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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 44.1901 (Nr. 523-535)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16554#0128
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Meggendorsers Humoristische Blätter.

s20


„Lsorch, ist das nicht derSchritt und die Stimme meines lieben Männchens?!"

„Ia bei Gott, er ist es"-«Grüß Oich liebe — na Lsimmel

Sakral

So, da bin ich glücklich wieder bei Dir, teure Marille."

Es wäre auch wirklich die ganze Asfaire ruhmlos
ins Reich der Vergessenheit gesunken, wenn nicht einige
Zeit darnach der Vorresxondenzzug ein im wahren Sinne
gewichtiges Schreiben von der Generaldirektion gebracht
hätte. Lauter össnete kopsschüttelnd das riesige Gouvert,
wurde aber beim Lesen bald rot, bald blaß. Er rannte
hinüber in die Restauration, wo Still und Mayer eben
damit beschäftigt waren, den sreien Tag blau zu machen.
„Mayer," schrie er, „Mayer, Sie sind Rittervomwachsamen
Frosch l Ietzt haben wir die Bescherung auf dem bsals!"

Die beiden horchten erschreckt. Hatte sich Lauters
Geist umnachtet, oder hatte die Frau Thefin vergessen
den weinkeller zuzusxerren? Der Stationschef warf
stöhnend das Louvert aus den Tisch: „Da lesen Siel"
Und Mayer las: „In der Anlage erhalten Sie das
Ritterkreuz des königlich kukuruzischen Vrdens vom wach-
samen Frosch zur Aussolgung an den dortigen Beamten
Mayer. Gleichzeitig haben Sie jedochzu erheben und anher
zu berichten, wie sich der Genannte diese Dekorierung er-
klärt, da er nach der Dienstordre bei der allerhöchsten
Reise lediglich die Ausfahrt zu überwachen hatte, und
daher auch von hier aus kein vorschlag ersolgte."

Mayer lachte aus vollem Lsalse. „Deswegen, Lserr
Stationschef, heißen Sie doch noch nicht ,Feitell," ries
er endlich, „die Geschichte ist doch sehr einsach. Der
Lserr, mit dem ich sprach, hat eben, wie ich gerne glaube,
ohne wissen der Direktion den Borschlag gemacht. Nun,
jetzt heißt's pater peccavi sagen und den Gnkel bitten,
daß er eine eventuelle „Entgleisung" verhüten möge."

Lauter beruhigte sich, als er so bestimmt von der
Intervention des Ministerialrates reden hörte, und bald
waren alle Stationsinsassen versammelt, um den neuen
Mrdensritter gebührend zu seiern.

Und Mayer hielt wort. Lr verfaßte einen langen
Bericht, indem er alle Schuld aus sich nahm, schrieb
aber gleichzeitig einen Brief an den Gnkel Ministerial-
rat. Postwendend kam die Antwort. Trotz der Iahre
und seiner Stellung hatte der alte bserr die eigene
Iugend nicht vergessen und huldigte der seltenen An-
sicht, daß ein toller Streich noch lange nicht sonstige
Tüchtigkeit ausschließe. Er versprach ein gnädiges Ur-
teil zu erwirken, gab aber seinem Nefsen den Rat, sich
in kjinkunft Vrden auf „ehrliche" Art zu erwerben.

Drei Tage darauf war auch schon das angekündigte
Urteil in Zwednitz. Gegen die Länge dieser „Nasen"
wäre der Lisselthurm wie ein Zahnstocher erschienen.
„Im Grunde," „mit Bezug," „in Lrwägung" und „in
Lrinnerung" einer wahren Sintflut von sdaragraphen,
wurde den Uebelthätern die höchst zulässige Geldstrafe
zuerkannt, Mayer aber außerdem noch versichert, daß
bei dem geringsten vorkommnis die „schärfsten Maß-
regeln" ergrissen würden.

„ksa, ich verstehe," ries Lauter nach Beendigung
dieser Lektüre, „Mayer, Sie sind eben Ritter mit Nach-
sicht der Verdienste und in Anerkennung der Taxen
geworden, zu denen auch wir unser Scherflein beitragen
müssen. Auch gutl Ietzt ist endlich Ruhel"

Mayer aber nahm sich die „Nase" der hohen General-
direktion, sowie den wohlgemeinten Rat seines Gnkels
zu Lserzen; es ist ihm aber trotzdem bis zum heutigen
Tage noch nicht gelungen, dem „wachsamen Frosch"
einen Nachfolger zu geben.

Berantwortlicher Redakteur: Max Schreiber, Druck von I. F. Schreiber, beide in Eßlingen bei Stuttgart.
In Gesterreich-Ungarn füx Lserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in wien I.
Verlag von I. F. Schrribrr in München und Etzlingen.
 
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