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Meggendorfers ^umoristische Blätter.
Zdnll auf der Zekundärbahn.
Fremder (zum Bahnwärter): „Me»l gehöct denn das Viehzeug da ain Bahndainin?"
Bahnwärter: „Das is aus dem Dorf und wartet aufs Zügle, weil es dann
von den Reisenden aus den wagenfenstern heraus gefiittert wirdl"
„Dieses ewige Lernen muß doch mit der Zeit entsetzlich
werden. lhaben Sie nicht bisweilen das Gefühl, als ob Sie
ein jdaragraph wären, eine Rovelle oder wie man das heißt?"
„Bisher nicht, gnädiges Fräulein; aber das wird vielleicht
noch kommen."
„Gh, ich stelle mir das schrecklich vorl Die kferren ver-
lieren alle Freude und Lebenslust darüber. Nuch wundert, daß
Bie doch noch ab und zu tanzen mögen."
„lvarum nicht?" meinte er lachend.
„Gder thun Sie das nur aus Gesundheitszwecken, um sich
Bewegung zu verschasfen? lVarum tanzen Sie?"
„lVeil es mir Sxaß macht, gnädiges Fräuleinl"
„Und besonders mit Fräulein Ida Strauß, nicht wahr?"
Er blickte sie schars an. Merkwürdig, wie gut sie in dieser
Beleuchtung aussah. Aber was wollte sie mit dem Fräulein?
!Var sie am Lnde gar aus diese höchst unbedeutende junge Dame
schlecht zu sprechen?
„Ich kann Sie versichern, gnädiges Fräulein, daß ich mit
allen Damen gleich gerne tanze."
Sie warf trotzig den Aops in die lsöhe. „Sie sind mit
Romxlimenten allzu freigebig, lherr walter."
„Bitte sehr, gnädiges Fräulein, ich wollte
nur damit sagen, daß ich sie alle gleich
verehre."
Sie ärgerte sich jetzt so über die kalte,
überlegene Art, mit der lvalter ihr ent-
gegnete, daß sie am allerliebsten, einer trauten
Iugendgewohnheit solgend, ihm eine Nase
gedreht hätte. Da sich das leider nicht schickte,
andrerseits aber ihr gar nichts einfiel, was
sie ihm hätte sagen können, schritt sie, gereizt
wie sie war, zu einem direkten Angriff.
„Ich glaube überhaupt, daß jemand, der
dem Leben so serne steht wie Sie" — sie
sprach das sehr hochmütig von oben herab
— „es eigentlich gar nicht unterscheiden kann,
ob diese oder jene Dame seiner verehrung
würdiger wäre, als eine andere. Natürlich
von Ihnen ganz abgesehen — aber es gibt
Leute, die essen das liebe lange Iahr nichts
als das gleiche Stück Rindfleisch mit geröste-
ten Rartosseln, und diese behaupten, es exi-
stiere überhaupt nichts, was besser sei."
Lr behielt sie, während sie redete, scharf
im Auge. vergeblich suchte er sich klar zu
werden, was sie eigentlich wollte. lvar sie
gekränkt, daß er sie vielleicht zu wenig be-
achtet hatte, war sie eifersüchtig auf ihre
Freundin Ida oder wollte sie ihn necken —
er wußte es nicht. Und da er sie forschend
immer genauer betrachtete, stieg eine eigen-
tümliche lvärme in ihm auf. Lr kam nun
erst gewissermaßen zu sich und fand sich da
plötzlich zu seinem Erstaunen einem lieblichen
Geschöps gegenüber, desfen kindlich trotziges
! Gesicht eine anmutige Entrüstung doppelt
schön erscheinen ließ und in desfen blondem
Lockengeslecht die Sonne, deren Strahlen
durch die grüngoldenen Blätter brachen, mit
den herrlichsten Lichtern spielte. Ls wirkte
sast wie ein Lrwachen aus einem gleich-
gültigen, dumxfen Traum auf ihn diese Lnt-
deckung, daß es kein Rind, daß es ein lveib
war, was ihm da gegenüber saß.
„Sie sind also der Ansicht, daß ich auch einer der Rind-
fleischesfer sei, die sür sonst nichts einen Linn haben?"
Sie lachte. „Ich habe Sie ja ausdrücklich ausgenommen,"
meinte sie.
„Ia," erwiderte er; „aber Sie sagten doch, ich stünde dem
Leben so serne, daß ich keinen Blick sür die Schönheit hätte,
wenn sie mir begegnete. Das ist ein Irrtum, gnädiges Fräulein,
ich sehe die Schönheit, wo immer sie sich mir zeigt."
Nun stutzte sie und wurde gänzlich unsicher. Er wagte es
also, so saßte sie seine Aeußerung auf, ihr mit der größten
Unverschämtheit ins Gesicht zu sagen, daß, wenn sie eine
Schönheit wäre, er das schon bemerkt haben würde. Und
hierüber bemächtigte sich ihrer eine so große verwirrung, das
Blut schoß ihr mit solcher Nacht in die lvangen, daß er da-
rüber erschrak, weil er sich einbildete, zu weit gegangen zu
sein.
„Und wenn Sie die Schönheit bemerkten," versetzte sie nun
höhnend, „was würden Sie Großes damit thun?"
Lr zuckte lachend mit den Achseln. Dann fuhr er sich mit
dem Taschentuch über die Stirne; er fand, daß es entsetzlich
schwül sei in dieser Laube.
Meggendorfers ^umoristische Blätter.
Zdnll auf der Zekundärbahn.
Fremder (zum Bahnwärter): „Me»l gehöct denn das Viehzeug da ain Bahndainin?"
Bahnwärter: „Das is aus dem Dorf und wartet aufs Zügle, weil es dann
von den Reisenden aus den wagenfenstern heraus gefiittert wirdl"
„Dieses ewige Lernen muß doch mit der Zeit entsetzlich
werden. lhaben Sie nicht bisweilen das Gefühl, als ob Sie
ein jdaragraph wären, eine Rovelle oder wie man das heißt?"
„Bisher nicht, gnädiges Fräulein; aber das wird vielleicht
noch kommen."
„Gh, ich stelle mir das schrecklich vorl Die kferren ver-
lieren alle Freude und Lebenslust darüber. Nuch wundert, daß
Bie doch noch ab und zu tanzen mögen."
„lvarum nicht?" meinte er lachend.
„Gder thun Sie das nur aus Gesundheitszwecken, um sich
Bewegung zu verschasfen? lVarum tanzen Sie?"
„lVeil es mir Sxaß macht, gnädiges Fräuleinl"
„Und besonders mit Fräulein Ida Strauß, nicht wahr?"
Er blickte sie schars an. Merkwürdig, wie gut sie in dieser
Beleuchtung aussah. Aber was wollte sie mit dem Fräulein?
!Var sie am Lnde gar aus diese höchst unbedeutende junge Dame
schlecht zu sprechen?
„Ich kann Sie versichern, gnädiges Fräulein, daß ich mit
allen Damen gleich gerne tanze."
Sie warf trotzig den Aops in die lsöhe. „Sie sind mit
Romxlimenten allzu freigebig, lherr walter."
„Bitte sehr, gnädiges Fräulein, ich wollte
nur damit sagen, daß ich sie alle gleich
verehre."
Sie ärgerte sich jetzt so über die kalte,
überlegene Art, mit der lvalter ihr ent-
gegnete, daß sie am allerliebsten, einer trauten
Iugendgewohnheit solgend, ihm eine Nase
gedreht hätte. Da sich das leider nicht schickte,
andrerseits aber ihr gar nichts einfiel, was
sie ihm hätte sagen können, schritt sie, gereizt
wie sie war, zu einem direkten Angriff.
„Ich glaube überhaupt, daß jemand, der
dem Leben so serne steht wie Sie" — sie
sprach das sehr hochmütig von oben herab
— „es eigentlich gar nicht unterscheiden kann,
ob diese oder jene Dame seiner verehrung
würdiger wäre, als eine andere. Natürlich
von Ihnen ganz abgesehen — aber es gibt
Leute, die essen das liebe lange Iahr nichts
als das gleiche Stück Rindfleisch mit geröste-
ten Rartosseln, und diese behaupten, es exi-
stiere überhaupt nichts, was besser sei."
Lr behielt sie, während sie redete, scharf
im Auge. vergeblich suchte er sich klar zu
werden, was sie eigentlich wollte. lvar sie
gekränkt, daß er sie vielleicht zu wenig be-
achtet hatte, war sie eifersüchtig auf ihre
Freundin Ida oder wollte sie ihn necken —
er wußte es nicht. Und da er sie forschend
immer genauer betrachtete, stieg eine eigen-
tümliche lvärme in ihm auf. Lr kam nun
erst gewissermaßen zu sich und fand sich da
plötzlich zu seinem Erstaunen einem lieblichen
Geschöps gegenüber, desfen kindlich trotziges
! Gesicht eine anmutige Entrüstung doppelt
schön erscheinen ließ und in desfen blondem
Lockengeslecht die Sonne, deren Strahlen
durch die grüngoldenen Blätter brachen, mit
den herrlichsten Lichtern spielte. Ls wirkte
sast wie ein Lrwachen aus einem gleich-
gültigen, dumxfen Traum auf ihn diese Lnt-
deckung, daß es kein Rind, daß es ein lveib
war, was ihm da gegenüber saß.
„Sie sind also der Ansicht, daß ich auch einer der Rind-
fleischesfer sei, die sür sonst nichts einen Linn haben?"
Sie lachte. „Ich habe Sie ja ausdrücklich ausgenommen,"
meinte sie.
„Ia," erwiderte er; „aber Sie sagten doch, ich stünde dem
Leben so serne, daß ich keinen Blick sür die Schönheit hätte,
wenn sie mir begegnete. Das ist ein Irrtum, gnädiges Fräulein,
ich sehe die Schönheit, wo immer sie sich mir zeigt."
Nun stutzte sie und wurde gänzlich unsicher. Er wagte es
also, so saßte sie seine Aeußerung auf, ihr mit der größten
Unverschämtheit ins Gesicht zu sagen, daß, wenn sie eine
Schönheit wäre, er das schon bemerkt haben würde. Und
hierüber bemächtigte sich ihrer eine so große verwirrung, das
Blut schoß ihr mit solcher Nacht in die lvangen, daß er da-
rüber erschrak, weil er sich einbildete, zu weit gegangen zu
sein.
„Und wenn Sie die Schönheit bemerkten," versetzte sie nun
höhnend, „was würden Sie Großes damit thun?"
Lr zuckte lachend mit den Achseln. Dann fuhr er sich mit
dem Taschentuch über die Stirne; er fand, daß es entsetzlich
schwül sei in dieser Laube.