Zcitschiift für l)uinor und liunsl
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stürmischen Andrangs erwehren konnte. Aut größerem ^uibsl
war wohl nie ein siegender Torero begrüßt worden, und die
Begeisterung überschritt alle vernünftigcn Grcnzen. Ls be-
durfte des ganzen Linslusses, der vollcn Lnergie der Lehrer,
nm nur einigerinaßen Ruhe zu schafscn.
Nnd so nachhaltig saß die Lrregung in allen lserzen, das;
beim Mittagstisch, als die Direktorin in einer sehr erbaulichen
Rede des himmlischen Schntzes gedachte, der ihre Rinder von
schlimmer Gefahr geschützt habe, ein neuer Sturm auszubrechen
drohte, vor dein sich Geza gerade noch in einen Nebenraum zu
flüchten wußte.
von dieser Stnnde an war er der Mittelpunkt einer ver-
ehrung gcwordcn, wie sie nur in jungen böerzen zu glühen
Pslegt, und er benierkte zu seinem Lntsetzen, was es.hcißt, von
cineni Austitut angebetet zu werden, gegen eine lhochflut von
giärtlichkeiteu auzukämpfeii, die ihn auf Schritt und Tritt ver-
folgte. Mo er ging und wo er stand, sühlte er scheue, andachts-
volle Blicke aus sich gerichtet, und wenn er eines der holdcn
Mesen auredete, so bemerkte er die leise aufsteigende feine Glut,
die übcr das Uöpschen sich ergoß, die süße Angst und verwirrt-
heit, die in den illntworten sich kundgab, und es entgingen ihm
auch die glühenden Blitze nicht, dic die reifere Ingend sich zu-
warf, wenn er sich mit dieser oder jener auch nnr eine Aiiniite
länger beschäftigte, als es unbedingt nötig war.
Mirklich, es schien ihm so, als verliere er allmählich den
Bodeu untcr dcn Füßen, es schwand ihm das Bertrauen zu sich
selbst und er merkte, daß er doch ininier noch der Alte geblieben
war, dem heißes Blut schon manchen schlininieii Strcich gespiclt
hatte. Lin wahres Glück, daß das Iahr sich seinem Lnde zu-
ueigte.
Ls gab zu viele verdrießlichkeiten. Die Leistungen der
5chüleriiinen wurden imnier schwächer, was der Direktorin An-
laß zu uiiliebsamen Bemerkungen verschasste. TUe Lngländerin,
die er damals in der Aufregnng und vcrwirrung ganz gegen
seine Absicht und zu seinem lebhaften nachträglichen Bedauern
geküßt hatte, lcgte es ihm eines Tages ununiwundcii nahe, daß
er moralisch verpflichtet sei, sie zu heiraten, und die Französin
drohte mit einem gewaltsamen Lnde, wenn er sich fernerhin
weigere, die von ihr gestickten lsausschnhe zu tragen.
Stegers Lninia, dieses duninie, cinfältige Lackfischchen, hattc
unlängst zwei Phosphorhölzchen verschluckt uud erklärte trotz
aller Bauchschmerzen, so lange Zündhölzer zu efien, bis der Tod
sie von einer unseligen Liebe befreie, die sie nicht länger zu
ertragen vermöge. Sie sagte zwar um keinen fdrcis, wer es
sei, uni dessenwillen sie sich auf dieses ungewöhnliche Genuß-
mittel zu beschränken beschlossen hatte, aber jedermann wußte,
daß sie nnlängst ein Bleistiftrestchen des Zeichenxrofessors für
ein goidcnes Arniband eingctanscht lfatte.
Und nun kam gar noch eine vcrschwörung an den Tag,
bie den Zweck hatte, auf dem Wege sreiwilliger Leiträge eine
Aiusikkapelle zu niieten, uin dem geseierten lhelden cine Serenadc
bringen zu lasseu.
Die Direktorin war außer sich, denn sie ahnte den Rnin
ber Anstait, und sie verwünschte unter Thränen die unheilvolle
2tunde, da sie sich bereit erklärt hatte, Geza nnter ihre niütter-
^chen Fittiche zu nehinen. Tag und Nacht besann sie sich, wie
>'e ihr ^nstitut glücklich aus der offenbaren Bedrängnis retten
k°nnte.
Eines Uiorgens ließ sie Geza in ihr gimnier rnsen. „löerr
professor," sagte sie zu ihm, „es niuß in unseren verhältnissen
Wandel geschaffen werden. Ich kann so nicht weiter leben.
ich frjch erhebc, so zittere ich, ob nicht nachts irgend
°wes izziidchen einc Thorheit begangen hat; wenn ich abcnds
Zur Ruhe lege, s° läßt mich die Angst nicht schlafen. In
Zustande wic jetzt, kann ich die Mädchen überhaupt nicht >
nach löause schicken. Ivas würden die Lltern dazu sagen? Vas
wäre ein Skandal. Ls ist ja im Grunde nichts dahinter, es
ist eine kindische Schwärmerei, wie sie in diesem Alter ininier
vorkomnit . . ."
Geza nickte. „Ein sdrobeslug, nicht wahr?"
„So etwas. Also sehen Sie, lferr professor, wir niüssen
um jeden fdreis ein lNittel finden, die Zöglinge unizustiinnien,
zu ernüchtern gewisserinaßen; Sie verstehen inich doch?"
„fsa," meinte Geza, „aber wie?"
„Das ist die Frage. flch habe alles mögliche ausgesonnen.
Ich dachte mir schon, da Sie jetzt so ernst und still geworden
sind, ob Sie nicht Lnst hätten, in ein Aloster einzutreten. Fra
Angelico hat das anch vorgezogen. liian lebt da so schön, so
ruhig und selig .... wie im lhininiel."
„llber verehrteste, ivie koinmeii Sie auf diesen nngeheiier-
lichen Linfall?"
„Bitte, das wäre doch ein kolossaler Schlager! Stellen Sie
sich nnr vor, wie beruhigend das auf die INädchengeniüter wirken
würde! llnd anf die Lltern erstl"
„vielleicht. Aber Sie überschätzen niich. vas wäre ich
nicht inistando zu leisten."
„Ich hab' niir das schon gedacht," nieinte die Direktorin
seufzend. „Und als lNissionär nach Afrika oder Lhina? Ich
wäre ja gerne zu Vpfern bereit."
Geza lachte. Ihni machte seine Gönnerin cinen furchtbar
naiven Lindrnck. Daß sie ihn loshaben wollte, begriff er schon.
Aber mit solchem Nachdrnck, das war doch ein bißchen unver-
froren.
„Dafür scheinen Sie also anch nicht zu neigen?" Und
wiederum seufzte sie noch viel tiefer und jämnierlicher, gerade
als wollte sie damit ausdrücken, daß sie sich höchst schinerzlich
über diesen liiangel an Lntgegenkoniinen berührt fühle.
„vann wird nichts anderes übrig bleiben, niein lieber,
junger Freund, dann müssen Sie wohl oder übel heiraten. Noch
besser wäre es freilich, wenn Sie schon verheiratet wären."
Da Geza ein lautes Lachen nicht länger nnterdrücken konnte,
L>err Dickerl in Zentralafrika.
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stürmischen Andrangs erwehren konnte. Aut größerem ^uibsl
war wohl nie ein siegender Torero begrüßt worden, und die
Begeisterung überschritt alle vernünftigcn Grcnzen. Ls be-
durfte des ganzen Linslusses, der vollcn Lnergie der Lehrer,
nm nur einigerinaßen Ruhe zu schafscn.
Nnd so nachhaltig saß die Lrregung in allen lserzen, das;
beim Mittagstisch, als die Direktorin in einer sehr erbaulichen
Rede des himmlischen Schntzes gedachte, der ihre Rinder von
schlimmer Gefahr geschützt habe, ein neuer Sturm auszubrechen
drohte, vor dein sich Geza gerade noch in einen Nebenraum zu
flüchten wußte.
von dieser Stnnde an war er der Mittelpunkt einer ver-
ehrung gcwordcn, wie sie nur in jungen böerzen zu glühen
Pslegt, und er benierkte zu seinem Lntsetzen, was es.hcißt, von
cineni Austitut angebetet zu werden, gegen eine lhochflut von
giärtlichkeiteu auzukämpfeii, die ihn auf Schritt und Tritt ver-
folgte. Mo er ging und wo er stand, sühlte er scheue, andachts-
volle Blicke aus sich gerichtet, und wenn er eines der holdcn
Mesen auredete, so bemerkte er die leise aufsteigende feine Glut,
die übcr das Uöpschen sich ergoß, die süße Angst und verwirrt-
heit, die in den illntworten sich kundgab, und es entgingen ihm
auch die glühenden Blitze nicht, dic die reifere Ingend sich zu-
warf, wenn er sich mit dieser oder jener auch nnr eine Aiiniite
länger beschäftigte, als es unbedingt nötig war.
Mirklich, es schien ihm so, als verliere er allmählich den
Bodeu untcr dcn Füßen, es schwand ihm das Bertrauen zu sich
selbst und er merkte, daß er doch ininier noch der Alte geblieben
war, dem heißes Blut schon manchen schlininieii Strcich gespiclt
hatte. Lin wahres Glück, daß das Iahr sich seinem Lnde zu-
ueigte.
Ls gab zu viele verdrießlichkeiten. Die Leistungen der
5chüleriiinen wurden imnier schwächer, was der Direktorin An-
laß zu uiiliebsamen Bemerkungen verschasste. TUe Lngländerin,
die er damals in der Aufregnng und vcrwirrung ganz gegen
seine Absicht und zu seinem lebhaften nachträglichen Bedauern
geküßt hatte, lcgte es ihm eines Tages ununiwundcii nahe, daß
er moralisch verpflichtet sei, sie zu heiraten, und die Französin
drohte mit einem gewaltsamen Lnde, wenn er sich fernerhin
weigere, die von ihr gestickten lsausschnhe zu tragen.
Stegers Lninia, dieses duninie, cinfältige Lackfischchen, hattc
unlängst zwei Phosphorhölzchen verschluckt uud erklärte trotz
aller Bauchschmerzen, so lange Zündhölzer zu efien, bis der Tod
sie von einer unseligen Liebe befreie, die sie nicht länger zu
ertragen vermöge. Sie sagte zwar um keinen fdrcis, wer es
sei, uni dessenwillen sie sich auf dieses ungewöhnliche Genuß-
mittel zu beschränken beschlossen hatte, aber jedermann wußte,
daß sie nnlängst ein Bleistiftrestchen des Zeichenxrofessors für
ein goidcnes Arniband eingctanscht lfatte.
Und nun kam gar noch eine vcrschwörung an den Tag,
bie den Zweck hatte, auf dem Wege sreiwilliger Leiträge eine
Aiusikkapelle zu niieten, uin dem geseierten lhelden cine Serenadc
bringen zu lasseu.
Die Direktorin war außer sich, denn sie ahnte den Rnin
ber Anstait, und sie verwünschte unter Thränen die unheilvolle
2tunde, da sie sich bereit erklärt hatte, Geza nnter ihre niütter-
^chen Fittiche zu nehinen. Tag und Nacht besann sie sich, wie
>'e ihr ^nstitut glücklich aus der offenbaren Bedrängnis retten
k°nnte.
Eines Uiorgens ließ sie Geza in ihr gimnier rnsen. „löerr
professor," sagte sie zu ihm, „es niuß in unseren verhältnissen
Wandel geschaffen werden. Ich kann so nicht weiter leben.
ich frjch erhebc, so zittere ich, ob nicht nachts irgend
°wes izziidchen einc Thorheit begangen hat; wenn ich abcnds
Zur Ruhe lege, s° läßt mich die Angst nicht schlafen. In
Zustande wic jetzt, kann ich die Mädchen überhaupt nicht >
nach löause schicken. Ivas würden die Lltern dazu sagen? Vas
wäre ein Skandal. Ls ist ja im Grunde nichts dahinter, es
ist eine kindische Schwärmerei, wie sie in diesem Alter ininier
vorkomnit . . ."
Geza nickte. „Ein sdrobeslug, nicht wahr?"
„So etwas. Also sehen Sie, lferr professor, wir niüssen
um jeden fdreis ein lNittel finden, die Zöglinge unizustiinnien,
zu ernüchtern gewisserinaßen; Sie verstehen inich doch?"
„fsa," meinte Geza, „aber wie?"
„Das ist die Frage. flch habe alles mögliche ausgesonnen.
Ich dachte mir schon, da Sie jetzt so ernst und still geworden
sind, ob Sie nicht Lnst hätten, in ein Aloster einzutreten. Fra
Angelico hat das anch vorgezogen. liian lebt da so schön, so
ruhig und selig .... wie im lhininiel."
„llber verehrteste, ivie koinmeii Sie auf diesen nngeheiier-
lichen Linfall?"
„Bitte, das wäre doch ein kolossaler Schlager! Stellen Sie
sich nnr vor, wie beruhigend das auf die INädchengeniüter wirken
würde! llnd anf die Lltern erstl"
„vielleicht. Aber Sie überschätzen niich. vas wäre ich
nicht inistando zu leisten."
„Ich hab' niir das schon gedacht," nieinte die Direktorin
seufzend. „Und als lNissionär nach Afrika oder Lhina? Ich
wäre ja gerne zu Vpfern bereit."
Geza lachte. Ihni machte seine Gönnerin cinen furchtbar
naiven Lindrnck. Daß sie ihn loshaben wollte, begriff er schon.
Aber mit solchem Nachdrnck, das war doch ein bißchen unver-
froren.
„Dafür scheinen Sie also anch nicht zu neigen?" Und
wiederum seufzte sie noch viel tiefer und jämnierlicher, gerade
als wollte sie damit ausdrücken, daß sie sich höchst schinerzlich
über diesen liiangel an Lntgegenkoniinen berührt fühle.
„vann wird nichts anderes übrig bleiben, niein lieber,
junger Freund, dann müssen Sie wohl oder übel heiraten. Noch
besser wäre es freilich, wenn Sie schon verheiratet wären."
Da Geza ein lautes Lachen nicht länger nnterdrücken konnte,
L>err Dickerl in Zentralafrika.