Meggendorfers Humoristische Blätter.
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Ärktärt.
— „lvieder famoser Witz, Iraf . . Wo Sie nur allen Ieift her haben?" — „Lrblich, mein Lieber . . vorfahren ejal
vernunftehen jeschloffen."
Die SchwesLer.
in netter junger Mann I wirklich, ein netter junger
Mann, dieser Doktor Lrnst mit seinem schneidig aufge-
wirbelten schwarzen Schnurrbart, mit seinen freundlichen,
vertrauenerweckenden Augenl 5o dachten nicht bloß die jugend-
lichen patientinnen des jungen Arztes, sondern sogar der ge-
strenge kjerr Stationsvorstand, der soeben sich darüber verwun-
derte, wie aufgeregt der sonst so gesetzte und ruhige kjerr auf
dem j)erron hin und her rannte. Daß Doktor Lrnst ein beson-
ders einnehmendes Aeußeres und ein ebensolches wesen besaß,
dürfen wir somit ohne weiteres als ausgemacht ansehen: das
Urteil des Stationsvorstehers ist in dieser Beziehung maßgebend;
denn wer hätte je gehört oder erlebt, daß ein solcher gewaltiger
Beamter ein Schmeichler wäre? Im Gegenteil l
So kann es uns auch nicht wundernehmen, daß Doktor Lrnst
in der kurzen Zeit, die er nun in kserbrechtingen weilte, sich
schon eine ansehnliche praxis erworben hatte, obgleich ganz in
der Nähe in Giengen bereits ein tüchtiger und sehr beliebter
Arzt ansäßig war. was aber den sonst so kaltblütigen jungen
Mann heute um seine klassische Ruhe gebracht hatte, war ein
ganz besonderer Umstand: er erwartete nämlich seine Schwesterl
wenn ein Arzt sich einmal fest niederläßt, sollte er alsbald
heiraten: das that aber Doktor Ernst nicht. Lr litt zwar durch-
aus an keiner Lhescheu; dagegen war er Idealist, — ein un-
schätzbarer vorzug an einem Arzte l — und als solcher Idealist
hatte er sich von seiner Zukünftigen ein so herziges Idealbild
zurecht gemacht, daß alle heiratsfähigen, und somit heiratslust-
igen Damen seiner Bekanntschaft sein kjerz nicht gewinnen
konnten, da sie allzuwenig seinem Ideale entsprachen.
vergeblich schlugen ihm seine Lltern die vortrefflichsten
partien vor: ihr verwöhnter wilhelm erklärte, niemals gegen
seine „Grundsätze" einen nüchternen, verständigen Lhebund ein-
gehen zu wollen: dieser wichtigste Schritt des Lebens sei Herzens-
sache. So wurde denn im Familienrate beschlossen, wilhelms ein-
zige Schwester, Else, solle ihm einstweilen die ksaushaltung führen.
Mit dem nächsten Zuge nun sollte Else eintreffen; und, so
eigentümlich es klingen mag, dies war der Grund von des Dok-
tors außergewöhnlicher Erregung: wie mochte die Schwester
wohl sein? war sie liebenswürdig, häuslich, nachgiebig? wie
sah sie wohl aus? kjübsch oder häßlich oder nichtssagend?
Auf Photographien kann man ja nicht gehen; retouchiert doch der
jdhotograxh aufs xeinlichste gerade die weiblichen Lichtbilder, da
er weiß, daß seine Rundinnen ihr Bild niemals getroffen
finden, wenn es ihnen nicht bedeutend schmeichelt. Bei des
Doktors ausgesxrochenem Schönheitssinn, war es für ihn durch-
aus kein nebensächlicher Umstand, ob ihm die Schwester auch
äußerlich gesalle.
Um übrigens dem Leser diese Zweisel zu erklären, müffen
wir nachtragen, daß Dr. Ernst seine Schwester so gut wie gar
nicht kannte. Sein vater war Rurarzt in einem von Deutschen
viel besuchten Rurort Italiens; in seinem vierzehnten Iahre
wurde wilhelm aus ein deutsches Gymnasium geschickt; damals
war seine Schwester Llse erst neun Iahre alt; und als er nach
vier Iahren, als Abiturient seinen ersten Besuch zu ksause
machte, war sie soeben in eine norddeutsche pension verbracht
worden, in der sie sünf Iahre verblieb, bis sie nun, achtzehn-
jährig, berufen wurde, den ksaushalt ihres Bruders zu leiten.
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Ärktärt.
— „lvieder famoser Witz, Iraf . . Wo Sie nur allen Ieift her haben?" — „Lrblich, mein Lieber . . vorfahren ejal
vernunftehen jeschloffen."
Die SchwesLer.
in netter junger Mann I wirklich, ein netter junger
Mann, dieser Doktor Lrnst mit seinem schneidig aufge-
wirbelten schwarzen Schnurrbart, mit seinen freundlichen,
vertrauenerweckenden Augenl 5o dachten nicht bloß die jugend-
lichen patientinnen des jungen Arztes, sondern sogar der ge-
strenge kjerr Stationsvorstand, der soeben sich darüber verwun-
derte, wie aufgeregt der sonst so gesetzte und ruhige kjerr auf
dem j)erron hin und her rannte. Daß Doktor Lrnst ein beson-
ders einnehmendes Aeußeres und ein ebensolches wesen besaß,
dürfen wir somit ohne weiteres als ausgemacht ansehen: das
Urteil des Stationsvorstehers ist in dieser Beziehung maßgebend;
denn wer hätte je gehört oder erlebt, daß ein solcher gewaltiger
Beamter ein Schmeichler wäre? Im Gegenteil l
So kann es uns auch nicht wundernehmen, daß Doktor Lrnst
in der kurzen Zeit, die er nun in kserbrechtingen weilte, sich
schon eine ansehnliche praxis erworben hatte, obgleich ganz in
der Nähe in Giengen bereits ein tüchtiger und sehr beliebter
Arzt ansäßig war. was aber den sonst so kaltblütigen jungen
Mann heute um seine klassische Ruhe gebracht hatte, war ein
ganz besonderer Umstand: er erwartete nämlich seine Schwesterl
wenn ein Arzt sich einmal fest niederläßt, sollte er alsbald
heiraten: das that aber Doktor Ernst nicht. Lr litt zwar durch-
aus an keiner Lhescheu; dagegen war er Idealist, — ein un-
schätzbarer vorzug an einem Arzte l — und als solcher Idealist
hatte er sich von seiner Zukünftigen ein so herziges Idealbild
zurecht gemacht, daß alle heiratsfähigen, und somit heiratslust-
igen Damen seiner Bekanntschaft sein kjerz nicht gewinnen
konnten, da sie allzuwenig seinem Ideale entsprachen.
vergeblich schlugen ihm seine Lltern die vortrefflichsten
partien vor: ihr verwöhnter wilhelm erklärte, niemals gegen
seine „Grundsätze" einen nüchternen, verständigen Lhebund ein-
gehen zu wollen: dieser wichtigste Schritt des Lebens sei Herzens-
sache. So wurde denn im Familienrate beschlossen, wilhelms ein-
zige Schwester, Else, solle ihm einstweilen die ksaushaltung führen.
Mit dem nächsten Zuge nun sollte Else eintreffen; und, so
eigentümlich es klingen mag, dies war der Grund von des Dok-
tors außergewöhnlicher Erregung: wie mochte die Schwester
wohl sein? war sie liebenswürdig, häuslich, nachgiebig? wie
sah sie wohl aus? kjübsch oder häßlich oder nichtssagend?
Auf Photographien kann man ja nicht gehen; retouchiert doch der
jdhotograxh aufs xeinlichste gerade die weiblichen Lichtbilder, da
er weiß, daß seine Rundinnen ihr Bild niemals getroffen
finden, wenn es ihnen nicht bedeutend schmeichelt. Bei des
Doktors ausgesxrochenem Schönheitssinn, war es für ihn durch-
aus kein nebensächlicher Umstand, ob ihm die Schwester auch
äußerlich gesalle.
Um übrigens dem Leser diese Zweisel zu erklären, müffen
wir nachtragen, daß Dr. Ernst seine Schwester so gut wie gar
nicht kannte. Sein vater war Rurarzt in einem von Deutschen
viel besuchten Rurort Italiens; in seinem vierzehnten Iahre
wurde wilhelm aus ein deutsches Gymnasium geschickt; damals
war seine Schwester Llse erst neun Iahre alt; und als er nach
vier Iahren, als Abiturient seinen ersten Besuch zu ksause
machte, war sie soeben in eine norddeutsche pension verbracht
worden, in der sie sünf Iahre verblieb, bis sie nun, achtzehn-
jährig, berufen wurde, den ksaushalt ihres Bruders zu leiten.