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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 44.1901 (Nr. 523-535)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16554#0051
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Meggendorfers Hurnoristische Blätter.

Instrukior hab' ich gar nicht mehr gedachtl Der
schenkt uns also auch das vergnügen? Na, das kann
gut werdenl"

„Für kjugo ist es cin großer Norteil, daß walter
seiner Einladung solgt. walter kann ihm in seinen
Studien sehr viel nützen, weißt Du, mit ihm repetieren
und dergleichen. Und sür walter andrerseits ist es doch
auch kein Schaden, wenn er aus der Arbeit ein wenig
herausgerissen wird und unter die Leute kommt. Er
scheint nach dem, was chugo schreibt, ein bißchen welt-
scheu zu sein, vielleicht unbehilflich oder so was."

„In dieser Beziehung kann er allerdings von ksugo
ein schönes Stück lernen, denn der ist frech wie eine
Bremse um die Mittagszeit."

Mit dieser gemütvollen Bemerkung brach chräulein
Bertha das Gespräch plötzlich ab, weil draußen aus
der Straße ein wütendes Ljundegebell laut ward, was,
wie alle Aämpfe, ihr Interesse sehr in Anspruch nahm.
Sie öffnete das Fenster und blickte mit Spannung auf
die beiden raufenden Aöter.

Als Fräulein Bertha noch die Bolksschule mit ihrem
Besuch beehrte, war schon diese Neigung für jeglichen
Sport stark in ihr entwickelt. Sie prügelte sich zum
Lntsetzen ihrer Mutter mit den Schulgenossen herum,
ohne auf das Geschecht im allgemeinen eine besondere
Rücksicht zu üben. wenn es sich freilich gerade so
günstig sügte, daß sie einen größeren Iungen verhauen
konnte, legte sie hierauf schon einigen wert. Dabei
hatte sie von den Regeln der Ringkunst nur dann eine
Meinung, wenn sie die zweifellos Ueberlegene war.
Sonst kümmerte sie sich wenig um die Gesetze der
Ritterlichkeit und kratzie und biß mit der Gewandtheit
einer kleinen Katze, war auch sest davon überzeugt, daß
sie selbst eigentlich nichts einzustecken brauchte und so-
zusagen unantastbar sei. Ueber den bjohn und die
Verachtung, die ihr ein solches „gemeines" Nersahren
bei den Buben eintrug, setzte sie sich kalt lächelnd
hinweg und sie schämte sich nicht im mindesten, wenn
sie einmal in Bedrängnis geriet, gottesjämmerlich um
Ljilfe zu schreien.

wurde sie sodann durch die Mitwirkung einer
älteren, mitleidigen Seele aus der Not befreit, so schlich
sie sich nicht etwa gedemütigt beiseite. Bewahrel
Sie schnellte sich sofort wieder aus die bjöhe der Situ-
ation und entblößte nicht selten, ohne ein Schamgesühl
zu empfinden, ihr Zünglein und drehte Nasen von ganz
erstaunlicher Länge, eine Demonstration, die sie mit
erklärenden Gesängen zu begleiten pflegte.

Alle welt, die Lehrerinnen, die Dienstboten und die
tugendhaften Altersgenossinnen sowohl, wie die Eltern
stimmten einmütig überein, daß die Bertha ein schreck-
liches Aind sei.

Das änderte sich nun allerdings, als die Iahre
eintraten, die sie zur Iungsrau entwickelten; aber wenn
der Uebermut der ersten Iugend auch verflogen war,
ein Rest davon, und kein geringer, blieb dennoch übrig
und machte sich Luft, so ost die Umstände es gestatteten.
Fräulein Bertha lachte ungemein gern und über die
wunderlichsten Dinge, über Sachen, die sonst niemand
auf der Erde zur L^eiterkeit reizen konnten und sie
lachte manchesmal, wenn andere Leute Lust sühlten, zu
weinen, wie sie umgekehrt bisweilen weinte, wenn diese
vor Fröhlichkeit sich den Bauch hielten.

§3

Der praküsche Schusterjrmge.

— „Ich weiß nicht, wie das kommtl Mir thut 's immer so weh',
wenn mich der Meister an den Vhren zieht, und der pexi lacht desto
mehr, je mehr der Meister ziehtl?" —

— „Da schau, dummer Iunge! Da kauft man sich einfach ein paar
P>atent-Gummiohrwascheln bei Frohreich u. Lo., schnallt sie sich
um den Aopf, und die Lehrjahre find ein reines vergnügen!" —

Der erste Auß.

In Anbetracht und in Lrwägung dieser ihm wohlbekannten Ge-
mütseigenschaften seiner Tochter hielt es der Rat bjiendl für zweckmäßig,
ihr vor der Ankunft des bevorstehenden Besuches ein kurzes jdriva-
tissimum zu lesen, in welchem viel von würde und Anstand die Rede war,
von j)flichten, die erwachsenen Damen zukämen, von Aindereien, die er
nach jdaragraph so und soviel des chausstrafgesetzbuches mit Lntziehung
von vergnügungen und Auferlegung von Strümxfestricken, dem ver-
haßtesten Zwangsmittel väterlicher Tyrannei, beahnden inüßte. Lr
empfahl ihr gegen Ljerrn Walter höslich und artig zu sein und ja zu
bedenken, daß gewisse Lussere Mängel auf die Tüchtigkeit eines Menschen
durchaus keinen Schlvß ziehen ließen, und daß es außerdem ein
Zeichen von mangelnder Gemütsbildung sei, wenn man sich über derlei
Aleinigkeiten lustig mache.
 
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