ich schon so abergläubisch bin. Das
hält ja der stärkste Mann nicht ich aus. Na, ich dankel" —
„Bittel" — meinte ich zu dem höflichen Ulenschen, so
ein xlötzlicher Ausbruch von Dankbarkeit in seiner jetzigen
Stimmung rührte mich. Ich wollte meinen Gefährten nicht
ärgern, aber das war mir doch klar, daß der so oft erwähnte
stärkste Mann doch im Grunde eigentlich ein ziemlicher Schwäch-
ling gewesen sein mnß.
Ich unterdrückte jedoch diese Lemerkung und wir xilgerten
weiter, bis wir an die breite, den Tiergarten durchziehende
Thaussee kamen.
Gesxensterhaft sauste ein glänzender elektrischer Wagen an
uns vorüber und erleuchtete die weiße Asxhaltstraße, die wie
ein gerader heller Streifen die Reihen dunkler Bäume durchschnitt.
Da fiel mein Blick auf einen schwarzen Gegenstand, der
sich deutlich von dem Mege abhob und triumxhierend hob ich
ein kjufeisen empor:
„Sehen Sie, Ljerr Referendar," sagte ich, „wenn Sie so aber-
gläubisch sind, wie Sie vorhin sagten, dann haben wir ja hier
ein prächtiges Glückszeichen für Ihr morgiges Lxamen gefunden l"
„kjeiliger Brahmaputra, uverto omsnl" stieß er mit allen
Zeichen wirklicher Bestürzung hervor, „Sie gcstatten doch?" —
Und mit hastigem Rucke nahm er mir das Lisen aus der
lsand und schleuderte es in weitem Bogen von sich. Dicht
streifte es im Fluge die Speichen eines vorüberfahrenden Radlers,
der, einen grimmigen Fluch zwischen den Zähnen murmelnd, in
das Dunkle der Nacht verschwand. Vor Lrstaunen kam ich
gar nicht zum Lösen der Frage, ob dieser Radler, wenn seine
Laterne gebrannt hätte (was natürlich nicht der Fall war) sich
mit diesem harmlosen Wutausbruche uns gegenüber begnügt
hätte; denn schon zog mich der Referendar eiligst mit sich fort.
„Ich dachte, Sie sind abergläubisch?" bemerkte ich trocken.
„Ia, das bin ich auch," antwortete er; „bitte, entschuldigen
Sie mein heftiges Benehmen. Aber mit dem ksufeisen da weiche ich
von der allgemeinen Lehre ab. Ia, früher, da glaubte ich auch,
daran. Nicht früher, da der Lserr noch sehr gering bei uns auf
Lrden ging, wie es in der Legende heißt, nein in meinen ersten
Semestern, da glaubte ich auch, daß so ein Fund Glück bringe;
doch jetzt das Gegenteil l Und darum habe ich es auch so hastig
weggeworfen. Ich werde Ihnen erzählen, wie das gekommen
ist. Bei der Gelegcnhcit bringe ich Sie zugleich nach Ihrer
Wohnung in der Aantstraße." —
Lr war so eifrig mit dem Beginn seiner Geschichte, daß er
meine ganz treuherzige Bemerkung, daß ich gar nicht in der
Aantstraße, sondern gerade am entgegengesetzten Lnde der Stadt
wohne, vollständig überhörte. Ls blieb mir nichts anderes übrig,
als mir eine frische Ligarre anzuzllnden und ihm zuzuhören.
„Ia damals," hub er an, „damals hielt ich es nicht fllr
das höchste Glück, das Assessorexamen zu bestehen. Da war
mir die blinde Themis viel gleichgiltigsr als der ebcnfalls blinde
Amor. — Ich war nun wahrend der ersten Universitätsferien
in meinem elterlichen kjause zu Besuche. Nkeine ksauptfreude
und zugleich meine ksauxtbeschäftigung bestand darin, meiner
damaligen sogenannten Flamme den kjof zu machen. wir
trafen uns immer auf der jdromenade, natürlich nicht immer
ganz zufällig, und lustwandelten dort cin wenig zusammen, alles
in Lhren, selbstverständlich l Ietzt ist sie schon etliche Iahrc
an einen wackeren Mann verheiratet und Ukutter von mehreren
Aindern. Doch damals dachten wir nur an die Gegenwart.
So ging ich auch an einem Sonntagvormittag aus, um ,sietz
in Anführungsstrichen, zu treffen. während ich einen Damm
überschreite, sehe ich im Schmutze ein ksufeisen liegen. Schnell
entschlossen hebe ich diesen Glücksfund auf, reinige ihn mit
meinem keck aus der Brusttasche vorlugenden Taschentüchlein
und stecke das Lisen in die Tasche meines funkelnagelneuen
Rockes. Ich wollte es meiner lqerzensdame bei einer passenden
Gelegenheit mit einer möglichst sinnreichen Ansxrache überreichen.
Ich traf sie auch bald; sie sah an diesem Tage in ihrem
neuen weißen Aleide geradezu entzllckend aus, und ein um
ihren bjals geschlungenes rosafarbenes Bändchen gab ihren
Gefühlen für mich, gemäß unserer verabredung, Ausdruck.
Leider fiel bald ein flüchtiger Schatten auf die Sonne unseres
Glückes; ein im Trab vorüberfahrender kvagen spritzte etwas
Pfützenwasser auf das gute Aleidchen. Da mußte nun schnell
Abhilfe geschaffen werden, und ich reichte ihr schnell mein Tuch
zum abwischen. Lnergisch wie sie war, rieb sie sogleich kräftig
los. Nun hatte ich aber in meiner dienstbeflissenen Lile ver-
gessen, daß ich kurz vorher mit demselben Tüchlein das nicht
Meggendorfers Humoristische Blätter.
Das hufeisen.
ausgehaltenl So ein Lramenssylvester — pfui Donnerwetterl —
das kommt ja gleich nach jdferdestehlen."
Dbwohl ich an diesem Reiterbravourstiick kaum so etwas
Schlinnnes finden konnte, außer etwa für den Bestohlenen,
that mir doch der schwerzuprüfende Iurist leid. Der fuhr dann
auch mit seinen Alagen fort.
„Und die Lsitze zum arbeitenl Da bruinmt ja einem der
Schäde! schon ohne die vielen neuen Gesetze. Ia, für die Delin-
quenten sind die Foltern abgeschafft, aber für uns juristische
prüflinge bestehen sie fort. Und nun wohne ich noch dazu
neben dem Lokale, dessen Konzert Sie vorhin von weitem hörten.
Und in der Nähe ist es fürchterlich. Das sagt doch schon
Schillerl" —
Ich glaube, wenn der arme Poet gewußt hätte, daß er
so viel und so falsch citiert werden würde, er hätte den Taucher
nie gedichtet. Doch der Referendar fuhr unbeirrt fort:
„Denken Sie sich, vorhin, als ich den Aopf zum Fenster
hinausstreckte, um etwas frische Lust zu genießen und an
die paradicsischen Freuden dachte, die meiner nach eventuell
bestandenem Lramen harren, da spielt diese Ukusikbande,Behüt
dich Gott, es wär zu schön gewesenll Das ist ja zum ver-
zweifeln; besonders, da ich schon so abergläubisch bin. Das
hält ja der stärkste Mann nicht ich aus. Na, ich dankel" —
„Bittel" — meinte ich zu dem höflichen Ulenschen, so
ein xlötzlicher Ausbruch von Dankbarkeit in seiner jetzigen
Stimmung rührte mich. Ich wollte meinen Gefährten nicht
ärgern, aber das war mir doch klar, daß der so oft erwähnte
stärkste Mann doch im Grunde eigentlich ein ziemlicher Schwäch-
ling gewesen sein mnß.
Ich unterdrückte jedoch diese Lemerkung und wir xilgerten
weiter, bis wir an die breite, den Tiergarten durchziehende
Thaussee kamen.
Gesxensterhaft sauste ein glänzender elektrischer Wagen an
uns vorüber und erleuchtete die weiße Asxhaltstraße, die wie
ein gerader heller Streifen die Reihen dunkler Bäume durchschnitt.
Da fiel mein Blick auf einen schwarzen Gegenstand, der
sich deutlich von dem Mege abhob und triumxhierend hob ich
ein kjufeisen empor:
„Sehen Sie, Ljerr Referendar," sagte ich, „wenn Sie so aber-
gläubisch sind, wie Sie vorhin sagten, dann haben wir ja hier
ein prächtiges Glückszeichen für Ihr morgiges Lxamen gefunden l"
„kjeiliger Brahmaputra, uverto omsnl" stieß er mit allen
Zeichen wirklicher Bestürzung hervor, „Sie gcstatten doch?" —
Und mit hastigem Rucke nahm er mir das Lisen aus der
lsand und schleuderte es in weitem Bogen von sich. Dicht
streifte es im Fluge die Speichen eines vorüberfahrenden Radlers,
der, einen grimmigen Fluch zwischen den Zähnen murmelnd, in
das Dunkle der Nacht verschwand. Vor Lrstaunen kam ich
gar nicht zum Lösen der Frage, ob dieser Radler, wenn seine
Laterne gebrannt hätte (was natürlich nicht der Fall war) sich
mit diesem harmlosen Wutausbruche uns gegenüber begnügt
hätte; denn schon zog mich der Referendar eiligst mit sich fort.
„Ich dachte, Sie sind abergläubisch?" bemerkte ich trocken.
„Ia, das bin ich auch," antwortete er; „bitte, entschuldigen
Sie mein heftiges Benehmen. Aber mit dem ksufeisen da weiche ich
von der allgemeinen Lehre ab. Ia, früher, da glaubte ich auch,
daran. Nicht früher, da der Lserr noch sehr gering bei uns auf
Lrden ging, wie es in der Legende heißt, nein in meinen ersten
Semestern, da glaubte ich auch, daß so ein Fund Glück bringe;
doch jetzt das Gegenteil l Und darum habe ich es auch so hastig
weggeworfen. Ich werde Ihnen erzählen, wie das gekommen
ist. Bei der Gelegcnhcit bringe ich Sie zugleich nach Ihrer
Wohnung in der Aantstraße." —
Lr war so eifrig mit dem Beginn seiner Geschichte, daß er
meine ganz treuherzige Bemerkung, daß ich gar nicht in der
Aantstraße, sondern gerade am entgegengesetzten Lnde der Stadt
wohne, vollständig überhörte. Ls blieb mir nichts anderes übrig,
als mir eine frische Ligarre anzuzllnden und ihm zuzuhören.
„Ia damals," hub er an, „damals hielt ich es nicht fllr
das höchste Glück, das Assessorexamen zu bestehen. Da war
mir die blinde Themis viel gleichgiltigsr als der ebcnfalls blinde
Amor. — Ich war nun wahrend der ersten Universitätsferien
in meinem elterlichen kjause zu Besuche. Nkeine ksauptfreude
und zugleich meine ksauxtbeschäftigung bestand darin, meiner
damaligen sogenannten Flamme den kjof zu machen. wir
trafen uns immer auf der jdromenade, natürlich nicht immer
ganz zufällig, und lustwandelten dort cin wenig zusammen, alles
in Lhren, selbstverständlich l Ietzt ist sie schon etliche Iahrc
an einen wackeren Mann verheiratet und Ukutter von mehreren
Aindern. Doch damals dachten wir nur an die Gegenwart.
So ging ich auch an einem Sonntagvormittag aus, um ,sietz
in Anführungsstrichen, zu treffen. während ich einen Damm
überschreite, sehe ich im Schmutze ein ksufeisen liegen. Schnell
entschlossen hebe ich diesen Glücksfund auf, reinige ihn mit
meinem keck aus der Brusttasche vorlugenden Taschentüchlein
und stecke das Lisen in die Tasche meines funkelnagelneuen
Rockes. Ich wollte es meiner lqerzensdame bei einer passenden
Gelegenheit mit einer möglichst sinnreichen Ansxrache überreichen.
Ich traf sie auch bald; sie sah an diesem Tage in ihrem
neuen weißen Aleide geradezu entzllckend aus, und ein um
ihren bjals geschlungenes rosafarbenes Bändchen gab ihren
Gefühlen für mich, gemäß unserer verabredung, Ausdruck.
Leider fiel bald ein flüchtiger Schatten auf die Sonne unseres
Glückes; ein im Trab vorüberfahrender kvagen spritzte etwas
Pfützenwasser auf das gute Aleidchen. Da mußte nun schnell
Abhilfe geschaffen werden, und ich reichte ihr schnell mein Tuch
zum abwischen. Lnergisch wie sie war, rieb sie sogleich kräftig
los. Nun hatte ich aber in meiner dienstbeflissenen Lile ver-
gessen, daß ich kurz vorher mit demselben Tüchlein das nicht