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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 48.1902 (Nr. 575-587)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16550#0030
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26

IIIeggenöorfer - Blätter, BI ün ch e n

s gingon cinmal zmei Dichter gemeinsam über Land
spazicren und nnterhielten sich dabei übor mancherlei
Dinge, von denen so Dichter nnteinander zn sprechen
pflegen, von dcm Unverstand und der Schlechtigkeit der verleger,
von der Talentlosigkeit dcr Kollegen, der Dummheit der Recensen-
tcn nnd von ihrcn eigenen Erfolgen und mehr dergleichen
Dingen, von dencn Dichter sprechen, wonn sie sich gegenseitig
ihre Dichter-bferzen ausschütten.

Und sie waren auch bcinahe über alle die Dinge, die sie
sprachen, einer Meinung, nur über einen Gegenstand ihrer tlnter-
haltung konnten sie sich nicht verständigen, über ihre Trfolge
und ihrcn Ruhnu Der eine meinte, daß er der glücklichere Dichter
von ihnen beiden sei, donn er sei sehr berühmt. Und er bewies
diese Behauptnng durch die Lrzählung der Thatsache, das; er
bereits zehmnal um ein Autograph von seiner chand gebeten
morden sei, und daß schon drei Blätter sein Porträt mit seiner
Biographie verösfentlicht hätten, natürlich gegen Bcrgütung der
Unkosten des Satzes und chcrstellung des Lliches.

Der andero aber meinte: „Lieber Fround, ich glaube Ihnen,
daß Sie ein berühmter Dichter sind. Aber was gilt mir die
Anbetung des Pöbels? weiß dcnn unsere Zeit das wahre,
echte Talent zn schätzcn? Für die Banausen unseres materiellen
Zeitalters, für unser vorständnisloses Pnblikum mögen 5ie
meinetwegen ein recht berühmtor Mann sein. Ich aber verlange
vom Schicksal mehr. Ich will von künftigen besseren Ge-
schlechtern, die mehr Sinn für Poesie haben, gerühmt werden."

während die beiden Dichter so sprachen, kamen 5ie an ein
Landhaus, vor welchem oin 5chaf und ein pferd sich tummelten.

Und da die beiden Spaziergänger wirkliche Dichter waren,
die ja bekanntlich viel mehr sehen und hören, als andere
Menschen, so hörten sie auch, wie das 5chaf sich mit dem Pferd
unterhielt, was gewöhnliche Menschen nicht zu vernehmen pflegen.

„Du sagst," so ließ sich das Schaf gegen das jdferd ver-
nehmen, „ich sei der welt nicht viel mehr
nütze, als daß sich an meinem Fleische ein
paar Menschen satt essen? (!) da täuschest
Du Dich l Ls ist der Stolz meines Daseins,
daß, wenn ich tot bin, aus meinen Ge-
därmen schöne Saiten gemacht werden, die
zur Freude der Utenschheit unter den kfän-
den tüchtiger Aünstler in herrlichen Tönen
erklingen, welche die thörer in schönere
Sphären erheben werden. So werde ich un-
sterblich sein."

„Sehen Sie, lieber Freund," flüsterte der Dichter,
der von seinem Nachruhm erst gesprochen, seinem
Rollegen zu, „ganz mein Falll Ich hätte nicht ge-
glaubt, daß ein Schaf so Aluges vorzubringen ver-
möchte."

„AH I j)ah>" antwortete da das j)ferd dem Schafe;

„da bin ich doch besser daran als Du. Du kannst
so lange leben, wie nur möglich, nnd wirst niemals
von den Tönen hörcn, die durch Dich erklingen. Ich
aber bin besser daran, wie Du; ich hörte bereits solche
Töne, deren Urheber ich bin. Dort im Landhaus spielte

gestern ein Künstler eine Geige, dercn Bogen aus meinen
tfaaren gefertigt war. (!) das war ein beseligendes Gefühl,
das Du in Deinem ganzen Leben nicmals kennen lernen kannst!
Deine Saiten können erst erklingen, wenn Dn tot bist. Ich
bin der Glücklichero von nns beiden!"

„tfören Sie, hören Sie, lieber Freund," sagte der andere
Dichter, der erst seinen Ruhm gepriesen, „wie klng das j)ferd spricht!
Der Ruhm, das ist das wahre, nicht der Nachruhm, der uns
nicht mehr beglücken kann!"

So gingen die bciden Dichter disxutierend weiteri sie stritten
den ganzen U)eg über und disputierten in einer Schenke noch
ein paar Stunden lang beim wein.

Und wenn Dichter über ihren Ruhm streiten, so streiten
sie so gründlich, daß sie niemals mehr Frieden miteinander
bekommen. Das war auch mit den beiden Dichtern der Fall,
die gemeinsam einen Spaziergang über Land unternommen
hatten; den Rückweg aber jeder für sich allein antraten; erst kam
der Dichter, der den Nachruhm gepriesen, dann kam der Dichter,
der von seinem Ruhme erzählt hatte, nach hundert Schritten
hinterdrein.

Und als der erste wieder am Landhaus vorbei kam, da
war inzwischen das Schaf geschlachtet worden, und die Gedärme
desselben lagen in einer Ecke. Sie waren nichts wert, der un-
geschickte Schlächter hatte sie beim Töten des Schafes durch-
schnitten. Der Dichter aber sah die Gedärme in der Ecke liegen
und lachte in seinen langon, schönen Dichterbart hinein. „N)as
thut's," so dachte er bei sich, „daß die Gedärme nicht als Saiten
erklingen. Die choffnung und die Freude daranf kann dem
Schafe nun nicht mehr genommen werden!"

Und wie der andere Dichter am Landhause vorbei kam, da
lag der Fidelbogen, der aus den löaaren des jdferdes gefertigt
war, in einer andern Lcke; die einzelnen thaare waren sämt-
lich zerrissen, wie wenn der Aünstler den Bogon in trunkener
Raserei auf seincr Geige gespielt hätte. Der
Dichter aber sah den Bogen liegen und weinte
darüber bitterlich.

Gb er noch sah, wio das j)ferd in
wilder N)ut über den zerrissenen Bogen
in jene Tcke rannte, wo des Schafes Ge-
därme lagcn, und auf denselben herum-
trampelte, weiß ich nicht zu melden. Das
aber vermag ich noch zu erzählen, daß er
geraden U)eges nach chause eilte, sich an
seinen Schreibtisch setzte und über die U)erke
seines Dichter-Aollegen, desjenigen, der sich
auf den Nachruhm gefreut, eine so vernichtende
Rritik schrieb, daß kein Ulensch mehr diese Dich-
tnngen las und sie der Oergesscnheit anheimgegeben
waron.

Der andere Dichter aber träumte nach wie vor
von scinem Nachruhme und merktc in seinem
Tränmen nicht, daß ihn die tvelt vergaß.
 
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