Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 48.1902 (Nr. 575-587)

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.16550#0086
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
82

Megg >5 ndorfcr - Blätter, B7 üncheu

schwere Miche, die Frau Direktorin zu
überreden, dem Geza die vakante / i >

5tellung eines Ieichenlehrers anzu-
vertrauen, die in ihrer Töchterschule
bisher ein alter Sonderling bekleidet
hatte.

Für die herrlichen lllrbeiten, die
man ihr von Geza Zimony zeigte,
schwärmte sie freilich, seiner persön-
lichkeit aber brachte sie das tiefste
Mißtrauen entgegen. Lrst als man ihr vorstellte,
daß Geza, nur um heiraten zu können, den Posten
annehmen wolle und hauptsächlich, als nian ihr klar
machte, welchen unermeßlichen Tinfluß man sich von
ihrer kraftvollen Führung auf das künftige tverden und
wirken des Aünstlers verspreche/und so gewissermaßen
ihren pädagogischen Lhrgeiz gestachelt hatte, verstand
sie sich dazu,. mit dem Geza eine kleine probo zu wagen.

Also geschah das Unglaubliche, und die Direktorin
hatte es vorerst gar nicht einmal zu bereuen, daß sie
dem Zigeuner eine leidliche Unterkunft gewährt hatte.

Lr war wie umgewandelt. Unermüdlich thätig, pein-
lich gewissenhaft, wie selbst die griesgrämigc Miß
Ldwards zugab, das Muster eines Gcntlcman-Lehrers,
behandelte er die jungen Damen mit väterlicher
Würde, dio Aolleginnen mit ausgesuchter Ritterlich-
keit, und er benahm sich genau so, als cmpfehle er
nunmehr, ein zweiter Thomas a Aempis, das ganze an-
dächtige Geschlecht der Weiber dem lieben Gott. /

Niemand war stolzer auf ihn, als seine Direktorin.
Unterlag es doch keinem Zweifel, daß sie ein hervor-
ragendes Geschäft gemacht hatte. kvährend frühcr die
Teilnahme am Zeichenunterricht sehr flau war, zeigte
sich nun ein gesteigerter Tifer. Sogar die Rleinen, die
sonst, wenn sie eine Lehrerin abzubilden wünschten,
allerlei phantastisches Geflügel zu Papier brachten, das
die Ukitte hielt zwischen Murm und Säugetier, ent-
warfen schon Gänse von erstaunlicher Lebenswahrheit.
Aber auch die reifere weibliche Iugend beschäftigte sich
jetzt viel strebsamcr mit don Gipsköpfen, denen sie
freilich hie und da eine feine 2lehnlichkeit mit dem edlen
lhaupte des Tanzlehrers andichteten, der damals noch
die Lserzen der gesamten Zöglinge mit magischer Ge-
walt an seine anmutsvolle fdersänlichkeit gefesselt hatte.
Das waren immerhin Lrfolge, und Geza war für den
Anfang ganz zufrieden damit. Tr wunderte sich über-
haupt, was er für ein Mensch geworden war. Menn
jemand ihm vor einem vierteljahr gesagt hätte, er
werde sich unter einem Dutzend sehr hübscher Aäfer
tagtäglich bewegen, ohne sich in einen einzigen zu ver-
lieben, so würde er ihn einen Narren gescholten haben.
wahrhaftig, er lebte nur mehr seinem Ideal, der Runst.

Acht Monate waren so verslossen, es standen schon
bald die Ferien vor der Thüre, als er eines Abcnds
von der Direktorin die Tinladung erhielt, mit den üb-
rigen Lehrern /am Maifeste des Znstituts sich zu be-
teiligen.

Gerne schloß er sich diesem harmlosen ^

vergnügen an, und sein Aünstlerauge freute . ) //>// V

sich des lustigen, farbigen Treibens, das sich )

vor ihm entwickelte. Man wanderte froh-

gemut stromaufwärts durch die herr-
lichen Buchenwälder, die sich der Isar
entlang ziehen, sang ab und zu ein
muntercs Lied, und man war schon
bald an dem Ziele des Ausflugs an-
gelangt, als plötzlich ein Stillstand
der Bewegung eintrat und an der
Spitze des Zuges lfilferufefund ängst-
liches Geschrei sich erhob.

Am Abhang des Berges hatte
s sich eine lherde Vieh breit hingelagert. Die Rühe
wiederkäuten faul und unbeweglich im hellen Sonnen-
schein, ein junger Stier aber, offeubar gereizt durch die
roten Sonnenschirme der lNädchen, hatte sich jählings
erhoben und nahm eine drohende lfaltung ein. lfirt
war keiner zu sehen.

Die Ainder stoben laut kreischend auseinander uud
der Tanzlehrer, der die Führung übernommcn hatte,
stand nunmehr der Bestie gegenüber, dic zornig mit den
löufen scharrte und den blopf zum Angriff senkend, lang-
sam sich dem Lrschrockenen näherte.

Das gute Nieh hatte aber mit dcr Behcndigkeit
des Leichtfüßigen durchaus nicht gorechnet. Bevor es
ihn auf dic lförner nehmen konnte, war der INann in
unheimlicher Raschheit seinem Nis-a-vis mit einer auto-
matischen tiefen Nerbcugung ausgewichen und mit
affenartiger Schnelle an einem Baume in die lsöhe ge-
fahren, nicht ohne sein lsandwerkszeug, die Beinchen,
so rasch wie möglich in absolute Sicherheit zu bringen.

llm Fuße des Baumes stand die geprellte Bestie und
schaute in dummer Sehnsucht nach dom Gegenstande ihrer
Aufregung, dem sie nicht beizukommen wnßte.

Die übrige Gesellschaft hatte sich in tollster Ncrwir-
rung links und rcchts in dio Büsche geschlagen und be-
trachtete von dort aus den Stier mit der lhilflosigkeit von
Raninchen, die sich eincrAlapperschlange gegenüberbesinden.

Zn diesem kritischen ^lugenblick schritt Geza, der den
Ropf in solchen Lagen nie zn verlieren pflegte, fest nnd
furchtlos, lediglich mit seinem Stock bewafsnet, dem Tier
entgegen, das seinon neuen Gegner mit trotzigen Augcn
musterte und alsbald mit gesenkten lförnern auf ihn ein-
sprang. Geza trat im geeigneten llloment einen Schritt
beiseito und faßte dann, wie er es in seiner lseimat
gesehen hatte, indem er den Stock fallen ließ, den vor-
beijagenden Stier mit beiden lfänden am Schweife. Ein
mächtiger Ruck und dröhnend, die Trdc durch seinen
Fall erschütternd, schlug das vieh seiner ganzen Länge
nach hin. Dieses Annststück hatte Geza oft gonug an
den wilden Pferden in der Pußta ausgeführt. Nun
bückte er sich mit Blitzesschnelle nach seinem Stock und
überschüttete die Schnauze des Stieres mit eincm solchen
lhagel von wuchtigen Schlägen, daß diesem löören und
Sehen verging und er sich mühselig, halb betäubt und
jämmerlich brüllend erhob und wie ein geprügelter lsund
init eingekniffenem Schweif von dannen trollte.

Diesem Schauspiele folgte nun eine Scene, die sich
kaum schildern läßt, dem Schrecken folgte ein Rückschlag,
der alle Bande lockerte, die mädchenhafte Scheu und Zu-
rückhaltung sonst auferlegen. Allcs drängte sich um
ihn, aus allen Büschen, hinter allen Bäumen
flogen sie herbei und im lfandumdrehen
^ sah er sich von allen Seiten umringt und
eingeschlossen, daß er mit knapper Not und
mühsam nach Luft schnappend, sich des allzu
 
Annotationen