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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 41.1900 (Nr. 484-496)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20910#0064
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LNeggenüorfers Lfumoristische Blätter.

Theorie rnrd Vraxis.

^^hr Ntusensöhne, auch im Brient
Scheut dus Lrainen der Sludent.

Linstmals ein Iüngling — Almansor genannt —

Mit hellem Aug', klug an verstand,
t)or dem Aoltegium seiner Lehrer sitzt
Und in Examensnöten schwitzt.

Ls ärgert sic der frische Bursch' im Stillcn;

Die therren schielen über ihre Brillen
Griesgrämig legend ihre 5tirn in Falten. —

Leim ersten geht's; g'rad' noch beim zweitcn Alten;
Iedoch dcr dritte fuchst mit Infamie:

„Die Thcorie, tferr Randidat, die Theoriel
Dic Praxis sag' ich, folgt von selbst zumeist;

Die Zahl ist s und der Buchstab', der beweist;

Das andere ist unnütz, falsch und Trug;

Die Theorie macht erst den Ntenschen klug. —
lferr Aandidat — jawohl — ich weiß — ich weiß,

Es stimmt ja alles — doch der Grund? — Bcweis?
Sic wissen nicht? Bun ich bedaure — eine Fabel
Ist praxis ohne Theorie — im kfirn ein Babel."

Und durchzufallen, wiederum Student
Zu sein, ist peinlich auch im Dricnt. -
Doch bald hat er sich wieder aufgerafft:

„Geht's hier nicht — wenn man tüchtig schafft,

Geht's auch wo anders — holla, hoch den Ropfl
lven so was beugt, das ist ein schwacher Tropf."

von da zu einem Iahr wohl nicht viel fehlt,

Als einer der Docenlen einen Brief erhält:

„Den Weiscsten der Meisen bittet," also stand
Im Brief, „ein kleiner Lehrer auf dem Land
Demntiglich und unterwürfig, auf dem Lauch
(So ist es nun im Morgenlande Brauchl) —

Er, der ja alles aus dem Grund verstehe,

Mög' mir erklären, wie das vor sich gehe:

Du sollst ein eckiges Gefäß hernehmen,
klkit Masser es zu fiillen, dich bequemen.

Das Masser wieg mit dem Gefäß alleinl
Dann bring nachträglich einen Fisch hineinl
Es bleibt dann das Gewicht des Ganzen dir
Bhn' Aenderung mitsamt dem Schuppentier.

Im übrigen ist die Lntdeckung, weil
^ich arm, für tausend Stück Piaster feil."

Lald drauf dcr neidigen Rollegen Schar
Teilt „scineu" Fund, so wunderbar,

Der täerr prosessor mit und seit der Zeit
Einander überbieteud an Gelehrsamkeit,

Spitzfiud'gen Glosseu, sucht mit Fleiß ein jeder
Das phänoiiien zu deuten — sei's entweder
Mit Zahlen oder mit Gesetzen schlau,

Die eklatant und scharf und ganz genau.

„So geht es nicht," sagt unverhohlen
Ein anderer, „nur mit S^mbolen
Läßt so etwas sich recht beweisen,

Mit Linien, Ivinkeln. und mit Areisen."

So streiten fast zwei Mond sie um die lvahrheit;
 
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