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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 48.1902 (Nr. 575-587)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16550#0038
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Meggenöorfer-Blätter, München

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rapport, Männchen?" fragt Frau Ienny, „Iaaa!" — „Du brauchst dann nicht nrehr
einzurücken?" — „Neinl" Er sieht sein tveibchen fragend an, wo das hinaus will,

— „Und der Rapport ist doch im Mantel?" — „Ial" — „Nun, dann weiß ich Rat,"

— „Du Ienny? Wie denn?" Wir trennen den tvaffenrock am Rücken auf!" — „Auf-
trennenl" Er schaut sein Meibchen an, Ls lag wie Bewunderung und verehrung
in dem Blicke, „Ienny, Ou bist die f?erle aller Frauen," Die Schere ist bald bei
der!sand, und nach kurzer Ieit ist die Naht anfgetrennt, Ietzt gehen die Knöpfe
prächtig hinein,

Aber vorsichtig muß er sein, sonst reißt die Naht iveiter, Lrlöst von seiner
Angst, vervollständigt Mühlheim noch seinen Anzug, zieht den Mantel über, gürtet
sein Tchlachtschwert uin, sucht dic nötigen Papiere zusaminen (den Personal-Nach-
weis hatte er zuin Glück schon vor längerer Ieit bestätigen lassen), nimmt Abschied
von seinem schlauen weibchen und eilt zum Bahnhof,

q-

Der Lsauptrapport in S ,,., ist im Aasinosaal, Gberstleutnant Rabel hält
ihn ab, Bei ihm geht's immer slott, wofür ihm die kserren Reserveofffziere, die
alle pünktlich versammelt waren, recht dankbar sind, denn sie haben es gewöhnlich
sehr eilig, Sie betrachten den Rapport als eine schreckliche jdlage und sollten sich
doch eigentlich das ganze Iahr drauf freuen, wieder einmal militärische Luft atmen
zu können, Doch so sind die Menschen. — Es dauerte ewig, bevor Mühlheim
an die Reihe kam, das Schicksal schien mit Absicht seine unangenehme Lage ver-
längern zu wollen, Er fühlte sich nämlich, jetzt, da die Entscheidung nahte, mit
seinem schlechten Gewissen äußerst ungemütlich; dazu war es im Saale drückend
heiß. Und bei jeder Bewegung vernahm er ein unheimlichcs Rasseln am Rücken,
jedenfalls riß die Naht immer weiter, und vorne wurden die Falten immer größer
und verdächtiger. Ium Glücke verdeckte der Mantel und der lange Bart so ziemlich
fast den ganzen Ulaffenrock, — Der größte Teil der kferren war schon vorge-
rnfen worden, Da hört er seinen Namen und fährt zusammen, Mit klopfendem
Lserzen tritt er vor, übergibt seine Papiere und Gberstleutnant Rabel ffndet nichts
zu beanstanden an ihm, Leutnant Mühlheim macht seine pflichtgemäße Oerbeugung,
und ein tiefer Seufzer der Lrleichterung hebtj seine Brust, „kserr Leutnant Mühl-
heim," ruft ihn der Dberstleutnant zurück, Lr zuckt zusammen und macht noch-
mals Front, „Befehlen, kserr Dberstleutnantl" — „bserr Leutnant sind in M ,,, berg
als Betriebsleiter angestellt, wie ich aus dem personalnachweis ersehe," sagt
Gberstleutnant Rabel, „Ia, kserr Dberstleutnant," entgegnet Mühlheiin. „Ist
Ihre Frau Gemahlin nicht eine geborene von Schöffel?" — „Ia, kserr Gberstleut-
nant." — „Nun, das trifft sich ja prächtig, Ihre Frau Gemahlin nnd meine Frau
waren Iugendfreundinnen, nnd sie hätte so gerne einmal den Gatten ihrer besten
Freundin kennen gelernt, Nun, das paßt ja ansgezeichnet. Nicht wahr, kserr Leutnant
machen mir das vergnügen und begleiten mich nach dcm Rapport zu meiner Frau?" —
„lferr Dberstleutnant, ich bitte gehorsamst zu entschuldigen, aber, ,— „Ach was,
nur keine Umständel Ls sind nur noch zehn lserren da, in fünf Minuten bin ich
fertig, und dann gehen wir." — „G lhimmel, jctzt steh' mir bei I das kann gut werden,"
stöhnt Mühlheim und schwankt hinaus, „Luftl Lnft! ich ersticke, U?ie wird das
enden. Noch fünf Minuten — dann geht's zum — Galgen. G Ienny! könntest Du
mir jetzt raten," Lr zermartert sein Gehirn nach einem Ausweg — vergeblich,
Im vorzimmer steht die Grdonnanz und bcim Anblick des Mannes blitzt ihm ein
rettender Gedanke durch den Aopf, Schon hat er den Mann erfaßt und zur Thüre
hinausgeschoben. „Zum Regimentsschneidcr nm eincn Maffenrock für inich. Lr
hat immer einige in der Auslage, Bringcn 5ie cinen hcr. Laufen 5ic, als ob es
um Ihr Leben ginge." — „Ia aber ..." — „Nichts da, in fünf Minutcn müssen Sie da
sein," Der Mann schüttelt mit dem Aopfe und stüimt die Treppe hinab, Mit
hastigen Schrittcn mißt Mühlheim das schmale vorziinmer in tötlich banger Lr-
wartung, Dann späht er wieder durchs Fenster auf die Straße nnd trommelt
nervös auf den Scheiben, Lr schaut in den Saal, „Sieben Lserren warten noch,
Menn doch der Acrl schon kämel Lr wird zu spät konimen. Welche Blamage!

Die verfl.Weiberfreundschaften I D Ienny! U?enn Du wüßtest. — Ietzt

könnte er doch schon da seinl U?o er nur bleibtl — Nur noch drei lferrenl —
Ls ist zum verzweifeln I —horch l — das ist er, hurra!" Schon fliegt der Mantel
und der Waffenrock mit der klaffenden Wundc am Rücken auf den nächsten Stuhl.
Die Drdonnanz hält atemlos den geliehenen Rock. „Er paßtl — Ls geht wenig-
stens. — Ietzt geschwind den Mantel." Im Saale rücken sie die Stühle, — „Nun,

Der verwechsette Tragkorb.

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