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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 41.1900 (Nr. 484-496)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20910#0146
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Meggendorfers ^urnoristische Blätter.

i3s


Afrikamsches.


„Aufbau ist Puatsch, Lharaktcre sind ganz
unmodern. Aber paß ausl tvie beißt er denn
eigentlich, dein Roman, he?"

„Ich habe ihn ,Lrlösung" genannt, weil —"

„Das geht nicht. Das war in der vorigen
Saison modern. Wovon handelt er denn?"

„Lr handelt von einem dämonischen Weibe,
das an einen Greis gesesselt ist und sich endlich
losreißt, natürlich mit zwei Lhebrüchen . . ."

„Also nennst du dein tverk: ,Der alte
Unackstiesel'. Ia. Sehr hübsch. ,Dcr alte
Knackstiefel. Lin Seelengemälde in Lssig und
Del' von - ja wie heißt du denn eigentlich?"

„Ich hciße Lmil Iussel."

„Ia, dann thut es mir leid, dann kannst
du nicht berühmt werden. Ich bitte dich, so heißt
man doch nicht. Und wie heißt du sonst noch ?"

„Sonst . . .? Wie meinst du das? Ich
hatte nur den einen vater."

„Nein, ich meine mit vornamen."

„Ach sol — Lmil Ukax lvilhelm vussel."

„Um Gottes willenl das geht nicht. Also
nehmen wir einen andern vornamen. Lothar
z. B. wird jetzt viel getragen. Also ,Lothar
Lmil Nk. lv. Dussel? Ganz nett. Dussel kann
als pseudonym ausgesaßt werden, mit leise
lächelnder Selbstironie. Das ist jetzt recht mo-
dern. — Aannst du zeichncn? Ich meine, etwas
so skizzieren, daß man ungefähr erkennt, was es
sein soll?"

„Nein; nur wenn ich 's dabei schreibe."

„Um so besser. Du wirst also für das
Titelblatt entwersen: eine Lilie mit Blutstropsen,
ein halbes psund Stengelornamente, die weder
Stengel noch Drnamente sind und in der Lcke
dein Monogramm, englisch stilisiert, halb so groß
wie das Buch. kjast du das notiert?"

„Alles, edler Meister."

„lvohl. Nun kommen wir zur Nebensache,
dem Znhalt. lvie lang ist dein Roman?"

„Lr kann gut soo Seiten werden."

„Das ist zu lang. Lr darf nur drei lllark
fünszig lang sein. Nimm also vorn und hinten
je zweihundert Seiten weg."

„Aber dann hat es ja keinen Ansang und
kein Lndel"

„Schweig, Grünschnabel, und thu, was ich
dir sage l Linen Ansang dars ein moderner
Ronian überhaupt nicht haben und das Lnde
liest ja doch kein Ulensch. Aber weiter. Nimm
eine Feder und streiche alle Aommata aus deinem
Roman. Richtige ssnterpunktion ist ganz un-
modern. bsast du das?"

„Ia."

„Dann mußt du dir eine Drthographie an-
gewöhnen, daß dein deutscher Lehrer den veits-

tanz bekommt und dem seligen p.die

ksand aus dem Grabe wächst. Das ist sindivi-
duelle Behandlung der Sprache?"

„Auch das will ich thun, edler Meister."

„So zieh hin im Frieden, mein Sohn l Und
wenn die lsonorare auf dich einströmen, denk an
deinen alten, würdigen Lehrer und spende ihm
einmal einen Hundertmarkschein. Ls können
auch zweie sein."

„Ls soll geschehen, mein verehrter Lehrer.
Gehab dich wohl!"

„Mahlzeit, mein Sohn, vergiß auch den
Sekt nichtl"

Lmil wurde nun bald bekannt. Sein Bild
hing in den Schaufenstern und er hatte auch
schon eine Linladung bei einem lvirklichen
Aommerzienrat.

Aber das genügte ihm alles nicht. Lr wollte
durchaus ganz berühmt sein. Da kam ihm eines
Tages eine großartige Idee.

Lr schrieb eine Broschüre. Line Broschüre, in
der er seinen Lehrer und Meister, den berühmten
Dichter, aufs gröbste angriff, seine Schristen als
eitel Blech und ihn selbst als ,litterarischen
bsampelmann' hinstellte, alles mit Namen-
nennung.

Die Broschüre ließ er in den Bücherläden
ausstellen, mit einem roten Zettel, daraus
,Sensationellst Daneben seine eigenen Bücher
und sein Bild. — —

In vierzehn Tagen war Lmil eine zweite
Auflage.

^ I'mge geblieben, den ich gerade durchhauen wollte?"
l ng (a en.) „Ia, den kriegst du nicht; der ist schnell an unserer Giraffe hinaufgekleltert!
 
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