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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 44.1901 (Nr. 523-535)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16554#0106
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

Ärkannte Vhysiognomie.

A: „!Vas macht denn der Student Süffel für ein bitterböses Gesicht?"
B: „versatz — amtsmienel"

Zur Kriiik oes L>er)ens.

r kommt immer noch nichtl" seufzte die junge chrau, die
in ihrem elegant eingerichteten Boudoir bei dem durch
einen rotseidenen Lampenschirm gedämpften Scheine einer Astral-
lamxe betrübt saß und sich vergeblich bemühte, an einer Stickerei
zu arbeiten, die sie endlich ganz bei Seite legte, um ihr blondes
Aöpschen sinnend aus die kleine weiße chand zu stützen, die in
nervöser Aufregung hin und wieder leise zitterte. — N)ie waren
für sie doch die chlitterwochen so schön verflossen; Ldgar war
niemals von ihrer Seite gewichen, hatte allabendlich bis in die
Bacht hinein in ihre tiesdunkeln Augen liebend geblickt und
war nicht müde geworden, ihr von seiner Zärtlichkeit die be-
redtesten Beweise zu geben, und nun — —. Lines Abends hatte
er zu ihr gesagt: „Lieschen, ich muß auf einige Stunden aus-
gehen; Geschäftspflichten zwingen mich, noch einen Teil meiner
sreien Abendzeit zu opfern." — — Geschäftspflichten? — —
als ob diese ein Recht hätten, an eine junge Frau, die ihren
Gatten über alles liebt, nach vollbrachtem Tagewerke grausam
heranzutreten, um die des Tages über ohnehin schon zu lang
bemessene Trennung von ihm unrechtmäßigerweise zu verlängern.
Besorgt hatte sie ihn damals in die Arme geschlossen, seinen
zärtlichen Abschiedskuß mit der versicherung baldiger Rückkehr
empsangen und wirklich war er auch vor zehn Uhr abends zu-
rückgekehrt. wenige Tage hierauf hatte er an einem Abend
wieder Geschäftsxflichten vorgeschützt; inniger und besorgter

hatte sie ihn gebeten, bald zurückzukehren. Trotzdem war er
aber erst sehr spät wieder gekommen ; und als er gar das dritte
Nal mit seinen abscheulichen Geschästsxflichten vor sie trat,
hatte sie ihn fast drohend angeblickt, hatte die kleine Faust geballt,
um, als die Thüre hinter ihm ins Schloß gefallen war, in ein
konvulsivisches Schluchzen auszubrechen und sich als eine der
unglücklichsten Frauen der ganzen lvelt zu sühlen. Der Tm-
xfang gegen zwöls Uhr nachts war ein äußerst kühler und mit
vorwürsen gespickter. — — Ljeute jedoch, war sie wahrhaft un-
glücklich und sie nahm sich vor, ihm bei seiner Rückkehr einmal
tüchtig die Leviten zu lesen. — Die zierliche Alabasterstanduhr
zeigte bereits zwölf. — Tine bleierne Trägheit lagerte rings im
Zimmer. Schwersällig hörte sie die Uhr ticken und schwersällig
xochte ihr kjerz, dessen Schläge nach und nach in ein leidenschast-
liches Tempo übergingen. — Lndlich klingelte sie, im höchsten
Grade gereizt, ihrem Dienstmädchen, welches jedoch nicht erschien,
da es ohne UAssen seiner kjerrin ausgegangen war. Als
UUna schließlich ankam, sand sie ihre bjerrin in ihrer Ram-
mer mit surchtbarer Niene. Ein diabolischer Zug um den
Nkund hatte die junge Frau zu einer Rachegöttin umge-
wandelt und wuchtig sauste die chand derselben zweimal hinter-
einander auf die kvange des verdutzten Dienstmädchens nieder,
das stch eiligst mit einem Angstschrei hinter einem Schrank ver-
barg. Lrnst und majestätisch, wie sie gekommen war, wandte
 
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