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Meggendorfers k>urnoriftifche Blätler.
Linem so in sich gefestiglen Geifte vermag denn auch
selbst der stärkste aller Triebe nichts von seiner ruhigen Alarheit
zu rauben. Auch August Sellmann hat geliebt — normal
Oenkende werden dies schon aus der Thatsache seiner verehelichung
geschlossen haben, und auch er hat Sekunden erlebt, in denen
die Liebe seinsn Lserzschlag störend zu beschleunigen drohte.
Aber wenn er dies in einem seiner reissten Gedichte bestätigt, —
wie wohlthuend berührt gegenüber der „titanischen", sittlich
verwirrenden Leidenschast so mancher anderer Oichter seine
abgekühlte Nilde:
W a r nu n g.
Die Liebe wuchert leicht im Busen,
Der Mensch kann dann nichts mehr dazu;
Ersprießlich ist sie für die Musen,
Doch hinderlich der Seelenruh'I
Drum, Mädchen, wollt ihr Ruhe haben,
So stiehet, wenn ein Iüngling lacht,
Und ihr desgleichen, kecke Anaben,
Nehmt euch vor Mädchen recht in achtl
Mögen unsere Lsimmelsftürmer eine solche
Gesinnung immerhin „philisterhast" schelten
— besonnene Lltern werden sich sreuen,
einen zeitgenösstschen L^riker kennen zu lernen,
dessen Gesühlsausbrüche sie ihren heranwachsenden Töch-
tern ohne Bedenken unter den Weihnachtsbaum legen kön-
nen. Und sie werden daran am wenigsten irre werden,
wenn sie hören, mit welcher pietätvollen Gelassenheit dieser
Dichter aus dem Bolke auch das Ende des Trdendaseins
ins Auge saßt:
wer so in acht schlichten Zeilen die Friedhof-
gedanken eines in geordneten verhältnissen lebenden
deutschen Biedermannes zu kryftallisieren weiß, der dars
in der That so von sich sprechen, wie August Sellmann
im Schlußgedicht seiner Sammlung, mit dem wir auch
unsere Auswahl beschließen:
Mein Stolz.
wenn ich so mich selbst betrachte
Und auf meinen Zustand achte,
Scheint mir doch die höchste Gabe,
Daß ich Ideale habe.
Ideale sind umfassend
Und zu jeder Lage passend;
Allgemein're Lhrenzeichen
Rann mir selbst der Staat
nicht reichen.
August Sellmann wird — wie wir verehrern des
Dichters verraten wollen — am 5. Närz dieses Iahres
einunddreißig Iahre alt und ersreut sich, anders als so
manche Dichter, einer ungetrübten Gesundheit, dank vor
allem seiner geordneten Lebens- und Denkweise. Somit ist
zu hossen, daß er uns noch mit mancher Gabe seiner Muse
beschenken wird. Sind doch die Stosse seiner L^rik ebenso
beliebt und dauernd, wie die Gesinnungen, die er ihnen
ausprägt. Wann aber wird stch für diese Gedichte ein
würdiger Aomponist finden?
Meggendorfers k>urnoriftifche Blätler.
Linem so in sich gefestiglen Geifte vermag denn auch
selbst der stärkste aller Triebe nichts von seiner ruhigen Alarheit
zu rauben. Auch August Sellmann hat geliebt — normal
Oenkende werden dies schon aus der Thatsache seiner verehelichung
geschlossen haben, und auch er hat Sekunden erlebt, in denen
die Liebe seinsn Lserzschlag störend zu beschleunigen drohte.
Aber wenn er dies in einem seiner reissten Gedichte bestätigt, —
wie wohlthuend berührt gegenüber der „titanischen", sittlich
verwirrenden Leidenschast so mancher anderer Oichter seine
abgekühlte Nilde:
W a r nu n g.
Die Liebe wuchert leicht im Busen,
Der Mensch kann dann nichts mehr dazu;
Ersprießlich ist sie für die Musen,
Doch hinderlich der Seelenruh'I
Drum, Mädchen, wollt ihr Ruhe haben,
So stiehet, wenn ein Iüngling lacht,
Und ihr desgleichen, kecke Anaben,
Nehmt euch vor Mädchen recht in achtl
Mögen unsere Lsimmelsftürmer eine solche
Gesinnung immerhin „philisterhast" schelten
— besonnene Lltern werden sich sreuen,
einen zeitgenösstschen L^riker kennen zu lernen,
dessen Gesühlsausbrüche sie ihren heranwachsenden Töch-
tern ohne Bedenken unter den Weihnachtsbaum legen kön-
nen. Und sie werden daran am wenigsten irre werden,
wenn sie hören, mit welcher pietätvollen Gelassenheit dieser
Dichter aus dem Bolke auch das Ende des Trdendaseins
ins Auge saßt:
wer so in acht schlichten Zeilen die Friedhof-
gedanken eines in geordneten verhältnissen lebenden
deutschen Biedermannes zu kryftallisieren weiß, der dars
in der That so von sich sprechen, wie August Sellmann
im Schlußgedicht seiner Sammlung, mit dem wir auch
unsere Auswahl beschließen:
Mein Stolz.
wenn ich so mich selbst betrachte
Und auf meinen Zustand achte,
Scheint mir doch die höchste Gabe,
Daß ich Ideale habe.
Ideale sind umfassend
Und zu jeder Lage passend;
Allgemein're Lhrenzeichen
Rann mir selbst der Staat
nicht reichen.
August Sellmann wird — wie wir verehrern des
Dichters verraten wollen — am 5. Närz dieses Iahres
einunddreißig Iahre alt und ersreut sich, anders als so
manche Dichter, einer ungetrübten Gesundheit, dank vor
allem seiner geordneten Lebens- und Denkweise. Somit ist
zu hossen, daß er uns noch mit mancher Gabe seiner Muse
beschenken wird. Sind doch die Stosse seiner L^rik ebenso
beliebt und dauernd, wie die Gesinnungen, die er ihnen
ausprägt. Wann aber wird stch für diese Gedichte ein
würdiger Aomponist finden?