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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 48.1902 (Nr. 575-587)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16550#0050
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Meggendorfer-Blätter, München

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Kchwere Waht.


Hauptmann (dcr Bürgergarde): „Line neue Fahne hätten wir, jetzt brauchen wir halt noch einen recht feschen, schönen
Mann, der sie trägt. Die Schönsten von euch treten vor die Front, daiuit ich den Schönsten auswähle.

Lin ehreiwoller Auftrag.

„Ich werdc die verzwickte Geschichte dem cherrn Bürger-
meister unterbreiten müssen. Das corpus conlliüti uehm' ich
vorläufig mit mir, und werde es nach dem Lrmessen dos tserrn
Bürgermeisters, entweder dem Biedorhöser oder dem Ntarm-
bichler zustellen."

„Und jetzt macht's, daß ihr weiter kommt's, ihr
G'scherte," sprach er zu den beiden verdutzt Dastehenden, denn
der schwierige Fall war sür ihn erledigt. Darauf band er die
Gans an einen Stricksund machte sich aus, dcn schwierigen
Fall beim lherrn Bürgermeister vorzutragen.

Der kserr Bürgermeister, Bikodemus Niederhuber, Bauer
in Deglbach war eben im Begrifse höchsteigenhäudig Mist ab-
zuladen, als Utuckl mit seinem schnatternden Arrestanten ihm
seinen Bericht machte. Niederhuber hörte mit sichtlichem Intor-
esse den Fall mit an, kratzte sich einigemale hinter deu Ghren,
und sagte dann in aller Ruhe: „Ia, da woaß' i a net, was
ma anfange solll"

Da der Gemeindediener ihm jedoch klar auseinanderlegte,
daß er in Ausübung seiner polizeilichen Pflichten ziemlich ge-
hindert wäre, wenn er immer die Gans am Strick bei all seinen
Lsandlungen mit herumführen müßtc, befahl ihm der Nieder-
huber, den Arrestanten eiustweilen in seinem Stall anzubinden.

Die Gans befand sich also im Stalle des Bürgermeisters,
wo sie sich sofort mit einem, von dor Frau Bürgermeister vor-
gestellten Fressen ausdauernd beschäftigte.

Nittlerweilen grollte der Nazi in seinem bsause und der
Alisi xrügelte sein IVeib; dies that er immer, wenn er nicht
wußte, an wem er seine Wut auslassen konnte.

„Und nachgibst erst recht net, Nazil" sprach dessen Lhe-
gesponsin zu ihm, „Du wirst Dir net vom Zaunstecken die schöne
Gans wegfischen lassen. Der soll sei Gans suchen, wo er mag."

„Alisi, wennst' Dir Dei' Gans vom Niederhöfer wegfanga
laßt, na bist schö' dunun; Du wirst doch Dei viech besser kennen,
wie der Niederhöfer Nazi?" so sagten alsbald einige Nachbarn
zum Zaunstecken.

Da eine Linigung absolut nicht zu erziolen war, wurde
jedor der beiden Streitteile „avikatisch."

Mochenlang vor der Verhandlung wurde im Dorse von
nichts anderem als von der Gans gesxrochen. Es bildeten sich
zwei parteien, und dio Geschichte der roten und der weißen
Rose wurde wieder lebendig und aktuell in Deglbach.

„bsie Nazi" — „hie Zaunstecken" so hieß das Feldgeschrei.
Familien entzweiten sich, Brautxaare wurden jählings ausein-
andergerissen, wenn z. B. die holde Braut sich auf dcr Seite
Nazi's und der Bräutigam auf Seite Zaunsteckens befand und
umgekehrt.

Und alles dies, wegeu oiner — — Gans.

Die befand sich übrigens dabei weitaus am besten. Mit
scheuer Bewunderung wurde sie von den Dorfbewohnorn
beobachtet, allein wurde sie auf die Meide getrieben, von den
Nachbarsdörfern kamen die Bauern Sonntags nach Deglbach
um die Gans zu sehen, wegen der Gans im NArtshaus zu
streiten und sich die Aöpfe einzuhauen.

Aurz und gut, die Gans von Deglbach war berühmter als
sämtliche kapitolinischen Gänse zusammen.

Lndlich nahte der Tag der Verhandlung.
 
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