rHeggendorfers Humoristische Blätter.
s08
„Mit meinein Lsut und Regen-
mantell" sage ich verblüfft, aber
Lmil wirbelt mich im Zimmer
herum: „Rriegst einen neuen,
Schatz, den alten lassen wir ihr als
Schmerzensgeldl"
„Und das hier kommt unter
Glassturz zur dankbaren Lrinn-
erung an die Tantenbesreiung,"
sagt kseinz und krabbelt mit dem
Spazierstock etwas Kleines, Graues
— „Ist das nicht großartig hier, Lserr Neier? Sehen Sie z. B. einmal den Soldaten dort
an: halb ist er gemalt und halb ausgestopst und sieht aus, als wenn er lebtel"
— „Was gibt's denn dabei zu staunen? Sehen Sie sich doch meine Frau an, die ist auch
halb gemalt und halb ausgestopft — und lebtl"
ausgesprungen, warf ein paar Sessel um, riickte an Tischen und
Rästen und ruft xlötzlich: „Unter dem Thiirspalt ist sie durch I"
wie besessen klopft Tmil an Tantes Thiire: „Schnell ausmachen,
und steigen Sie irgendwo hinausl" Als die Thüre aufgeht und
Tante Tini mit einem Satz das Fensterbrett erschwungen
hat, wo sie sich zeternd die Röcke zusammenhält, beginnt ein
neues Suchen und Leuchten unter Rästen und Betten. Lseinz
liegt platt aus der Lrde, den halben Mberkörper unter Tante
Tinis Bett und befördert mit seinen in alten Fechthandschuhen
steckenden ksänden eine ganze Aollektion von Pappschachteln an
das Tageslicht. Spitzenkrägen, Fichus und sonstige verschöner-
ungsmittel kollern auf den Boden. Bei diesem Bandalismus
zieht es die Ligentümerin der Rostbarkeiten vom Fensterbrett
herab und sie kommt Schritt sür Schritt näher, um des Rätsels
Lösung zu ergründen, als Emil einen Schrei ausstößt und unter
das Bett zeigt. Eine kleine graue Masse schießt hervor und
haarscharf neben Tante Tini, die halb ohnmächtig in einen
Stuhl sällt, unter einen Rasten hinein.
„Das war eine Ratte," stöhnt sie, „in meinem Zimmer eine
Rattel Ich kann nicht hier bleiben I"
kseinz und Lmil wechseln merkwürdige Blicke, als letzterer
Tante Tini beim Arm nimmt und sie zur Thüre hinausschiebt.
„Sie dürfen auch gar nicht hier bleiben, niemand dars in
diesem Zimmer bleiben, das muß abgesperrt und ausgeschwefelt
werden, denn diese Ratte — —"
„Mas ist's mit der Ratte?"
„Das ist keine gewöhnliche Ratte" — —"
„Sondern — — ?"
„Eine geimpste Ratte — —"
„Geimpst?"-
„Geimpft mit — — pestbazillenl"
Nie vorher und nie nachher
hat jemand das solgende Schauspiel
gesehen: Tante Tini hatte die
Sxrache verloren; in wortlosem
Entsetzen reißt sie die Augen auf,
gluckst und gurgelt, ohne einen Laut
hervorzubringen, während Heinz
und Emil im Lachkramxf ihre Röxfe
zusammenschlagen; sie bemerkte von
alldem nichts, in Schlasrock und
ksausschuhen wankt sie in das Vor-
zimmer, erwischt dort meinen
Regenpiantel und bsut, den sie
verkehrt aufsetzt und ist zur Thüre
hinaus. 2lls wir ihr neugierig
nachschauen, steigt sie gerade in
einen vorübersahrenden Fiaker und
haucht ihm zu: „Nordbahnhof!"
unter dem Rasten heroor, das er mir seierlich überreicht —
eine künftliche Maus mit Lauswerk, die die hinterlistigen Män-
ner vorher unter das Bett praktiziert und dann der armen
Tante unter die Füße gejagt hatten. —
Am nächsten Tag vergnügten sie sich dann noch, die zurück-
gebliebenen Effekten der Entflohenen zu schwefeln, welche Bos-
heit ich zwar verhindern wollte, doch bseinz meinte es sei zu
ihrer Beruhigunz und zu anderer Nutzen, denn „so lang ihre
Garderobe nach Schwesel stinkt, kann sie niemand besuchenl"
Und der Geruch mußte anhänglich sein, denn zweieinhalb
Monate hütete Tante Tini ihr eigenes kseim, dann erst begann
sie wieder ihre Runde. Aber zu uns kam sie niemals wieder.
Dem jungen Lerrn von * * * ins Starnrnbuch.
M^rotz nicht mit Deinem wörtlein ,von' —
Ist's gleich ein Freibrief für Dein Leben,
Rann's Dir doch nimmermehr, mein Sohn,
Den Adel der Gesinnung geben.
Bedenke nur zu jeder Frist —
Es pumpen gern
Oie jungen Lserrn —
Daß es Dein schönster Adel ist,
lvenn stets ein Mann — von lVort Du bist.
_ M. Lg.
Zukünftlges.
— „Und welchen Beruf hat Ihre jüngste Tochter erwählt?"
— „Die ist lenkbare Luftschifserin."
Im Vanorama.
verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
)n Desterreich-Ungarn sür Lserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in lVien I.
Verlag von I. F. Schreiber in München und Etzlingen.
s08
„Mit meinein Lsut und Regen-
mantell" sage ich verblüfft, aber
Lmil wirbelt mich im Zimmer
herum: „Rriegst einen neuen,
Schatz, den alten lassen wir ihr als
Schmerzensgeldl"
„Und das hier kommt unter
Glassturz zur dankbaren Lrinn-
erung an die Tantenbesreiung,"
sagt kseinz und krabbelt mit dem
Spazierstock etwas Kleines, Graues
— „Ist das nicht großartig hier, Lserr Neier? Sehen Sie z. B. einmal den Soldaten dort
an: halb ist er gemalt und halb ausgestopst und sieht aus, als wenn er lebtel"
— „Was gibt's denn dabei zu staunen? Sehen Sie sich doch meine Frau an, die ist auch
halb gemalt und halb ausgestopft — und lebtl"
ausgesprungen, warf ein paar Sessel um, riickte an Tischen und
Rästen und ruft xlötzlich: „Unter dem Thiirspalt ist sie durch I"
wie besessen klopft Tmil an Tantes Thiire: „Schnell ausmachen,
und steigen Sie irgendwo hinausl" Als die Thüre aufgeht und
Tante Tini mit einem Satz das Fensterbrett erschwungen
hat, wo sie sich zeternd die Röcke zusammenhält, beginnt ein
neues Suchen und Leuchten unter Rästen und Betten. Lseinz
liegt platt aus der Lrde, den halben Mberkörper unter Tante
Tinis Bett und befördert mit seinen in alten Fechthandschuhen
steckenden ksänden eine ganze Aollektion von Pappschachteln an
das Tageslicht. Spitzenkrägen, Fichus und sonstige verschöner-
ungsmittel kollern auf den Boden. Bei diesem Bandalismus
zieht es die Ligentümerin der Rostbarkeiten vom Fensterbrett
herab und sie kommt Schritt sür Schritt näher, um des Rätsels
Lösung zu ergründen, als Emil einen Schrei ausstößt und unter
das Bett zeigt. Eine kleine graue Masse schießt hervor und
haarscharf neben Tante Tini, die halb ohnmächtig in einen
Stuhl sällt, unter einen Rasten hinein.
„Das war eine Ratte," stöhnt sie, „in meinem Zimmer eine
Rattel Ich kann nicht hier bleiben I"
kseinz und Lmil wechseln merkwürdige Blicke, als letzterer
Tante Tini beim Arm nimmt und sie zur Thüre hinausschiebt.
„Sie dürfen auch gar nicht hier bleiben, niemand dars in
diesem Zimmer bleiben, das muß abgesperrt und ausgeschwefelt
werden, denn diese Ratte — —"
„Mas ist's mit der Ratte?"
„Das ist keine gewöhnliche Ratte" — —"
„Sondern — — ?"
„Eine geimpste Ratte — —"
„Geimpst?"-
„Geimpft mit — — pestbazillenl"
Nie vorher und nie nachher
hat jemand das solgende Schauspiel
gesehen: Tante Tini hatte die
Sxrache verloren; in wortlosem
Entsetzen reißt sie die Augen auf,
gluckst und gurgelt, ohne einen Laut
hervorzubringen, während Heinz
und Emil im Lachkramxf ihre Röxfe
zusammenschlagen; sie bemerkte von
alldem nichts, in Schlasrock und
ksausschuhen wankt sie in das Vor-
zimmer, erwischt dort meinen
Regenpiantel und bsut, den sie
verkehrt aufsetzt und ist zur Thüre
hinaus. 2lls wir ihr neugierig
nachschauen, steigt sie gerade in
einen vorübersahrenden Fiaker und
haucht ihm zu: „Nordbahnhof!"
unter dem Rasten heroor, das er mir seierlich überreicht —
eine künftliche Maus mit Lauswerk, die die hinterlistigen Män-
ner vorher unter das Bett praktiziert und dann der armen
Tante unter die Füße gejagt hatten. —
Am nächsten Tag vergnügten sie sich dann noch, die zurück-
gebliebenen Effekten der Entflohenen zu schwefeln, welche Bos-
heit ich zwar verhindern wollte, doch bseinz meinte es sei zu
ihrer Beruhigunz und zu anderer Nutzen, denn „so lang ihre
Garderobe nach Schwesel stinkt, kann sie niemand besuchenl"
Und der Geruch mußte anhänglich sein, denn zweieinhalb
Monate hütete Tante Tini ihr eigenes kseim, dann erst begann
sie wieder ihre Runde. Aber zu uns kam sie niemals wieder.
Dem jungen Lerrn von * * * ins Starnrnbuch.
M^rotz nicht mit Deinem wörtlein ,von' —
Ist's gleich ein Freibrief für Dein Leben,
Rann's Dir doch nimmermehr, mein Sohn,
Den Adel der Gesinnung geben.
Bedenke nur zu jeder Frist —
Es pumpen gern
Oie jungen Lserrn —
Daß es Dein schönster Adel ist,
lvenn stets ein Mann — von lVort Du bist.
_ M. Lg.
Zukünftlges.
— „Und welchen Beruf hat Ihre jüngste Tochter erwählt?"
— „Die ist lenkbare Luftschifserin."
Im Vanorama.
verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
)n Desterreich-Ungarn sür Lserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in lVien I.
Verlag von I. F. Schreiber in München und Etzlingen.