Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 44.1901 (Nr. 523-535)

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.16554#0151
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INeggendorfers humoristische Blätter.

^3

Ich stand auf. „lNirza, wenn es so ist, wie Du sagst, gehe hin und
schicke mir einen anderen Lehrer. Du begehrst Unmöglichcs von mir . . ."

Und Mirza Lsabib-ullah ging, nachdem er mich ehrerbietig gegrüßt hatte,
mit gelassenen Schritten aus meinem Zimmer. Ich bewunderte mich selbst,
daß ich ihn nicht schneller hinaus befördert hatte.

Am nächsten Tage meldete sich ein Iüngling als der neue Lehrer, dcn
ksabib-ullah zu mir gesendet habe. Ich ließ ihn vor.

„Iunger Mann", sprach ich, „bist Du nicht der Sohn Lsabib-ullahs, des
edlen Nirza? und wie ist dein Name?"

„Indschynir-Esfendi," erwiderte der Iüngling mit einer tiefen Derneigung,
„Deine lVeisheit reicht mit ihrem Scheitel bis an die lvolken; ich bin der Sohn
lsabib-ullahs, Deines Knechtes, und Iussus ist mein Naine."

Ich nahm ihn als Lehrer an, war aber nicht wenig erstaunt, als er
etwa nach einem Monat, da ich wieder einmal mit ihm allein war, ebenfalls
crklärte, daß er meine Frau liebe. Ich beschloß, ihm gegenüber den väterlichen
Freund zu spielen.

„Iunger Mann," sagte ich, „was Du mir sagst, erfreut mich, wie der
Anblick blühender Mandelbäume im Frühling. Aber siehe, meine Frau ist
alt . . ."

„^IIuü Äluml" unterbrach mich der Iüngling seurig, „Gott weiß es besser l
Deine Frau ist jung, und ich weiß, daß sie mich liebt. Indschynir-Lffendi,
ich zähle auf Deine Großmut. Sie selbst hat mir gesagt, ich soll von Dir den
Scheidebrief sür sie verlangen . . ."

„Iunger Mann," ries ich, „wenn es so ist, wie Du sagst, gehe hin und
sende mir einen anderen Lehrer, denn . . ."

Iussuf beteuerte seine Liebe und beschwor meine Großmut, aber ich blieb,
wie sich denken läßt, mehr als zurückhaltend; endlich wies ich ihm die Thüre

„Siehe," sagte ich, „durch diese Thüre bist Du hereingekommen, sie steht
offen, damit Du durch sie hinausgehst. Allah mit Dirl"

Traurig ging Iussus sort. Am nächsten Tage erschien ein anderer Iüngling
bei mir; er nannte sich bsassan und Bruder Iussuss. Ich kannte nun diese
Lamilie schon zur Genüge, aber neugierig war ich, ob auch er sich in meine
Frau, die osfenbar von all dem nichts ahnte, verlieben werde. Und diese Neu-
gierde veranlaßte mich, ihn aufzunehmen.

„Iüngling," sagte ich warnend zu ihm, „sei weise I Lin Thor ist, wer
die ksand nach den Sternen ausstrecktl so ähnlich hat einer der Dichter meines
Volkes gesagt . . ."

„Ls war ein weiser Dichter," sagte der Iüngling mit ernsten Mienen,
vollkommen vertrauen erweckend.

Aber schon nach vierzehn Tagen trat ksassan auf der Straße zu mir und
begann stockend:

„Indschynir-Lffendi, ich bin einer der Thoren, von denen Du sprachst.
Deine Frau . . ."

„Mein Sohn," erwiderte ich, „geh hin zu Deinem Vater und bitte ihn
um Stockschläge. Denn sürwahr, Deine Thorheit ist groß wie Allahs Meisheit.
Und schicke mir keinen Lehrer, ich will mir selbst einen suchen, aber ihn schwören
lassen, daß er nicht mit euch verwandt ist . . :"

„So will ich . . ." ries Hassan.

„Nein," unterbrach ich ihn, „trink Liswasser und lies im Uoran!" und
damit ging ich sort.

Am andern Morgen warteten ich und ineine Frau umsonst aus den Aaffee
und selbst aus längeres Rlingeln ließ sich nichts hören. Meine Frau ging nun
in die Aüche und kam mit einem Brief zurück. Sie las die Aufschrist „Gnädiger
kjerr und gnädige Frau", dann gab sie ihn mir. Ich erbrach ihn und ent-
zifferte nun in etwas ungelenkigen Zügen:

„Anedige Herr und knedige Frau l Sinsi nit pes, daß mir simme surt.
Ale, wenn Herz will, muß den Mensch. Ten knedige kjerr hat sie nit wollen
und so simme furt mit unsre gelibte Iussuf und bsassan."

Dann solgten die beiden Unterschriften Marischka und Apollonia und in
persischen Lettern die der beiden Liebhaber.

Lben wollte ich meiner Frau erzählen, was ich mit den drei Lehrern
erlebt hatte, als Mirza kjabib-ullah eintrat. Lr war sehr erregt. Ich war
überzeugt, daß er nun meine wirkliche Frau werde haben wollen.

(Fortsetzung nächste Seite.)

Warum woht?

:arum wohl mögen hohe kjerrn
Stets Gegenstand des Tadels sein?"
„Der Blitz, Freund, schlägt besonders gern
In Bäume, die recht hoch sind, einl"

G. Seuffcr.
 
Annotationen