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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 44.1901 (Nr. 523-535)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16554#0043
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

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„Aber Aind, es handelt sich doch uin die Wahl Deines Gatten, uin Dein
Lebensglück; da werde ich doch nicht . . .

„Papperlapapxl Das ist mein privatvergnügen. Deine Zeit ist auch Geld;
und wenn ich sie in Anspruch nehme, muß ich sie auch bezahlen. Nur unter der
Bedingungl Bist Du einverstanden?"

„Nun gut, mein schneidiger Doktor Iuris. Ich bin's."

„Schön. Der Vertrag ist rechtlich giltig. Ich muß jetzt zu einem U?aldersee-
Aommers. Mein Bureauvorsteher ist instruiert. Mahlzeit."

Damit war mein blondes Töchterchen hinaus. O dieses Tnteneil Ich konnte
mich gar nicht sassen. Aber ich sollte noch viel sassungsloser werden.

Der Tag kam heran. jdunkt zehn Uhr erhielt unser Dienstjüngling vom Lande
Befehl, am Fuße der Treppe j)osto zu sassen und alle nun noch kommenden Bewer-
ber zurückzuweisen. Das lVartezimmer war bereits bis auf den letzten jdlatz gefüllt.

Meine Tochter beauftragte mich nun, nachzusehen, was fiir „Zeug" eigentlich
da wäre. Nit dem „Zeug" meinte sie die Reslektanten auf den Gattenposten an
ihrer Seite. Ls waren einhundertzwanzig. Ich begriff das nicht. Ich war ja ihr
Vater, das war nun einmal nicht mehr zu ändern; aber ihr Mann zu sein, schien mir
so wenig verlockend, daß ich mich gewiß nicht dazu gedrängt hätte. Mein Gott, das
junge Männergeschlecht hatte eine zu große Angst vorm Sitzenbleiben.

Wer von den Bewerbern nicht das Grenadier-Mindestmaß hatte, wurde gleich
fortgeschickt. U)er nicht zum vollen Dienst mit der U?affe tauglich befunden war und
iiber gute Fnhrungsatteste verfügte, wurde ebenfalls fortgeschickt. Besonders zu
achten hatte ich auf die Note in Subordination.

Ietzt, nach der ersten Siebung, blieben noch fünfundsiebzig Bewerber übrig.
Meine Tochter hielt es für angebracht, jetzt selber unter den Reslektanten zu erscheinen.
Es geschah, wie sie mir nachher mitzuteilen für gut fand, aus zwei Gründen; zuerst,
um die vom Treppensteigen gar so sehr Lchauffierten, die Triefenden, Reuchenden zur
Abdankung zu zwingen und dann, um sich zu präsentieren.

„Sie haben mich jetzt alle gesehen," sagte sie beim Berlassen des Martezimmers,
„wer von den Herren einem ausgesprochenen anderen Geschmack huldigt, mag sich
während meiner Abwesenheit empfehlen."

Aus dem ersten Grunde hatten vierzig das Zimmer verlassen müssen. Nach der
letzten Aufforderung ging keiner, was mich nicht schlecht stolz machte.

Ietzt begann die dritte Siebung. Dr. paula beauftragte mich mit der Aufnahme
der personalien der noch vorhandenen fünfunddreißig. Dann ging's an das Lin-
sammeln der Lebensläufe. Mein blondes Töchterchen prüfte die Schriftstücke zunächst
graphologisch und hieß mich, fünfzehn Bewerbern das curriculum vitae zurückzureichen,
da, wie ich erläuternd hinzufügen mußte, „die aus den eingereichten Schriftproben kon-
statierten Tharakterzüge keine Gewähr für ein ersprießliches Nebeneinanderleben böten."

Unsere Auswahl war damit auf zwanzig zusammengeschrumpft.

Was soll ich noch viel berichtenl Auf Grund der j)rüfung der Lebensläufe
auf ihren Inhalt, der Dienstzeugnisse und der ärztlichen Atteste, verringerte sich die
Auswahl bis auf drei, die damit in die engere Aonkurrenz traten.

Ietzt wurde der erste dieser drei ins Zimmer gebeten. Name, kserkunft, Alter,
Vergangenheit, Gesundheitszustand wurden noch einmal eingehend sestgestellt, dann
solgte ein gründliches Lxamen riAorosnm.

„Verstehen Sie mit kleinen Rindern umzugehen?"

„Mas wissen Sie von den jdreisbewegungen im Schweinefleifch während der
letzten zehn Iahre?"

„Sprechen Sie sich aus über chemische j)rozesse in der Rüche."

„Worauf beruht die erfrischende lvirkung der kjeidelbeerkaltschale?"

„In welchen männlichen kjandarbeiten (früher weibliche ksandarbeiten ge-
nannt) sind Sie erfahren?"

„)n welcher Lehranstalt haben Sie das Rochen gelernt?"

„kjaben Sie Uebnng im Umgang mit Markthallenweibern?"

„Sind Sie mit der Nähmaschine vertraut?"

„Können Sie radeln?"

„Billard, Skat spielen?"

„Sind Sie musikalisch?"

„Sind Sie im stande, kleine Reparaturen an meiner und Ihrer Garderobe
selbständig vorzunehmen?"

„Und zum Schluß noch eins: Sind Sie bewandert in den feineren Umgangs-
formen? Ls könnte doch einmal sein, daß ich Sie zu irgend einer Soiree oder sonst-
igen veranstaltung mitnehmen muß, und ich möchte, daß ich nicht ewig eine Un-
schicklichkeii von Ihrer Seite zu befürchten habe."
 
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