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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 44.1901 (Nr. 523-535)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16554#0150
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2Neggendorsers Humoristische Btätter.


Druckfehler.


^Kirza ^abiö-ullah und seine Söhne.

k)umore;ke von Otto Hanser.

ie ich nach j)ersien berufen ward, ist eine Geschichte
fnr sich. Ich will nur bemerken, daß ich ineine Be-
rufung zweifellos Gsinan-jdascha, meinem Gönner,
dem ich bei einer Bärenjagd iin Sandschak das Leben rettete,
verdankte. Es ist weiters bekannt, daß inan, auch wenn man
schon vorher j)ersisch getrieben hat, doch gezwungen ist, in j)er-
sien sich einen Mirza zu nehmen, um sich in der Landessprache
zu vervollkommnen und den eigentumlichen Tonfall zu lernen.
Da ich fnr zehn Iahre engagiert war, kann es nicht verwun-

dern, daß ich meine Frau mitnahm und sie wieder darauf be-
stand, auch ihre Köchin und ihr Stubenmädchen mitzunehmen.
Von den Ländern, die wir durchreisten, sahen wir rein gar
nichts. lvaren noch andere Reisende im Toupe, so stellten sich
natürlich die an die Fenster, waren wir allein, sprachen wir
zur Uebung Persisch untereinander. Ich begann gewöhnlich:

lrewL cbioscli est, ckejli clloscki — heute ist ein
sehr schönes wetter."

„Lzi, bzcl" rief meine Frau, — „gewiß, gewiß . . . ."

Und dann wurde mercl, „Mann", abgewandelt: mercl^-men,
„mein Mann", merclzi-tu, „dem Nann", u. s. w.

Ich hatte auch den beiden dienstbaren Geistern eine kleine
Grammatik gekauft und ihnen den scharfen Auftrag gegeben,
unterwegs ebenfalls zu lernen.

Und so kamen wir endlich in Tebriz an. von der Regie-
rung war mir als Ingenieur in staatlichen Diensten ein alter
halbverfallener jdalast als Wohnung angewiesen, hinter dem
sich ein reicher, verwilderter Rosengarten den Berg hinanzog.
Die Zimmer waren sehr geräumig und luftig. Linige euro-
päische Utöbel wurden bald angeschafft und was noch fehlte,
einstweilen durch persische Gerätschaften ersetzt.

Der erste Lindruck, den ich gewann, war ein sehr guter.
Ich schickte nämlich um einen Särteraz, einen „Kopfscherer",
und ließ mich rasieren. Lr wollte mich zwar zuerst meiner weni-
gen ksaupthaare berauben, aber nachdem ich ihm mit energischen
Lsandbewegungen angedeutet hatte, daß ich ums Kinn rasiert
sein wolle, ging er an diese Arbeit mit unglaublicher Zartheit.
Ich war ganz entzückt und bedauerte nur, ihm meine Bewun-
derung nicht in einigen schönen persischen Sätzen ausdrücken zu
können, ich flüsterte nur immer wieder:

„(Aiub, cbinb, ckiejli ckiub — sehr gut."

chast ebensolches Glück hatte ich, als ich einen Lehrer suchte;
ich fand ihn in Nirza Lsabib-ullah, einem Mann in den vier-
zigern, mit schönem, schwarz gelocktem Barte, glatt geschorenem
Kopfe, maNdelförmigen Augen, olivenfarbigem Teint und wohl-
gepflegten bsänden. Lr sollte mir und meiner Frau und auch
den beiden Mädchen Stunden geben, Konversation — gewisfer-
maßen Berlitz-Methode. N)ir selbft bestrebten uns, auch im
internen verkehr das reinste jdersisch zu sprechen, mußten uns
allerdings hinterher meist deutsch sagen, was wir wollten.

Immer mehr lernte ich bewundern, wie höflich die jderser
miteinander sprechen und nahm mir vor, gegebenen Falls selbst
das Nnangenehmste mit ksöflichkeit zu erwidern. Ich hatte bald
Gelegenheit dazu.

Eines Tages nämlich war meine Frau verhindert, an der
Stunde teilzunehmen und ich saß meinem Lehrer allein gegen-
über. Ich bemerkte seine Unruhe und fragte daher:

„Mirza, was für Gedanken kräuseln den wasserspiegel
Deiner Seele?"

„Indschvnir-Lffendi," antwortete mein Lehrer, „Du hast
eine schöne Frau."

„Lzi, bzi," rief ich, „wie freut es mich, daß fie Gnade ge-
funden hat vor Deinen Augen, Mirzal"

„Indschynir-Lffendi," sagte Lsabib-ullah und wiegte wieder
den Kopf, „stelle ihr einen Scheidebrief ausl Siehe, ihr kserz
und mein bserz sind ein bserz und sie soll es bei mir haben
wie eine prinzessin . . ."

„Mirza," unterbrach ich ihn, „woher weißt Du, daß ihr
kjerz und Deines eines sind?"

„Indsch^nir-Lffendi," erwiderte er ruhig, „weißt Du nicht,
daß die Sprache der Liebe dieselbe ist unter allen Menschen?
ein kjändedruck, ein Blick . . ."
 
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