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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 48.1902 (Nr. 575-587)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16550#0056
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MLggendorfer - Blälter, Blünchen


wie ein hungriger N)olf aber stürzt es sich auf das Sensationelle
und verschlingt es mit Lfaut und bfaar. Ich bin in erster Linie
Verleger und dann erst Mensch, ich muß trachten, meine Zeitung
rentabel zu machen, und dazu bedarf ich zuverlässiger Mitarbeiter.
vielleicht sprechen 5ie wieder einmal vor, wenn Sie Ihr Novi-
ziat abgestreift haben; dann können wir weiter reden."

Damit war die Audienz zu Lnde und Dr. Iungblum, der so
viel davon erhosst hatte, biß sich auf seine 5chnurrbartspitzen, um
seinen Unmut und seine Lnttäuschung zu verbergen, und wandte
dann dem Verleger der „Arickelheimer Uiorgenpost" den Rücken.
5chon war er an der Thüre, als dieser ihn wieder zurück rief.

„lVenn 5ie Zhre Zähne durchaus einmal versuchen wollen,"
sagte er, „so kann ich Ihnen wohl einc Nuß zu knacken geben.
Zn der Nähe von Arickelheim bestndet sich nämlich ein Lsaus,
das nur zwei Bewohner hat, und zwar einen altcn, menschen-
scheuen Sonderling und seinen nicht minder unzugänglichen
Diener. Man sagt nun diesem lhause und seinen Bewohnern
allerhand grusliche Geschichten und sonstige Geheimniskrämerei
nach, und das jdublikum hat bereits einen ganzen Sagenkreis um
dieses lfaus gewoben, aber wissen thut keiner etwas. Denn in das
ksaus kommt niemand hinein, der nichts drinnen zu suchen hat."

„Ich werde hineingelangen," unterbrach Dr. Iungblum
zuversichtlich den Verleger.

„Nehmen 5ie die Sache nicht zu leicht," mahnte lferr
Morgenstern. „Niemand von der ganzen Stadt ist noch hinein-
gekommen, obwohl die Neugierigsten unter den Neugierigen es
schon mehrfach versucht haben. Ia, ein Reporter von der Ron-
kurrenz hat sogar einmal versucht, durch den Schornstein hinein-
zugelangen und so durch den Aamin die Geheimnisse des wunder-
lichen lhauses zu erlauschen, aber er ist schmählich hinausgeräuchert
worden. lVas sür Listen erfindungsreiche Aöxfe sonst noch
gebraucht haben, weiß ich nicht, ich weiß nur, daß keinem das
lVagnis gelungen ist. Gelingt es Ihnen, so sind Sie noch am
selben Tage engagiert."

„Zch schrecke nicht davor zurück, und — es muß gelingen!"

„Na, soll mich sreuen l"

ksocherhobenen lfauptes verließ Dr. Iungblum das Aller-
heiligste der llkorgenpost. ksatte sich doch sein schon völlig ge-
sunkener lllut wieder neu belebt. Als er durch die Redaktions-
räume schritt, glaubte er in den lllienen der dort weilenden
lferren ein ironisches Lächeln wahrzunehmen, doch er kümmerte
sich nicht weiter darum und verließ das ksaus in dem festen
Bewußtsein, sich in Bälde bei diesen lferren schon ins gehörige
Licht zu setzen.

lfinter einer Flasche lllosel grübelte bald darauf Dr. Iung-
blum über die ihm gestellte Aufgabe nach. Gelingen mußte sie
ihm, denn es galt seine ganze Zukunft. Zwar hatte er als
Iurist ein glänzendes ötaatsexamen gemacht, doch er war damit
gleichzeitig an das Lnde seiner lltittel geraten, und es blieb ihm
nun nichts anderes übrig, als auf den Staatsdienst zu verzichten
und sich sein Brot anderwärts zu suchen. 5eine Neigung zog
ihn zum Zeitungsfache, doch hatte er sich sein Ankommen dabei
sreilich leichter vorgestellt. llmsomehr galt es dafür nun alle Aräfte
zusammenzunehmen und, koste es, was es wolle, in das verrusene
lsaus einzudringen und seine Geheimnisse auszukundschaften. —

Acht Tage waren vergangen, ohne daß der „grüne Rollege"
etwas von sich hattc hören lassen, am neunten aber waren Ver-
leger und Redaktion der lllorgenpost in hellster Aufregung.
Denn Dr. Iungblum war erschienen mit einem sechs Spalten
langen Artikel über das geheimnisvolle lhaus und seine Bewohner.

„Daß Dich der Teufel-1" murmelte zähneknirschend

dor Lokalreporter. „Wie hat er das nur angestellt?"

„Das wird meinem Aonkurrenten ein kleines Gallenfieber
kosten," srohlockte der entzückte verleger.

Bereits zwei Stunden nach Lrscheinen des sensationellen Ar-
tikels in der Morgenpost mußte eine Neuauslage derselben herge-
stellt werden. Die Leute rissen sich förmlich um die Blätter. Zetzt
war also das große Geheimnis gelüftet, nach dem sich die ganzeStadt
schon seit Iahren in brennendster Neugier verzehrt hatte. Und
wie ausführlich war alles beschrieben! Die Gänschaut lief einem
ordentlich beim Lesen der wunderlichen Linrichtung dieses ksauses
sowie der abenteuerlichen Lebensgeschichte des alten Sonderlings
über den Rücken. Und das hatte die Morgenpost sertig gekriegt!
Noch am selben Abend zählte sie über tausend Abonnonten mehr.

?lnßer sich vor Freude empfing kserr Morgenstern den Ver-
sasser des klrtikels.

„Alle Achtung," sagte er, „Sie haben Ihr probestück gut
gemacht! Ls ist selbstverständlich, daß Sie ab heute engagiert
sind, und Sie sollen mit mir zufrieden sein. Aber jetzt müssen
Sie mir auch verraten, wie Sie es angefangen haben, in das
ksaus zu dringen und den alten Rauz zum Sprechen zu bringen.
Ich bewahre Ihnen selbstverständlich Diskretion!"

Dr. Iungblum lächelte und sagtei „Ich habe Ihr lVort,
daß ich engagiert bin?"

„Sie haben osl"

„Nun denn i ich war weder in dem ksause drin, noch habe
ich seine Bewohner gesprochen."

kserr Morgcnstern war sprachlos.

„ksaben Sie nicht selbst gesagt, es sei noch niemand in das

Der famofe Lehrjunge.

„Das Geschäft geht so elend, daß ich mich nicht wundere,
daß inein kserr so schlecht ausgelegt istl — Ich hab' aber oine
Idee, werd' mal eine Rleinigkeit an der Ausschrist ändern! —
 
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