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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 48.1902 (Nr. 575-587)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16550#0076
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Meggendorfers-Blätter, München


„Berti, laß uns heute eine Flasche Sekt miteinander
trinken I"

„Nkeinetwegen," hatte er brummend zugestimmt. Und nun
saßen sie sich gegenüber. Iin Liskübel'die bauschige Flasche
und vor ihnen die Becher, in denen es ruhelos perlte.

Lgbert blickte ab und zu verstohlen nach der Uhr. Dann
sah Ntadeleine liebevoll zu ihin herüber und fragtei

„Wünschest Du etwas, Berti?"

„Nein, nein . . ." brachte er nur stotternd heraus und
spülte alles Meitere init einein langenf5chlucke 5ekt hinunter.

Lben wollte er ein Brotschnittchen, das er dick init Aaviar
bestrichen hatte, zuin Munde sühren, da sühlte er, wie sich leise
ihr Füßchen aus seinen Fuß setzte.

Er blickte zu ihr hinüber und sah ihre Augen zärtlich aus
sich gerichtet.

„Bertil" hauchte sie und trqnk ihm zu, indem sie schalkhaft
lächelnd an ihrem Glase nippte.

Es war so still und lauschig im Aiinmer.

Nebenan schlief der Iunge.

„Geh' her," sagte er gemütlich und reichte ihr die tsand
über den Tisch. Nladeleine ergriff sie und kain uin den Tisch
herum. Dann rückte sie ihren 5tuhl dicht an den seinen und
setzte sich neben ihn.

„Berti," begann sie, „bitte, bitte, sage mir die Wahrheitl
wo wolltest Du heute hin?"

Er schwieg verlegen und trank wieder.

„5age es mir, bitte, bitte, mein Bertchenl Ich bin Dir
sicherlich nicht böse, aber erzähle es inir ganz genaul Alle
Linzelheiten möcht' ich wissenl U)ie hast Du sie kennen gelernt?

Wo? — 5ie hat goldfarbiges Lsaar . . . ist hochgewachsen und
voll? Nicht wahr? Nnd hat wohl gar Grübchen, was Dir ja
so gefällt?"

Lr war starr vor Lrstaunen. „Madeleine, woher weißt
Du . . . ?"

„Eine Probe ihres bsaares lag ja Deinem Briefe bei. . ."

„Ah — das verlorene bsaarl" unterbrach er sie überrascht.

„ . . . in welchem Du mir rietst, daß ich noch länger bleiben
solle," fuhr sie fort.

„Das hätte ich gethan? ..."

„Ia gewiß. — Aber nun erzähle doch, erzähle . . . I"

Und er mußte ihr alles beichten, und die junge, noch so
unerfahrene Frau lauschte wißbegierig jedes Wort von seinem
Munde hinweg. Nnd wenn er' einmal innehielt, überlegend,
ob er es denn auch sagen dürfe, dann drängte sie in ihni
„Weiter, weiter — und bitte, bitte, nichts verschweigenl"

Und Bleibhier verschwieg nichts. Lr hatte Madeleine auf
dem 5choße, deren Auge und Ghr in wachsender 5pannung
an ihm hingen. Ihr anmutiger Rörper schmiegte sich warm
an ihn, als wenn sie ihn vor Gefahren schützen wollte.

Egbert Bleibhier sah schon längst nicht mehr nach der Uhr.
Die weiten Aerinel ihres Gewandes waren zurückgefallen, und
ihre runden, weißen Arme hielten ihn fest umschlungen.

„Es war höchste Zeit, liebe Madeleine, daß Du kamst; bci
oinem bsaar wäre es zu spät geweson," endete er offenherzig
sein reuiges Bekenntnis.

„Bei einem bsaarl" wiederholte sie schaudernd und schloß
seinen Mund mit einem langen, leidenschaftlichen Russe .

Und Lgbert Bleibhicr ging an diescm Abend nicht mehr aus.

verantwortlicher Redakteur: Max 5chreiber. Druck von I. F. 5chreiber, beide in Lßlingen bei 5tuttgart.
In D est err ei ch-U n g arn für bjerausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in NAen I.
Verlag non I. F. Schrriber in München und Etzlingrn.
 
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