LNeggendorfers Hurnoristische Blätter.
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in ihren Zügcn nach Lrinnerungen, während lvally unermüd-
lich am lferd heruinrumort. Sie muß heute all ihre Aochkünste
springen laffen.
Lmsig schlägt sie kleine, axxetitlich aussehende Nockerln ein,
die sie, alle der Reihe nach, in die siedende Rindssupxe gleiten
läßt. vorsichtig deckt sie die Aasserolle zu. 5ie wollte es dem
feinen Stadtherrn schon zeigen, daß man auch auf dem Lande
in puncto Zubereitung dcr Speisen was versteht. Nun öffnet
sie das Rohr, besieht den Braten und dreht ihn um. Dabei
schiebt sie mit der freien chand die horngeränderte Brille, die
bereits bedenklich auf der äußersten Nasensxitze saß und heute
gar nicht halten wollte, zuriick.
„Aber ordentlich still geht's im kserrenzimmer zu," sagte
sie sich, indem sie aufhorcht.
„Wer weiß, ob sie nicht am Schluffe doch recht behält.
Ls kann ja der Freund eine schlimme Nachricht für'n Doktor
mitgebracht haben. Ihr kam er so sehr verdächtig ernst vor,
als sie ihm das Reisegepäck abnahm. Und so umsonst — macht
man eine Reise nicht so eilig. Oer arme" — da unterbricht
ihre Gedanken lautes Gläsergeklirr, herzhaftes Lachen und
frohglückliche Stimmen. „Merkwürdigl Die sind ja kreuzfidel.
Der Fremde muß doch nichts für'n Doktor haben," meint fle
grübelnd, „sonst wär' er nicht so lustig." Aber, das kann sie
nicht begreifen, daß man mit einem Telegramm so mir nichts
dir nichts einen bloßen Besuch ankündigt. Das wäre der reinste
Luxps. Zwar, die heutigen Leut' erlauben sich alles.
Räsonnierend stellt sie den Suppentopf auf den Rand des
kjerdes und schöpft die Suppe hinein. Plötzlich gibt es ihr einen
Ruck, daß die Brille wie ein Schlitten von der Nase rutscht und
— patsch l ---- im Suxxentopf verschwindet. In ihrer fiebernden
Angst merkt sie cs gar nicht. Sie horcht nur gesxannt auf
das Surren und Bohren im Dfen.
„lvie gesternl lvie gesternl" murmelt der zahnlose Mund.
„Nein, nein, das Anmelden ist keine Linbildung. Die Geister,
die können nicht so streiken, wie die Menschen. Die müssen
thun, was ihnen oben angeschafft wird. Und wie das Feuer
unheimlich singt, g'rade so, wie wenn in einem kjaus ein Unglück
bevorsteht. Mein Gott, was wird ste heute noch miterleben
müffenl Die Tischglocke läutet.
„Ieffas, ich komm' schon," brummt sie, packt dcn Supxentops
und trägt ihn hinein. lvie sie ihn auf den Tisch niederstellt,
blinzelt der Doktor verständnisvoll seinen Freund an und kichert
dann heraus: „Na, lvally, schon erholt? Da sitzt das traurige
Trgebnis des Telegramms."
„Gehn S', bjerr Doktor, seckiern S' mich nicht."
Der Fremde verzieht lächelnd den Mund.
„Darf ich den bjerren Suppe 'rausgeben?"
Zustimmendes Aopfnicken. lvally löffelt zuerst dem Frem-
den die Suppe auf den Teller. Da verfängt sich auf einmal
die Brille an dem Schöpflöffel und kommt zum Vorschein. Mit
einem „Marand Iosexh" läßt Wally den Schöpflöffel fallen
und schlägt die kjände überm Aopf zusammen.
„Aber, Wall^I" Der Doktor springt wütend in die kjöhe.
„Das ist ja heute mit Ihnen nicht mehr zum aushalten. Zu-
erst zerschlagen Sie die Suppenschüffel und jetzt —"
„verzcihn S', bjerr Doktor, ich — ich," stottert die Alte,
zitlernd und bebend, „das Telegramm und —"
„Ach was, das Telegramm! Ihr verriickter Aberglauben
hat Sie ganz aus dem kjäusl gebracht."
kjierauf wendet er sich, ruhiger geworden, an seinen Freund:
„Lieber kfugo, entschuldige, ich muß dich leider einladen, mit
mir in einem Gasthof zu souxieren; denn bei dem närrischen
Zustand meiner lvirtschafterin kann ich dir hier keine Gast-
freundschaft bieten. Lr springt zum Aleiderschrank und holt
Ueberzieher und Aopfbedeckung hervor.
Sie ziehen sich rasch an.
Wally steht sprachlos und wie angemauert auf einem Fleck.
„Den Wein stellen Sie kalt, und das dort können Sie und
Ihre Geister vcrzehren," poltert der Doktor unter der Thiire
und schlägt dieselbe so wuchtig zu, daß ein Blatt Papier vom
Schreibtisch bis in die Mitte des Zimmers fliegt.
„Na, was ist denn das?" Die Alte bückt sich nieder und
hcbt es auf.
„Ach, das Unglückstelegramml" schreit sie auf und wirft
es weit von sich.
„Nein, so ein zweites Telegramm würde sie nicht mehr
überleben," murmelt sie verzagt in sich hinein und trägt kopf-
schüttelnd die Suppe in die Aüche ab.
(Ketstesgegenwarl oder: Wer Mtehi lacht, tacht anr besten.
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in ihren Zügcn nach Lrinnerungen, während lvally unermüd-
lich am lferd heruinrumort. Sie muß heute all ihre Aochkünste
springen laffen.
Lmsig schlägt sie kleine, axxetitlich aussehende Nockerln ein,
die sie, alle der Reihe nach, in die siedende Rindssupxe gleiten
läßt. vorsichtig deckt sie die Aasserolle zu. 5ie wollte es dem
feinen Stadtherrn schon zeigen, daß man auch auf dem Lande
in puncto Zubereitung dcr Speisen was versteht. Nun öffnet
sie das Rohr, besieht den Braten und dreht ihn um. Dabei
schiebt sie mit der freien chand die horngeränderte Brille, die
bereits bedenklich auf der äußersten Nasensxitze saß und heute
gar nicht halten wollte, zuriick.
„Aber ordentlich still geht's im kserrenzimmer zu," sagte
sie sich, indem sie aufhorcht.
„Wer weiß, ob sie nicht am Schluffe doch recht behält.
Ls kann ja der Freund eine schlimme Nachricht für'n Doktor
mitgebracht haben. Ihr kam er so sehr verdächtig ernst vor,
als sie ihm das Reisegepäck abnahm. Und so umsonst — macht
man eine Reise nicht so eilig. Oer arme" — da unterbricht
ihre Gedanken lautes Gläsergeklirr, herzhaftes Lachen und
frohglückliche Stimmen. „Merkwürdigl Die sind ja kreuzfidel.
Der Fremde muß doch nichts für'n Doktor haben," meint fle
grübelnd, „sonst wär' er nicht so lustig." Aber, das kann sie
nicht begreifen, daß man mit einem Telegramm so mir nichts
dir nichts einen bloßen Besuch ankündigt. Das wäre der reinste
Luxps. Zwar, die heutigen Leut' erlauben sich alles.
Räsonnierend stellt sie den Suppentopf auf den Rand des
kjerdes und schöpft die Suppe hinein. Plötzlich gibt es ihr einen
Ruck, daß die Brille wie ein Schlitten von der Nase rutscht und
— patsch l ---- im Suxxentopf verschwindet. In ihrer fiebernden
Angst merkt sie cs gar nicht. Sie horcht nur gesxannt auf
das Surren und Bohren im Dfen.
„lvie gesternl lvie gesternl" murmelt der zahnlose Mund.
„Nein, nein, das Anmelden ist keine Linbildung. Die Geister,
die können nicht so streiken, wie die Menschen. Die müssen
thun, was ihnen oben angeschafft wird. Und wie das Feuer
unheimlich singt, g'rade so, wie wenn in einem kjaus ein Unglück
bevorsteht. Mein Gott, was wird ste heute noch miterleben
müffenl Die Tischglocke läutet.
„Ieffas, ich komm' schon," brummt sie, packt dcn Supxentops
und trägt ihn hinein. lvie sie ihn auf den Tisch niederstellt,
blinzelt der Doktor verständnisvoll seinen Freund an und kichert
dann heraus: „Na, lvally, schon erholt? Da sitzt das traurige
Trgebnis des Telegramms."
„Gehn S', bjerr Doktor, seckiern S' mich nicht."
Der Fremde verzieht lächelnd den Mund.
„Darf ich den bjerren Suppe 'rausgeben?"
Zustimmendes Aopfnicken. lvally löffelt zuerst dem Frem-
den die Suppe auf den Teller. Da verfängt sich auf einmal
die Brille an dem Schöpflöffel und kommt zum Vorschein. Mit
einem „Marand Iosexh" läßt Wally den Schöpflöffel fallen
und schlägt die kjände überm Aopf zusammen.
„Aber, Wall^I" Der Doktor springt wütend in die kjöhe.
„Das ist ja heute mit Ihnen nicht mehr zum aushalten. Zu-
erst zerschlagen Sie die Suppenschüffel und jetzt —"
„verzcihn S', bjerr Doktor, ich — ich," stottert die Alte,
zitlernd und bebend, „das Telegramm und —"
„Ach was, das Telegramm! Ihr verriickter Aberglauben
hat Sie ganz aus dem kjäusl gebracht."
kjierauf wendet er sich, ruhiger geworden, an seinen Freund:
„Lieber kfugo, entschuldige, ich muß dich leider einladen, mit
mir in einem Gasthof zu souxieren; denn bei dem närrischen
Zustand meiner lvirtschafterin kann ich dir hier keine Gast-
freundschaft bieten. Lr springt zum Aleiderschrank und holt
Ueberzieher und Aopfbedeckung hervor.
Sie ziehen sich rasch an.
Wally steht sprachlos und wie angemauert auf einem Fleck.
„Den Wein stellen Sie kalt, und das dort können Sie und
Ihre Geister vcrzehren," poltert der Doktor unter der Thiire
und schlägt dieselbe so wuchtig zu, daß ein Blatt Papier vom
Schreibtisch bis in die Mitte des Zimmers fliegt.
„Na, was ist denn das?" Die Alte bückt sich nieder und
hcbt es auf.
„Ach, das Unglückstelegramml" schreit sie auf und wirft
es weit von sich.
„Nein, so ein zweites Telegramm würde sie nicht mehr
überleben," murmelt sie verzagt in sich hinein und trägt kopf-
schüttelnd die Suppe in die Aüche ab.
(Ketstesgegenwarl oder: Wer Mtehi lacht, tacht anr besten.
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