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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 48.1902 (Nr. 575-587)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16550#0063
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Zeilschrift für yumor und Aunst

59

Di° Geschichte von dcn Airchwechnndeln.

das schmale Bergsträßel hinan, das znm Lsochzollerhof führte.
5ie hatten aufgehört zu singen nnd zwar in dem Augenblick,
als sie in den wald eintraten, der sie zu beiden Seiten be-
gleitete.

Unmillkürlich hatte er sie nnn enger an sich geschlossen und
seine glühende Mange der ihrigen genähert. Einc Biertel-
stunde bevor man zum ksof gelangte, an einer Biegung, die
nach zwei Richtungen zu sehcn erlaubte, ließen sie sich am
Wege nicdcr. Dort faßte er sie beim Uopf und küßte sie mit
jäh aufschießender Leidenschaftlichkeit wohl hundertmal auf den
frischcn INund, der sich ihm willig bot.

So lebhaft waren sie mit sich selbst beschäftigt, daß sie
Aug' und Vhr verloren und keincn lvagen gchört hätten, ge-
schweigo denn das verräterische Unackcn eines Astes, der ganz
in ihrer Nähe leisc krachte.

Es wäre gut für sie
beidc gewesen, wenn sic
sich weniger ineinander
vertieft hätten. Denn keinc
fünf Schritte von ihnen
stand im Iungholz der altc
lfochzoller, der, von der
pürsch niedersteigend, sic
schon von weitem hattc
kommen schen und sich,
nachdem er rvahrgenom-
men, daß das Baserl sich
nicht bei ihnen befinde,
zähneknirschend vor ver-
haltener kvut wie eiu
ü.iger an sie herangeschli-
chen hatte. Nun drücktc
er sich, gespannt horchend,
das ungeladene Gewehr
in der Faust, dicht an einc
dicke Tanue. Lrblicken
konnte er sie nicht, aber
kein Laut entging ihm.
kvie bci einem Scheiben-
schießen schnalzto es, nnd
dazwischen hinein fielen
Zärtliche Worte, die ihm
das Blut in don Aopf
tricben.

Das hätte ihm gerade
gefehlt. Sein Akädel, die
Erbin seines lhofs und so
rin dahergelaufener Ivindhund!

lhorch! jetzt sprachen sie. „kveuu nur Dein vater net gar
so a verbohrta Iaaafeind wär'," ineinte dor Gehilfe. „Aber mit
so am g'schwoll'na jdrotz n is ja nir z'mach'n."

Dann hörte man eine silberhelle ivtimme. „Du hast recht.
Gach und grob is er scho oft, net zum sag'n. Aber wir müassen's
eahm ja nct auf d'Nas'n bind'n, daß mir z'sammag'hörn."

„Freili merket er's wohl lang net," erwiderte der gemüt-
volle Forstgehilfe, „aber heiraten möcht ma halt do' a amal?"

And nun war wiedcr eine f?ause, die durch ein längeres
5cheibenschießen ausgefüllt wurdo.

Der altc Hochzoller lehnte, mühcsam das Aeuchen untcr-
drückend, an seinem Stamme. Die Nägel seiner schwieligen
6and, die das Ecwehr umfaßte, draugen ihm in die köaut, so
krampfhaft ballte sich die Faust.

„weun mir da uet g'waltthäti' vorgcnga, kriagn mir
Zwoa ananda seincr Lcbtag net. Dös kennst, wabn. S' gscheiter
warscho, Dugangsteahmdurch. Iwüßtscho derweilaPlatzlfürDi."

„I' muaß jetzt hoamgeh'," meinte die wabn ablenkend.

„Nir da, Dn gehst mit mir. Nnr begleiten thuast mi a
Stückl. Uumm' waberll"

Als der pochzoller das hörte, da wurde ihm ganz grün und
rot vor den Augen. Der Loder wollte ihm wirklich und wahr-
haftig sein Aind entführen! Dieser Gedanke brachte ihn so
vollständig außor Rand und Band, daß er, alles vergessend, wie
ein gereizter Stier laut brüllend durch die Büsche brach und in
wcnigen Sätzen vor dcm erschrockcncn jungen paar stand.

Der Gehilfe sxrang zurück und riß die Büchse von der
Achsel „ljalt," schric er „odcr Du bist hin." Das kltädel war
kreischend dem Alten in den Arm gefallcn.

„Ia Aruzitürk'n no amal, was war denn jetzt dös," fauchte
der Forstgehilfe den kochzollcr an, „wildern thuast Du, Du alter

Lumpl? 's G'wehr weg
— cins — zwoa . . . . I
glaub' glei, er hat gar an
Bock im Rucksackl Runtor
damit, sofortl"

Dem Lsochzoller, der
völlig verwirrt, wie wenn
ihn der Blitz gerührt hätte,
dastand, begann zu däm-
mern, daß er eine Riesen-
dummhoit begaugen habe.
wirklich, er hatte in seinem
namenlosen Zorn voll-
ftändig vergessen, was er
am Buckel trug. Linen
kurzen Moment blitzten
seine Augen, böse Ge-
danken kreuzten sich in
seinem ksirn. Wenn nur
das Mädel nicht da wäre,
dachte er sich. Dann schleu-
derte er, das Nutzlose eines
widerstandes einsehend,
Gewehr und Rncksack mit
einer wütenden Bewegung
von sich.

„So," höhnte der Ge-
hilfe, „das wird zuerst
einmal konfisciert. Das
andere wird sich finden
beim Zusammenkehren."
wenn erhochdcutsch sprach,
dann spukte es gewaltig.
Sodann nahm er die Gegenstände auf und entfernte sich. Die
wabn aber lief ihm nach und redete lange auf ihn ein.

weinend kam die wabn nach ihrem vater zu pause. Der
saß zusammengeduckt, die lhände in der Lsosentasche, bald bleich,
bald dunkelrot im Gesichte, hintor dem Tisch und schoß vorerst
unheimliche Blicke anf seine Tochter. Er kochte wie ein vulkan
vor dem Ausbruch.

Und nun erzählte das Alädel der Nkutter in siiegender
past, wie es ihr ein leichtes gewesen wäre, den dummen Aerl
von einem Jäger einzufädeln, wie sie ihn listig abgehalten habe,
auf den pof zu kommen, wcil sie fürchtete, er könnte unglück-
licherweise hier mit dem vatcr znsammcnstoßcn, und nun rumplc
dcr vater in seincm nnseligcn Iähzorn plötzlich wie ein wildes
Tier aus dem lsolz und liefere sich selbst ans Akesser.

„Net wahr is," schrie der Bauer, „Du falsche Tanaille,
abg'schleckt hat er Di . . . ."

„Deinetweg'n hab' i's leid'n müaß'n, vor lauta Angst um
Di. Liaba hätt' i mi vom kiektorl busseln lass'n . . . ."
 
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