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eggendorfers L) unioristische Blätter
„Aber ich glaube auch wirklich, daß ich ihr recht gleich-
gültig bin."
Agathe wußte den arinen Liebhaber schließlich zu trösten,
und dann sxrachen sie wieder über andere Dinge.
Zwei tVochen waren etwa vergangen, als Agathe eines
Tages während der gewohnten j?lauderstunde sagte:
„5o gerne ich Ihnen gefällig bin, bserr von 5teller, diese
heutige Lrmutigungsstunde ist die letzte gewesen. Mama nimmt
daran Anstoß, und obgleich ich es bedaure, muß ich mich ihrem
Gebote doch beugen. Auch denke ich, wenn Ihnen die Tr-
mutigung bis jetzt nichts geholfen hat —"
„Nein, sie hat gar nichts geholfen, und ich muß Ihnen
nun ein Geständnis machen, Fräulein Agathe, ich habe dieser
Grmutigung zuletzt gar nicht mehr bedurft, ich habe den IVunsch
aufgegeben, Ihre Fräulein 5chwester, die berühmte 5chönheit,
an mich zu fesseln."
„IVirklich? Da thut es mir aber leid, daß ich Ihnen so
wenig nützen konnte."
„Die 5tunden, die ich hier mit Ihnen verlebt habe, Fräu-
lein Agathe," rief der 5ekretär feurig, „werden mir stets un-
vergeßlich sein, denn," platzte er plötzlich heraus, ,stch liebe Sie
und nur 5ie, und ich bitte Zie hiermit um Ihre Vand."
Lin halbes Iahr war vergangen. kserr von Lteller und
Agathe waren glücklich verheiratet und befanden sich auf der
bsochzeitsreise.
Und als sie einst in der Dämmerung allein auf einer Ter-
rasse am Golf von Neapel saßen, begann der junge Lhemanni
„Ltets habe ich einen großen Begriff von Deiner Nlugheit
gehabt, aber einmal hast Du Dich doch gründlich getäuscht,
nämlich als Du mir das Rezept gabst, Deine Lchwester zu ge-
winnen."
„Ich habe mich nicht getäuscht," flüsterte Agathe, „denn
das Rezext war falsch."
„Du hast mich also —"
„Absichtlich getäuscht, allerdingsl Vder glaubst Du, ich
hätte dem Atann, den ich schon liebte, noch ehe er mich liebte
eine andere so ohne weiteres in die Arme geführt?"
Der junge Lhemann umarmte seine Frau zärtlich.
„Glaubst Du denn, daß ich Irene gewonnen hätte, wenn
Du mir das richtige Rezept gesagt hättest?"
„Unbedingtl Ls gibt Liebesrezepte, die bei normalen
Ulännern und Frauen immer wirken."
„Also gibt es vielleicht ein Rezept, das Du bei mir an-
gewandt hast, Agathe?"
„Lelbstverständlich I Tin Rezept das bei allen Ulänuern
wirkt."
„Und das wäre?"
„Ich habe Dir geschmeichelt."
„Aber davon müßte ich doch etwas wissen, liebes Rind."
„Du hast also nichts gemerkt."
„Nein, wirklich nicht."
„Daß ich stets Deine glänzenden Ligenschaften hervorhob —"
„Ia gewiß, Du warst die Linzige, die mich nach Verdienst
würdigte."
Linen Augenblick überlegte Agathe, dann erwiderte sie
tapfer: „Die Dir schmeichelte."
„wie — ?"
„Ich habe Dir gesagt, Du besäßest Nut und Unerschrocken-
heit und eine entsxrechende ksaltung. In wahrheit bist Du
ziemlich uneutschlossen und Deine chaltung ist eine nachlässige.
Ich schmeichelte Dir, Du wärest ein Don Iuan, während ich
meine, daß Du in der That nicht viele chrauenherzen gebrochen
haben wirst. Ich sxiegelte Dir vor, daß Du längst meine
Aufmerksamkeit erregt hättest, noch ehe Du mich kanntest, jedoch
hatte ich das, was ich von Deiner Vergangenheit wußte, nur
vom lhörensagen. Ich sagte Dir, Du wärest ein Mann, der die
ernste Unterhaltung liebt und keine saden Lchmeicheleien sagt,
und doch war Deine Unterhaltung so miserabel, wie die der
meisten jungen Leute, — ausgenommen mir gegenüber, denn
Du sühltest Dich zu mir hingezogen, nicht wahr? Ich log Dir
vor, mein Vater hätte behauptet, Du wärest einer der gescheitesten
Beamten. Die wahrheit ist, daß mein Vater, als ich von Dir
sprach, meinte: ,D der taugt so wenig wie die andern? Du
siehst, ich bin ganz ausrichtig aus die Gesahr hin, daß Du einen
Tag lang mit mir schmollen wirst."
„Nein, das werde ich nicht, liebe Agathe, angenehm war
dieses Lturzbad zwar gerade nicht, aber ich habe allerlei daraus
gelernt, zuin Beispiel, daß ich eine der klügsten chrauen habe."
Aatate ^öflichkeit.
geht, leise zu den letzterens: „Daß ihr mir aber nicht vor jedem
Gerichtsvollzieher, der uns begegnet, einen Rnir machtl"
Vom Kasernenhof.
Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei svtuttgart.
In Vesterreich-Ungarn sür kserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in wien I.
Vrrlag von I. F. Schrriber in Mnnchen und Etzlingrn.
eggendorfers L) unioristische Blätter
„Aber ich glaube auch wirklich, daß ich ihr recht gleich-
gültig bin."
Agathe wußte den arinen Liebhaber schließlich zu trösten,
und dann sxrachen sie wieder über andere Dinge.
Zwei tVochen waren etwa vergangen, als Agathe eines
Tages während der gewohnten j?lauderstunde sagte:
„5o gerne ich Ihnen gefällig bin, bserr von 5teller, diese
heutige Lrmutigungsstunde ist die letzte gewesen. Mama nimmt
daran Anstoß, und obgleich ich es bedaure, muß ich mich ihrem
Gebote doch beugen. Auch denke ich, wenn Ihnen die Tr-
mutigung bis jetzt nichts geholfen hat —"
„Nein, sie hat gar nichts geholfen, und ich muß Ihnen
nun ein Geständnis machen, Fräulein Agathe, ich habe dieser
Grmutigung zuletzt gar nicht mehr bedurft, ich habe den IVunsch
aufgegeben, Ihre Fräulein 5chwester, die berühmte 5chönheit,
an mich zu fesseln."
„IVirklich? Da thut es mir aber leid, daß ich Ihnen so
wenig nützen konnte."
„Die 5tunden, die ich hier mit Ihnen verlebt habe, Fräu-
lein Agathe," rief der 5ekretär feurig, „werden mir stets un-
vergeßlich sein, denn," platzte er plötzlich heraus, ,stch liebe Sie
und nur 5ie, und ich bitte Zie hiermit um Ihre Vand."
Lin halbes Iahr war vergangen. kserr von Lteller und
Agathe waren glücklich verheiratet und befanden sich auf der
bsochzeitsreise.
Und als sie einst in der Dämmerung allein auf einer Ter-
rasse am Golf von Neapel saßen, begann der junge Lhemanni
„Ltets habe ich einen großen Begriff von Deiner Nlugheit
gehabt, aber einmal hast Du Dich doch gründlich getäuscht,
nämlich als Du mir das Rezept gabst, Deine Lchwester zu ge-
winnen."
„Ich habe mich nicht getäuscht," flüsterte Agathe, „denn
das Rezext war falsch."
„Du hast mich also —"
„Absichtlich getäuscht, allerdingsl Vder glaubst Du, ich
hätte dem Atann, den ich schon liebte, noch ehe er mich liebte
eine andere so ohne weiteres in die Arme geführt?"
Der junge Lhemann umarmte seine Frau zärtlich.
„Glaubst Du denn, daß ich Irene gewonnen hätte, wenn
Du mir das richtige Rezept gesagt hättest?"
„Unbedingtl Ls gibt Liebesrezepte, die bei normalen
Ulännern und Frauen immer wirken."
„Also gibt es vielleicht ein Rezept, das Du bei mir an-
gewandt hast, Agathe?"
„Lelbstverständlich I Tin Rezept das bei allen Ulänuern
wirkt."
„Und das wäre?"
„Ich habe Dir geschmeichelt."
„Aber davon müßte ich doch etwas wissen, liebes Rind."
„Du hast also nichts gemerkt."
„Nein, wirklich nicht."
„Daß ich stets Deine glänzenden Ligenschaften hervorhob —"
„Ia gewiß, Du warst die Linzige, die mich nach Verdienst
würdigte."
Linen Augenblick überlegte Agathe, dann erwiderte sie
tapfer: „Die Dir schmeichelte."
„wie — ?"
„Ich habe Dir gesagt, Du besäßest Nut und Unerschrocken-
heit und eine entsxrechende ksaltung. In wahrheit bist Du
ziemlich uneutschlossen und Deine chaltung ist eine nachlässige.
Ich schmeichelte Dir, Du wärest ein Don Iuan, während ich
meine, daß Du in der That nicht viele chrauenherzen gebrochen
haben wirst. Ich sxiegelte Dir vor, daß Du längst meine
Aufmerksamkeit erregt hättest, noch ehe Du mich kanntest, jedoch
hatte ich das, was ich von Deiner Vergangenheit wußte, nur
vom lhörensagen. Ich sagte Dir, Du wärest ein Mann, der die
ernste Unterhaltung liebt und keine saden Lchmeicheleien sagt,
und doch war Deine Unterhaltung so miserabel, wie die der
meisten jungen Leute, — ausgenommen mir gegenüber, denn
Du sühltest Dich zu mir hingezogen, nicht wahr? Ich log Dir
vor, mein Vater hätte behauptet, Du wärest einer der gescheitesten
Beamten. Die wahrheit ist, daß mein Vater, als ich von Dir
sprach, meinte: ,D der taugt so wenig wie die andern? Du
siehst, ich bin ganz ausrichtig aus die Gesahr hin, daß Du einen
Tag lang mit mir schmollen wirst."
„Nein, das werde ich nicht, liebe Agathe, angenehm war
dieses Lturzbad zwar gerade nicht, aber ich habe allerlei daraus
gelernt, zuin Beispiel, daß ich eine der klügsten chrauen habe."
Aatate ^öflichkeit.
geht, leise zu den letzterens: „Daß ihr mir aber nicht vor jedem
Gerichtsvollzieher, der uns begegnet, einen Rnir machtl"
Vom Kasernenhof.
Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei svtuttgart.
In Vesterreich-Ungarn sür kserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in wien I.
Vrrlag von I. F. Schrriber in Mnnchen und Etzlingrn.