Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 48.1902 (Nr. 575-587)

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16550#0011
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Aeitschrift für Humor und Auuft

7

Der Ueberjüngling.

s ist j)rater. Grünnebeligen Rätseln gleich liegen die Auen
im abendsonnigen Lichte. Lrdmoderiges lserbstdnften.
wißt ihr, was lferbst ist? — Lr ist ein Geheimnis, wie alles
Geheimnis ist. — Lin großes Stcrben, ein Insichvergchen der
Natur zuin Zwecke eines Wiederwerdens. — Rostödes Lanb
deckt die wiesen, die nicht mehr blau sind, denn das Gras ging
zur Ruhe. Ls gibt keiue Ruhe. Ruhe ist der Tod, und Tod
ist werdendes Leben. — Den Weg wandelt ein Iüngling, blaß-
bleichen Gesichtes, das durch zwei schwarze Augen xunktiert ist.
Ts ist ihm so violett zu Mute. Lr schreitet wegvorwärts, aber
er denkt nichts, denn er ist ein moderner Dichter. — Ls gibt moderne
Dichter. — Seine olivgelben lfaare umlocken den traumbrütenden
Aopf, dem ein acht Lentimeter hoher, scharlachblauer Aragen
Stütze ist. Seinen Anzug gebar der lfofschneider. Lr riecht
nach nervenstreichelndem Patschuli. Sein Gang ist müdematt.
5onst hat er nichts bcmerkenswertes, denn er ist ein moderner
Dichter. — Da qnert ein dralles llkädchen den lveg, den er
traumdunkel wandelt. Zwei türkisfarbige, fragende Mädchen-
augen. Sie trägt eine rote Schürze. von jenem Rot, das wie
Auferstehung klingt. Ihre ksand umfingert den Tragegriff einer
blechzierlichen lllilchkannc.

„Bist Du ein lllilchmädchen?" fragte er sinnend.

„Ia," hauchte sie, halb durch den lllund, halb durch die Nase.

Lr strich über seine seelenvolle Arawatte und schwieg.

Sie betrachtete seine gelbkalbledernen Stiefletten und ging
weiter. RLtselhafte lllädchenseele. — Lr aber schritt an ihrer
Seite, an jener, wo sie den lllilcheimer strug, uud dachte an das

llebermenschliche. lllehr vermochte er nicht zu denken, dcnn er
war ein moderner Dichter. Vb sie ein llebermensch sei? lver
vermöchte das llnverständliche in ihr zu ergründen?

„lveißt Du, was Liebe ist?" fragte er, indem er ihr in die
Türkise sah. Sie hob eines der rostbraunverwelkten Nußblätter
auf und schwieg. — Lr aber vertiefte sich in diese seltsam ge-
schlängelte lllenschenseele, und das lleberweib stand vor ihm. —
Lndlich etwas Besonderes, aus der kferde lfinausringendes.
Als sie so neben ihm herging, war nichts Dutzendhaftes an ihr.
Diescs üppig gepolsterte Antlitz, auf dem etwas lluergrllndliches
lag. Diese bratenfarbigen Arafthände. Ilnd wie sie nach Natür-
lichkeit duftete. — Er fühlte, wie seine Seele in ihre überfloß.
Dann fragte eri

„Liebst Du mich?"

Sie nahm den lllilchtopf in die andere kfand und schwieg.

In ihren Schritt aber legte sie größere Lile. lvas trieb
sie? Lr grübelte, aber es fiel ihm nichts ein, denn er war ein
moderner Dichter. Lr ahnte nur, daß er nicht von ihrer Seite
weichen dürfe. Seine Gefühle waren kreisförmig vcrschlungene
Dämmerungen.

Lr ringelte seine Stirnlocke um den lllittelfinger der rechten
kfand und fragte:

„lveißt Du, wer ich bin?"

Indem sich ihre hänkeligen Vhren kaltlächelnd bewegten,
flüsterte sie:

„A fadcr llerl!"--

A. K. Harmn-Strvbl.

Äin liebender (öatie.

— „kferr vcigelstock, Ihre Frau Gemahlin ist mit dem llassiercr auf dem Automobil durchgebrannt . . . I

— „Schicken Se ihr Benzin nach, aber schnelll"
 
Annotationen