Meggendorfers Humoristische Blätter.
U0
Das Geheimnis.
akabum
ist ein
kleines Städt-
chen, es zählt
kaumfünfhun-
dert Lfäuser
und beiläufig
viertausend
Linwohner.
So groß war
es schon vor
zwanzig Iah-
ren und ist es
so bis zum
heutigen Tage
geblieben.
Ls besitzt außer den össentlichen Gebäuden nur noch wenige
durch Neuheit oder besonders schöne Bauart in die Augen fallende
ksäuser.
Seine Bewohner waren stets schlicht, mit Ausnahme der
wenigen von den sogenannten Zehntausend, welche, wie meistens
überall, sich durch alles, selten aber durch ein sreundliches bvesen
bemerkbar machen.
Aakabum hatte so ziemlich alles, was eine bessere, wie
man zu sagen xflegt, mit der Zeit sortgeschrittene Stadt be-
sitzen soll.
So hatte es denn unter anderem auch seine Zeitung. An-
sangs erschien dieselbe alle vierzehn Tage einmal, nachdem aber
ihre-Abonnentenzahl auf mehr als hundert angewachsen, erschien
sie allwöchentlich. Ihr Inhalt behandelte meistens die städtischen
Angelegenheiten, natürlich immer lobend, wer dürfte sich denn
auch erkühnen, etwas zu tadeln, was Stadtväter in ihrer be-
sonderen lveisheit anzuordnen sür gut finden. lVeiters bildeten
einen wesentlichen Inhalt dieser Zeitung die Neuigkeiten aus
Stadt und Umgebung, denn ein jedes Grtchen wollte doch auch
in jeder Nummer mit einer Neuigkeit, wenn sich dieselbe die
Spatzen auch schon auf den Dächern zugexfiffen hatten, vertreten
sein.
Auch Gedichte brachte die Zeitung ihren lieben Lesern und
noch lieberen Leserinnen, aber keine solchen von Schiller und
Göthe, oder anderen hervorragenden Dichtern der Einst- oder
Ietztzeit, nein, die Gedichte, welche diese veröffentlichte, waren
das lVerk der heimischen Dichtkunde.
Das Städtchen hatte nämlich seine drei Dichter, und zwar
einen Raufmann, einen Gastwirt und einen Bäcker. Sie waren
alle recht xroduktiv, sie würden mit ihren Leistungen wohl allein
die ganze lVochennummer gefüllt haben, wenn der Redakteur,
ein noch junger, aber energischer Mann, nicht so zurückhaltend
mit der An- und Aufnahme ihrer Geistesprodukte gewesen wäre.
Bevorzugt wurde von ihm keiner, es war daher zwischen den
Dichtern ein Neid nicht zu bemerken.
Doch es sollte nicht immer so bleiben hier unter dem wech-
selnden Mond, denn ganz unerwartet ging eines Tages am
städtischen Dichterhimmel ein neuer Stern aus.
Gerade als wieder einmal alle drei ihre Musenkinder aus
den Redaktionstisch gelegt hatten, kloxfte es an der Thüre und
auf das laute „kserein" des Redakteurs betrat das gefürchtete
bseiligtum sesten Schrittes ein Mann von beiläufig vierundzwan-
zig Iahren und überreichte auf die Frage: „Sie wünschen?"
dein Redakteur und kserausgeber, alles in einer jderson, ein
kleines jdäckchen mit den lVorten: „Es sind von mir verfaßte
Gedichte; ich bitte dieselben zu lesen und in der nächsten Nummer
Ihres sehr geschätzten Blattes wenigstens eines derselben ge-
fälligst erscheinen lassen zu wollen."
„Axroxos," suhr der Fremde fort, „da habe ich ja ganz
vergessen, daß Sie mich noch nicht kennen, ich erlaube mir da-
her, mich Ihnen vorzustellen: mein Name ist Versmann, bin
der Großneffe des vor vielen Iahren hier verstorbenen Bürgers
gleichen Namens, bin vor zwei Tagen hier angekommen und
denke hier meinen ständigen Aufenthalt zu nehmen."
„Das ist ja recht schön, mein lieber 6err versmann, aber
es thut mir leid, wahrhaftig leid, ich kann Ihren lVunsch schon
mit Rücksicht auf den beschränkten Raum des Blattes und den
großen Vorrat der bereits vorhandenen Gedichte mit dem besten
IVillen nicht erfüllen."
„G, wenn dies auch der Fall ist, bjerr Redakteur, so werden
Sie doch wohl die Gewogenheit haben, sowohl diese, als auch
meine serneren Gedichte, wenn ich es noch sür nötig erachte,
zum Abdrucke zu bringen, sollte Ihnen dies aber nicht möglich
sein, Lserr Redakteur, dann — — — — —-"
Tin lVeiteres vernahm nur noch der Redakteur, denn es
^ wurde ihm von dem Fremden in das Ghr geslüstert.
Unsere Dichter, welche Zeugen dieser Unterredung waren
und welche ob der ihrem neuen Aonkurrenten gewordenen Ab-
weisung bereits im Innern srofflockten, erschraken nicht wenig,
als sie gewahrten, wie sich plötzlich das Gesicht des Redakteurs
verfärbte und er mit einer Stimme, so lieb und wohlwollend,
wie sie dieselbe noch niemals vernommen hatten, dem Fremden
entgegnete: „Gewiß, gewiß, Lserr Versmann, es wird mir zur
Ehre gereichen, Ihnen dienen zu können."
Und als sich dieser nach kurzer Verbeugung zum gehen
wendete, begleitete er ihn noch zur Thüre und verabschiedete
sich von ihm mit einer tiefen verbeugung.
In dem nächsten Blatte erschienen drei Gedichte, Verfasser
derselben war der Dichter Versmann.
Und so ging es fort, jede Nummer brachte von ihm Ge-
dichte, während von den andern drei Dichtern nur noch hie und
da eines erschien.
U0
Das Geheimnis.
akabum
ist ein
kleines Städt-
chen, es zählt
kaumfünfhun-
dert Lfäuser
und beiläufig
viertausend
Linwohner.
So groß war
es schon vor
zwanzig Iah-
ren und ist es
so bis zum
heutigen Tage
geblieben.
Ls besitzt außer den össentlichen Gebäuden nur noch wenige
durch Neuheit oder besonders schöne Bauart in die Augen fallende
ksäuser.
Seine Bewohner waren stets schlicht, mit Ausnahme der
wenigen von den sogenannten Zehntausend, welche, wie meistens
überall, sich durch alles, selten aber durch ein sreundliches bvesen
bemerkbar machen.
Aakabum hatte so ziemlich alles, was eine bessere, wie
man zu sagen xflegt, mit der Zeit sortgeschrittene Stadt be-
sitzen soll.
So hatte es denn unter anderem auch seine Zeitung. An-
sangs erschien dieselbe alle vierzehn Tage einmal, nachdem aber
ihre-Abonnentenzahl auf mehr als hundert angewachsen, erschien
sie allwöchentlich. Ihr Inhalt behandelte meistens die städtischen
Angelegenheiten, natürlich immer lobend, wer dürfte sich denn
auch erkühnen, etwas zu tadeln, was Stadtväter in ihrer be-
sonderen lveisheit anzuordnen sür gut finden. lVeiters bildeten
einen wesentlichen Inhalt dieser Zeitung die Neuigkeiten aus
Stadt und Umgebung, denn ein jedes Grtchen wollte doch auch
in jeder Nummer mit einer Neuigkeit, wenn sich dieselbe die
Spatzen auch schon auf den Dächern zugexfiffen hatten, vertreten
sein.
Auch Gedichte brachte die Zeitung ihren lieben Lesern und
noch lieberen Leserinnen, aber keine solchen von Schiller und
Göthe, oder anderen hervorragenden Dichtern der Einst- oder
Ietztzeit, nein, die Gedichte, welche diese veröffentlichte, waren
das lVerk der heimischen Dichtkunde.
Das Städtchen hatte nämlich seine drei Dichter, und zwar
einen Raufmann, einen Gastwirt und einen Bäcker. Sie waren
alle recht xroduktiv, sie würden mit ihren Leistungen wohl allein
die ganze lVochennummer gefüllt haben, wenn der Redakteur,
ein noch junger, aber energischer Mann, nicht so zurückhaltend
mit der An- und Aufnahme ihrer Geistesprodukte gewesen wäre.
Bevorzugt wurde von ihm keiner, es war daher zwischen den
Dichtern ein Neid nicht zu bemerken.
Doch es sollte nicht immer so bleiben hier unter dem wech-
selnden Mond, denn ganz unerwartet ging eines Tages am
städtischen Dichterhimmel ein neuer Stern aus.
Gerade als wieder einmal alle drei ihre Musenkinder aus
den Redaktionstisch gelegt hatten, kloxfte es an der Thüre und
auf das laute „kserein" des Redakteurs betrat das gefürchtete
bseiligtum sesten Schrittes ein Mann von beiläufig vierundzwan-
zig Iahren und überreichte auf die Frage: „Sie wünschen?"
dein Redakteur und kserausgeber, alles in einer jderson, ein
kleines jdäckchen mit den lVorten: „Es sind von mir verfaßte
Gedichte; ich bitte dieselben zu lesen und in der nächsten Nummer
Ihres sehr geschätzten Blattes wenigstens eines derselben ge-
fälligst erscheinen lassen zu wollen."
„Axroxos," suhr der Fremde fort, „da habe ich ja ganz
vergessen, daß Sie mich noch nicht kennen, ich erlaube mir da-
her, mich Ihnen vorzustellen: mein Name ist Versmann, bin
der Großneffe des vor vielen Iahren hier verstorbenen Bürgers
gleichen Namens, bin vor zwei Tagen hier angekommen und
denke hier meinen ständigen Aufenthalt zu nehmen."
„Das ist ja recht schön, mein lieber 6err versmann, aber
es thut mir leid, wahrhaftig leid, ich kann Ihren lVunsch schon
mit Rücksicht auf den beschränkten Raum des Blattes und den
großen Vorrat der bereits vorhandenen Gedichte mit dem besten
IVillen nicht erfüllen."
„G, wenn dies auch der Fall ist, bjerr Redakteur, so werden
Sie doch wohl die Gewogenheit haben, sowohl diese, als auch
meine serneren Gedichte, wenn ich es noch sür nötig erachte,
zum Abdrucke zu bringen, sollte Ihnen dies aber nicht möglich
sein, Lserr Redakteur, dann — — — — —-"
Tin lVeiteres vernahm nur noch der Redakteur, denn es
^ wurde ihm von dem Fremden in das Ghr geslüstert.
Unsere Dichter, welche Zeugen dieser Unterredung waren
und welche ob der ihrem neuen Aonkurrenten gewordenen Ab-
weisung bereits im Innern srofflockten, erschraken nicht wenig,
als sie gewahrten, wie sich plötzlich das Gesicht des Redakteurs
verfärbte und er mit einer Stimme, so lieb und wohlwollend,
wie sie dieselbe noch niemals vernommen hatten, dem Fremden
entgegnete: „Gewiß, gewiß, Lserr Versmann, es wird mir zur
Ehre gereichen, Ihnen dienen zu können."
Und als sich dieser nach kurzer Verbeugung zum gehen
wendete, begleitete er ihn noch zur Thüre und verabschiedete
sich von ihm mit einer tiefen verbeugung.
In dem nächsten Blatte erschienen drei Gedichte, Verfasser
derselben war der Dichter Versmann.
Und so ging es fort, jede Nummer brachte von ihm Ge-
dichte, während von den andern drei Dichtern nur noch hie und
da eines erschien.