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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 48.1902 (Nr. 575-587)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16550#0068
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Meggendorfer-Blätter, München

6^

's Gegengift.

Humoreske von Hans Horina.

eine tferren!" sagte init schon etwas unsicherer Stinnne
lserr Schnackerl, „lassen wir's genug sein für heut'
Abend; ich geh' z' tfausl" und erhob sich zum Fort-
gehen. „Vhol" ertönte es von allen Seiten des lustigen
Stannntisches siin blauen Vchserll, „der Schnackerl will schon
gehen — oje, der fürcht' sich vor seinerjAlten, daß er einen
Arawall kriegtl"

„An Krawall krieg' ich z' ksaus?" erwiderte kferr Schnackerl
entrüstet, „so, und ich wett', daß inir nieine Alte, wenn ich
z'tfaus komin', selbst noch a Maß Bier bringt!" — „Auf-
schneider, Prahlhansl" riefen die lustigen Zechgenossen durch-
einander. „kvir wetten niit Dir uin a ganzes Faßl Bier, daß
Dir Deine Frau keine Akaß bringt; die sieht ja doch gleich,
daß Du heut' schon niehr als eine getrunken hast." lsierr
Schnackerl hielt aber zu aller Lrstaunen die angebotene Mette
und torkelte nach kjause. Bei der kvohuungsthürc cinpfing ihn
schon seine Gattin mit dem gewohntcn Sernioni „Aha, alter
lvirtshausbruder, hast Dich von Veinen saubcren Freunderln
wieder net trenncn können . . .1" Der kjeimgckehrte erwiderte
ganz gegen seine Gewohnheit diesmal nicht ein kvort, sondern
machte ein sehr ernstes Gesicht. Lr legte kjut und Stock ab
und begann seine Stiefel auszuziehen. Seine Gattin staunte.
„Was hast denn, red'I" fuhr Sie ihn endlich an. „V nix, mir
is' so sterbensschlechtl" ächzte kjcrr Schnackcrl nach einer
Pause mit schwacher Stimme.

„Ahal vom vielen Trinkenl" belferte seine Frau. Lr aber
machte bloß eine abwehrende Bewegung und hauchte vor sich
hin: „'s wird bald ans sein mit mir; ich hab' das Lebcn satt
und hab' mich drum vergiftetl" — „Um Gottes willcn, Franzl,
versündige Dich net und mach net solche kvitzel" — „Na, na,"
erwiderte er mit gebrochener Stinime, „ich hab's stärkste Gift
g'nommen, was gibt — uHua ckestillLtal" — „Iessas, Iessas!
Franzl, was ist Dir denn eing'fallen; ich werd' g'schwind dcn
Doktor holen!" — „Der kann nix mehr helfen — mit mir is'
ausl" stöhnte Schnackerl und sinkt zu Boden. „V Gott,
o Gottl" jammert die Frau und ringt die kjände; „Franzl, sag',
gibt's denn gar kein kNittel gegen das schreckliche uqug. clestillatg

— mein Gott und kjerrl Franzl, licber, guter Franzl, red', oder
ich stirb vor Angstl"

Schnackerl blieb stuinm und nach einer lveile fing er an
zu ächzen, wobei ihm der Schaum aus dem lllunde trat. Seine
Frau rannte verzweifelt'im Ziinmer umhcr und rief alle kjeiligen
zu kjilfe, bis sich endlich Schnackerl scheinbar mühsam auf-
richtete und rief: „Alte, ein lNittel gibt's, mich noch zu retten

— aber ich weiß ja doch, Du bringst mir's nicht . . .1" — „Red',
sprich, sag's, um kjimmels willen, ich hol' Dir alles, mein lieber,
guter, armer Franzl l" — „Na alsdann, ich will Dir's sagen: das
einzige Gegenmittel für ucxng cksstillgtg ist — frisches Bierl"

— „A Bierl? lNein armes lNanni, warum hast denn das nicht
gleich g'sagtl" rief Frau Schnackerl erleichtert aufatmend;
„gleich, mein lieber Franzl werd' ich Dir eines holen!" und
eilte, so wie sie ging und stand, ins lvirtshaus zum chlauen
Gchsen? Unterwegs machte die geängstigte Frau noch einen
Riß an der Nachtglocke des Doktors lveinlein, denn sie dachte
bei sich, ein Arzt könne bei solch einem schwercn Falle nichts
schaden.

kjerr Schnackerl, der seiner Gattin leise nachgeeilt war,
hatte eben noch Zeit, an ihr vorbeizuhuschen, und ins Lxtra-
zimmer des chlauen GchseV zu treten, als auch schon dieselbe
an den Schanktisch trat und in fieberhafter Aufregung eine
Maß Bier verlangte. Uaum hatte aber Frau Schnackerl die
lvirtsstube wieder verlassen, da brachen die Zechbrüder in ein

schallendes Gelächter aus und kjerr Schnackerl mußte beim
rasch angezapften Bierfaß, das er nun gewonnen, seine List, die
er angewandt, erzählen. —

Frau Schnackerl eilte indes mit dor llkaß Bier nach kjause.
Der aus dem Schlafe gewcckte Doktor lveinlein hatte aber
mittlerweile schon sein Fenster geösfnet und spähte die Straße
hinab. „lvas gibt's liebe Frau?" fragte er und betrachtete voll
Staunen das im Nachtgewande mit einem Bierkrug in der
kjand dastehende weibliche lvesen.

„Ach, kjerr Doktor, ich bitt' Sie, kommen S' schnell mit,
mein llkann hat sich vergiftetl" wimmerte os herauf. „lltit was
hat er sich denn vergiftet?" rief der Doktor überrascht. „G
Gott, mit dem schrecklichsten Gift, was es gibt,mituc;uL clestillatal"
Der Arzt, welcher ob dieses „furchtbaren" Giftes nur mit
lllühe seine kjeiterkeit verbergen konnte, fragto nun voll Neu-
gierde, wer denn der Unglückliche sei. Doch als er den Namen
des ihm persönlich wohlbekannten kjerrn Schnackerl hörte,
lachte er: „Aber, liebe Frau Schnackerl, das ist ja ganz un-
möglich. lvie ich Ihren lllann kenne, nimnit er ganz sicher
keinen Tropfen acxuu ässtilluta . .1" — „Aber, kierr Doktor . .!"
— „Nein, nein, liebe Frau, so 'was bringt kjerr Schnackcrl nicht
über die Lippen, denn ucxuu cle8ti>ls.tu heißt auf gut deutsch:
reines lvasserl" Sprach's und schluglachend das Fenster zu.—
Frau Schnackerl stand erst wie verstoinert da; endlich
dämmerte es in ihr, was für einen Ulk ihr lllann getrieben.
„Aber, wart'," rief sie wütend, „das Bier kricgst Du sicher nicht!"
und damit trank sie voll Zorn die lllaß selbst aus.

kjerr Schnackerl hatte seine lvetto gewonnen, aber seine
Frau hat ihm seine Schlechtigkeit nie verziehcn, und wenn er
dos Nachts wicder angesäuselt nach kjause kam, da fing ihr
Sermon regelmäßig mit den lvorten an: „Aha, 's Gegengift.. .1"

--x-

Lehraus.

M)ie Geigen locken, es jubelt das kjorn,

slattern die Röcke, hell rasselt der Sporn,

Ls krachen die seidenen lllieder.

Trunkene lllasken wirbeln im Arcis,

Ls zittcrt die Luft wollüstigheiß
Um wciße blühende Glieder.

Und mitton im Saale — man sieht ihn nicht —

Geigt einer mit beinernem Angesicht
Und winkt dem rosigsten lllädel.

Und toller jauchzt der tosende Schwarm,

Und wilder siedelt's mit knöchernem Arm,

Aichert's und nickt's mit dem Schädel.

Neinhard Bvlkcr.

Traum einer Ämancipierten.

— „Denk Dir, Freundin, welchen hcrrlichen Traum
ich letzte Nacht hatte: Der Storch hätte mich ein zmeites-
mal gebracht, und zwar als Iungen!"

Vietät.

— „Der Schriftstcller hat ja testamcntarisch bestimmt, daß
seine Leiche verbrannt wird?"

— „Ia, der will durchaus das Schicksal seiner Nlusenkinder
teilen."
 
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