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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 41.1900 (Nr. 484-496)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20910#0136
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Meggendorfers Humoristische Blätter.


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6

Der Vbmann.

Unten im Honoratiorenzimmer versammelte sich das
Aomitee. Es herrschte natürlich eine sehr gehobene Ttimmung,
und sie entlud sich in unzähligen Trinksxrüchen. Man stieß auf
den vortrefflichen Dbmann an, auf die liebenswürdige Aünst-
lerin, aus ein srohes Gelingen und weiß Gott noch worauf. z-j

Gegen Mittag erklärte bserr Balthasar, er müsse sich nun
doch anstandshalber nach dem Befinden der T>ame erkundigen
und ihr nochmals den Dank des vereins aussprechen. Fritz
machte den schüchternen Versuch, ihm dieses schwierige Amt ab-
zunehmen; aber mit seltener Lnergie erklärte der alte therr, er
sei Manns genug, seine Pflicht selbst zu erfüllen.

N)ie er nun mit dieser seiner Pslicht zustande kam, vermag
keine menschliche Seele zu sagen. Nur so viel weiß man aus
seinen Aeußerungen, daß er die Dame im Neglige getroffen
und sehr angenehme Lrinnerungen an niedliche pantöffelchen
und noch niedlichere Füßchen mitgebracht hat.

Der Nachmittag verging unter anstrengenden Anordnungen
und anderen heißen Mühen, die jedoch ab und zu durch einen
gelinden Schluck befeuchtet wurden. Lndlich nahte die große
Stunde.

Der Aasinosaah an dessen Stirnseite ein rot ausgeschlagenes
Podium errichtet war, füllte sich allmählich. Auf den vorderen
Reihen nahmen die Mitglieder der Aristokratie und die übrigen
ksonoratioren Platz, die Damen in großer Toilette, einige sogar
dekolletiert, was von der zahlreich erschienenen weiblichkeit,
die mit bescheidenen Sitzen ^vorlieb genommen hatte, lebhaft

besprochen wurde. Rückwärts und zu beiden Seiten war der
Raum für diejenigen, die auf Sitze iiberhaupt verzichteten.

Um acht Uhr war der Saal zum Lrdrücken gefüllt, und
man blickte ungeduldig nach den beiden Thüren, die rechts und
links vom Podium nach dem Aiinstlerzimmer führten, jedoch heute
durch ein erlesenes Arrangement von Drangenbäumchen und
Blattxflanzen halb verdeckt waren.

Lndlich um viertel auf neun begannen die künstlerischen Ge-
nüsse. Sie wurden durch einen schwungvollen jdrolog eingeleitet,
den ein kferr mit dröhnender Baßstimme sxrach. Dann produzicrten
sich zwei kserren — einer davon ein wirklicher Baron — als
Excentrik-Llowns, hierauf sang eine Dame Schubertsche Lieder,
der Besonderheit wegen mit französischem Text — kurz, eine
„Nummer" war gelungener als die andere. Die Leute axplau-
dierten stürmisch und zischelten einander allerhand boshafte
Mitze über die „Vünstler" zu; sie unterhielten sich herrlich.
Am allerbesten aber Fritz. Lr hatte zuerst den Damen
die lhonneurs gemacht, sie empfangen und galant zu ihren
Sitzen geführt, ein Amt, das ihm bisweilen außerordentlich viel
vergnügen zu bereiten schien. Dann hatte er sich ins Aünstler-
zimmer zurückgezogen. Ilnter den Mitwirkenden befanden sich
auch etliche junge Damen, und Fritz verftand es, sie und sich
selbst königlich zu amüsiereu. Man trieb allerlei lustigen Unfug,
Fritz xarodierte Aünstler und Publikum, ein drolliger Linfall
jagte den andern, kurz, es herrschte bald die ausgelassenste
Stimmung.

Sein Vnkel aber keuchte unter der Last seiner Anstreng-
ungen. Lr hatte die auftretenden Damen an seinem Arm auf
die Tribüne zu geleiten, die obligaten Bouquets zu überreichen
und noch mehr dergleichen aufreibende Thätigkeiten vorzunehmen.
Zudem fühlte er sich ungemein angegriffen. Seit Iahren war
er es nicht mehr gewöhnt, um diese Zeit auf den Beinen zu
stehen, und es meldete sich bei ihm eine eigentümliche Müdigkeit,
die in der schwülen Atmosphäre immer bedenklicher zunahm.
Das war der Schlaf, er konnte sich's nicht verhehlen. Aber er
mußte sich aufrecht halten; er hatte ja Pflichten. Während der
Produktionen zog er sich ins Aünstlerzimmer zurück. Die lustige
Gesellschaft dort ließ ihm keine Zeit, seinen innersten Gefühlen
nachzugeben, besonders Fritz that alles, ihn zu ermuntern. Auch
war hier ein kleines Biiffett aufgerichtet worden mit allerlei
angenehmen Flüssigkeiten; selbst Lhamxagner fand sich da. Das
waren denn die wichtigsten bjilfstruppen, deren sich bferr von
Röcknagel in seinem heroischen Aampfe gegen das Gähnen
bediente.

Alles war gut gegangen. Frau Barbara, längst ausgesöhnt
mit der Vbmannschaft ihres Gatten, schwelgte nun in seinem
Triumxhe. Sie saß — NAirde und Anmut schön gepaart —
in ihrem Fauteuil erster Reihe und tauschte ab und zu selige
Blicke mit ihren Nachbarinnen.

Nun kam die Reihe an die große Aünstlerin. kserr Bal-
thasar führte sie mit vollendeter Grandezza auf die Tribüne,
legte das Riesenbouquet auf einen pduff neben dem vorlesetisch,
an dem sie sich niederließ, und zog sich äußerst gewandt zurück.

Diesmal aber nicht ins Aünstlerzimmer. Lr ließ sich einen
Stuhl hinter das Pflanzenarrangement riicken, um dort in glück-
licher verborgenheit zu lauschen.

Unter atemloser Spannung begann die Schauspielerin ihren
vortrag; sie las allerhand Lyrisches. Die lveihe des Genius
lag über dem Saal. Aber bald vernahm man ein eigentüm-
liches Geräusch; es war, als ob eine schlechtgeölte Thiire sich
hin und her bewege. „Zumachen!" riefen etliche kferren so diskret
als möglich. Die Schauspielerin blickte unwillig zur Seite, ein
Diener schoß herbei und versuchte, die ohnedies schon geschlossene
Thüre ins Aünstlerzimmer noch gründlicher zu schließen. Er
 
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