Neggendorfers Humoristische Blätter.
U8
Zarter (Leschäftsbetrieb.
— „Ich möchte ein recht schönes Aalbsherz."
— „Bitte drüben zu dem Gesellen; der befaßt sich mit den Lserzangelegenheitenl"
„Platzinspektion und Telegraphenkanzlei" trug. Weiter waren
noch ein tVartesaal, eine bescheidene Restauration und im ersten
Stock die Dienstwohnungen vorhanden.
Die Bewohner von Zwednitz, wie wir die Station nennen
wollen — rekrutierten sich einerseits aus dem 5tationschef,
kserrn Lauter samt Gattin, dem Aassierer 5till, einem Tele-
graphisten und dem Nagazinier, andererseits aus dem Restau-
rateur, dessen Lchwester und der Aöchin, die übrigens schon
beide Anspruch darauf hatten der Fußwaschung aktiv beiwohnen
zu dürfen.
Da in nächster Nähe von Zwednitz ein erlauchter Graf,
ein INinister und ein Finanzbaron ihre respektiven Schlösser
und Tusculums hatten, so hatte die Station eine gewisse Be-
deutung; sonft aber konnte man sie ganz gut mit einer ein-
samen Insel vergleichen.
Ts war daher ein großes Treignis, als die Generaldirektion
mittelst eines Ukases die Transferierung des verkehrsbeamten
Mayer nach Zwednitz anbefahl und dessen Eintreffen ankündigte.
Mayer genoß eine gewisse Berühmtheit und war außerdem der
Neffe eines bekannten Ministerialrates. Grund genug, daß der
Lhef bei seiner Ankunft die Sonntagsausgehmütze aufsetzte,
die Lhefin einen frisch gewaschenen himmelblauen Schlafrock
anzog und der Nagazinier seinen Taubenschlag giftgrün ange-
strichen hatte.
In tadelloser Galauniform und streng militärisch erstattete
der Angekommene dem Lhef die lNeldung seines Dienstantrittes,
wodurch er Lauter sofort für sich gewann. Bald gelang ihm
das auch mit den anderen Bewohnern, deren kleine Schwächen
er schnell erkannte. Lr fügte sich vollkommen in den eng-
gezogenen Areis, nur einmal in der lvoche fuhr er nach Tuch-
berg, der benachbarten Provinzhauptstadt, wovon er nie ab-
zuhalten war. Lr motivierte diese Fahrt immer mit einem
pflichtbesuch bei einer alten Tante,
doch gab es Leute, die wissen wollten,
doß diese Tante nicht nur nicht alt,
sondern überhaupt keine Tante sei, —
wenigstens von lNayer nicht.
Da fiel es plötzlich Sr. Mäjestät
dem Aönig von Aukuruzien ein,
mehreren lsöfen einen Besuch ab-
statten zu wollen, um dadurch auch
das Seinige zur Lrhaltung des Frie-
dens und zur vergrößerung der Staats-
ausgaben beizutragen; und nachdem
er so und so über Tuchberg und Zwed-
nitz fuhr, kam die Generaldirektion
dieser Lisenbahn natürlich in per-
manente Aufregung. Line Flut von
Lrlässen und Dienstbefehlen kündigte
den verkehr des Lsofseparatzuges an,
frische Lide mußten geleiftet werden,
jeder Schienenagel wurde auf seinen
Gesundheitszuftand untersucht, der
Generaldirektor ließ sich eine neue
Uniform machen, die Beamten wurden
geschunden, und die Teppiche geklopft
— kurz es ging zu wie in einer
Ameisenkolonie, und das Sprichwort:
„Viel Aöpfe, viel Sinne" trieb die
üppigsten Blüten.
Auch unser Ma^er war aufgeregt
und zwar deshalb, weil der lsofzug
gerade an einem Tag Zwednitz passieren
sollte, an dem er nach Tuchberg wollte. Iedes fühlende kserz
wird es daher verzeihlich finden, wenn Nayer das ganze
Aönigreich Aukuruzien mit einem Fluche belegte.
Lauter und Still hörten anscheinend teilnahmlos diesen
Gefühlsausbrüchen zu, als der Telegraphist, wie von einer plötz-
lichen Lingebung erfaßt, den Refrain von Bombardons Lied
aus dem Goldenen Areuz vor sich hin sang: „Ie nun man trägt,
was man nicht ändern kann." — „Ich aber nicht," wandte sich
Mayer an ihn und setzte hinzu: „lvetten wir, daß ich so sicher
doch fahre, als Sie nicht wissen, was das ist: es ist schwarz,
schreit, hat vier Füße und stiegt in der Luft?" — „Das weiß ich
allerdings nicht," gestand der Gefragte.
„Na sehen Sie I Zwei Raben sind's," sagte Mayer ganz
trocken. Der Telegraphist wurde starr wie Lots lVeib, 5till
ächzte, und der Stationschef griff nach dem Thürrahmen. „lsa,
ich verstehe," brüllte er, „Sie wollen mich sozusagen zwingen,
Ihnen zu helfen, denn sonst machen Sie am Lnde so einen
lvitz bei der Linfahrt des lfofzuges, und die Maschine wird
stehen! Aber ich kann nichts für Sie thun."
„Lrlauben Sie nur, daß ich etwas für mich thue," rief
Mayer, „statt nämlich erst mit dem personenzug zurückzukommen,
komme ich mit dem Schnellzug um acht Uhr vierundvierzig
Minuten. Der lsofzug fährt aber erst um neun Uhr vier Minuten
durch. Ich habe also volle zwanzig Minuten Zeit, um mich
vorschriftsmäßig zum Ausfahrtswechsel zu stellenl"
„Aber lferr von Ma^er," wandte Still ein, „da der Ver-
kehrschef hier den Zugsrapport entgegennimmt, so ist sicher, daß
schon vor dem Schnellzug ein Revisor kommt, was aber dann?"
„Lächerlich, lieber Freundl Der Revisor hat beim Tele-
graphenprotokoll genug zu thun, und das Aussteigen hier lassen
Sie meine Sorge sein. Bliebe höchstens die lvechselrevision.
Unterscheiden wir genau: lvenig Zeit, große Finsternis — und
der dienstfreie Magazinier hat dieselbe Stimme, wie ich."
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Zarter (Leschäftsbetrieb.
— „Ich möchte ein recht schönes Aalbsherz."
— „Bitte drüben zu dem Gesellen; der befaßt sich mit den Lserzangelegenheitenl"
„Platzinspektion und Telegraphenkanzlei" trug. Weiter waren
noch ein tVartesaal, eine bescheidene Restauration und im ersten
Stock die Dienstwohnungen vorhanden.
Die Bewohner von Zwednitz, wie wir die Station nennen
wollen — rekrutierten sich einerseits aus dem 5tationschef,
kserrn Lauter samt Gattin, dem Aassierer 5till, einem Tele-
graphisten und dem Nagazinier, andererseits aus dem Restau-
rateur, dessen Lchwester und der Aöchin, die übrigens schon
beide Anspruch darauf hatten der Fußwaschung aktiv beiwohnen
zu dürfen.
Da in nächster Nähe von Zwednitz ein erlauchter Graf,
ein INinister und ein Finanzbaron ihre respektiven Schlösser
und Tusculums hatten, so hatte die Station eine gewisse Be-
deutung; sonft aber konnte man sie ganz gut mit einer ein-
samen Insel vergleichen.
Ts war daher ein großes Treignis, als die Generaldirektion
mittelst eines Ukases die Transferierung des verkehrsbeamten
Mayer nach Zwednitz anbefahl und dessen Eintreffen ankündigte.
Mayer genoß eine gewisse Berühmtheit und war außerdem der
Neffe eines bekannten Ministerialrates. Grund genug, daß der
Lhef bei seiner Ankunft die Sonntagsausgehmütze aufsetzte,
die Lhefin einen frisch gewaschenen himmelblauen Schlafrock
anzog und der Nagazinier seinen Taubenschlag giftgrün ange-
strichen hatte.
In tadelloser Galauniform und streng militärisch erstattete
der Angekommene dem Lhef die lNeldung seines Dienstantrittes,
wodurch er Lauter sofort für sich gewann. Bald gelang ihm
das auch mit den anderen Bewohnern, deren kleine Schwächen
er schnell erkannte. Lr fügte sich vollkommen in den eng-
gezogenen Areis, nur einmal in der lvoche fuhr er nach Tuch-
berg, der benachbarten Provinzhauptstadt, wovon er nie ab-
zuhalten war. Lr motivierte diese Fahrt immer mit einem
pflichtbesuch bei einer alten Tante,
doch gab es Leute, die wissen wollten,
doß diese Tante nicht nur nicht alt,
sondern überhaupt keine Tante sei, —
wenigstens von lNayer nicht.
Da fiel es plötzlich Sr. Mäjestät
dem Aönig von Aukuruzien ein,
mehreren lsöfen einen Besuch ab-
statten zu wollen, um dadurch auch
das Seinige zur Lrhaltung des Frie-
dens und zur vergrößerung der Staats-
ausgaben beizutragen; und nachdem
er so und so über Tuchberg und Zwed-
nitz fuhr, kam die Generaldirektion
dieser Lisenbahn natürlich in per-
manente Aufregung. Line Flut von
Lrlässen und Dienstbefehlen kündigte
den verkehr des Lsofseparatzuges an,
frische Lide mußten geleiftet werden,
jeder Schienenagel wurde auf seinen
Gesundheitszuftand untersucht, der
Generaldirektor ließ sich eine neue
Uniform machen, die Beamten wurden
geschunden, und die Teppiche geklopft
— kurz es ging zu wie in einer
Ameisenkolonie, und das Sprichwort:
„Viel Aöpfe, viel Sinne" trieb die
üppigsten Blüten.
Auch unser Ma^er war aufgeregt
und zwar deshalb, weil der lsofzug
gerade an einem Tag Zwednitz passieren
sollte, an dem er nach Tuchberg wollte. Iedes fühlende kserz
wird es daher verzeihlich finden, wenn Nayer das ganze
Aönigreich Aukuruzien mit einem Fluche belegte.
Lauter und Still hörten anscheinend teilnahmlos diesen
Gefühlsausbrüchen zu, als der Telegraphist, wie von einer plötz-
lichen Lingebung erfaßt, den Refrain von Bombardons Lied
aus dem Goldenen Areuz vor sich hin sang: „Ie nun man trägt,
was man nicht ändern kann." — „Ich aber nicht," wandte sich
Mayer an ihn und setzte hinzu: „lvetten wir, daß ich so sicher
doch fahre, als Sie nicht wissen, was das ist: es ist schwarz,
schreit, hat vier Füße und stiegt in der Luft?" — „Das weiß ich
allerdings nicht," gestand der Gefragte.
„Na sehen Sie I Zwei Raben sind's," sagte Mayer ganz
trocken. Der Telegraphist wurde starr wie Lots lVeib, 5till
ächzte, und der Stationschef griff nach dem Thürrahmen. „lsa,
ich verstehe," brüllte er, „Sie wollen mich sozusagen zwingen,
Ihnen zu helfen, denn sonst machen Sie am Lnde so einen
lvitz bei der Linfahrt des lfofzuges, und die Maschine wird
stehen! Aber ich kann nichts für Sie thun."
„Lrlauben Sie nur, daß ich etwas für mich thue," rief
Mayer, „statt nämlich erst mit dem personenzug zurückzukommen,
komme ich mit dem Schnellzug um acht Uhr vierundvierzig
Minuten. Der lsofzug fährt aber erst um neun Uhr vier Minuten
durch. Ich habe also volle zwanzig Minuten Zeit, um mich
vorschriftsmäßig zum Ausfahrtswechsel zu stellenl"
„Aber lferr von Ma^er," wandte Still ein, „da der Ver-
kehrschef hier den Zugsrapport entgegennimmt, so ist sicher, daß
schon vor dem Schnellzug ein Revisor kommt, was aber dann?"
„Lächerlich, lieber Freundl Der Revisor hat beim Tele-
graphenprotokoll genug zu thun, und das Aussteigen hier lassen
Sie meine Sorge sein. Bliebe höchstens die lvechselrevision.
Unterscheiden wir genau: lvenig Zeit, große Finsternis — und
der dienstfreie Magazinier hat dieselbe Stimme, wie ich."