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M e g g en d 0 r fe r - B l ä t 1 e r, München
Mnkel und Neffe.
„Große Beivundrrung, ja Lhrfurcht vor Ihrem Geiste."
„Sie würden also auck gekoimnen scin, weun Sic gewußt
hätten, daß ich glücklicher Fannlienvater sei?"
Llfride wurde rot und bemerkte etwas gcreizti „Ich wollte
nur den Dichter kennen lernenl"
„Bitte, seien Sie nicht böse. 5ie werden meine Frage
gleich begreifen. Als Ihr Brief kam/machte ich mich gefaßt,
einen Blaustrumxs vor mir zu sehen. Ieder Tag Ihres bfier-
seins brachte mich aber zu der entgegengesetzten Ueberzeugung.
Ist ein solcher ähnlichcr Gesühlswechsel auch in Ihnen vor-
gegangen? 5ind 5ie mir ein wenig gut?"
Sio wurde nur blaß und stotterte einige lVorte, dann sanken
sie sich in die Arme, beinahe hätte ich „hurra" geschrieen.
Friedrich sprach zuerst wiederi „Und bist T>u ganz sicher,
daß es nicht Bewunderung meines Talcntes ist, sondern nur
Liebe?"
„lVenn Du nie eine Zeile geschrieben hättest, wenn Du
ebenso talentlos wie Dein Mnkel wärest, so würde ich doch nicht
anders sprechen."
„Ich danke Dir," rief Friedrich entzückt. „Und nun kann
ich Dir ein Geständnis machen. Ich bin nämlich gar nicht
der Dichter Alceborn."
„!Die? — lVas willst Du damit sagen?"
„Daß ich eine Ulaske getragen habe."
„Ich bin starr vor verwnnderung," rief Llfriede; „ja,
wer ist denn eigentlich der Dichter?"
„Der große Genius ist mein Gnkel — er ist eben nicht
taubstumm — kannst Du mir verzeihen?"
„Du bist ein grenzenlos unverschämtor Ukensch, ein Simmili-
diamant, eine taube Nuß . . ."
„Llfriede!" bat Friedrich stehentlich.
„Aber wie Du mir, so ich Dir," suhr sie fort, „auch ich
bin eine — andere."
Da wir nicht mehr taubstumm waren, konnten wir in das
erstaunte „Mh" und „Ah" unseres Neffen einstimmen.
„Ia," fuhr Llfriede fort, „ich bin eigentlich hier nicht ich,
sondern meine Tante, die den gleichen Namen hat. Sie schrieb
den überspannten Brief,
sie wollte herkommen,
aber ihre Gicht hinderte
sie daran. Ich las den
Brief, und da an dem-
selben Tage ein Lreignis
eintrat, das mir den Auf-
enthalt bei meinem vor-
mund verleidete, so ent-
schloß ich mich, statV ihr
herznfahren."
Nun hatten dieDinge
eine lvendung genom-
men, die uns zu hell-
lautem Lachen zwang. —
Als wir am Morgon
beim Frühstück saßen,
sagte Friedrich zn Ll-
friedei „Ich möchte
jemand eine Ueber-
raschung bereiten. lVie
ich zufälliggestern erfuhr,
ist Dein vormund etwas
besorgt über Deine Abwesenheit, und um ihn züberuhigen, habo ich
ihn eingeladen, mit dem Iwölfuhrzug auf unsere Station zu
kommen. kvillst Du mit mir gehen?"
Llfriede sah sehr verlegen vor sich hin.
„Ich vergaß zn erwähnen," bemerkte sie endlich, „daß dieses
Lreignis, das mich gleichsam zur Flucht zwang — ein bfeirats-
antrag meines vormnndes war, so ungefähr die proxosition zu
einem Lomxagniegeschäft. Ich war so erschrocken, daß ich gar
nichts antworten konnte."
„Ich werde mich mit Ruhe und Ueberlegenheit waxpnen,
mein lferz, komme nur mit!" sagte Friedrich siegesbewußt.
5o fuhren sie also wieder in meinem lvagen auf die
5tation. Als sie zurückkamen, erzählten sie, daß sich der
vormund pünktlich eingestellt hatte, und auch gleich unangenehm
werden wollte. Friedrich hatte ihm jedoch die finanzielle 5eite
der Angelegenheit so entschieden und günstig belenchtet, daß
er sein Ulündel schließlich init seinem vollen 5egen entließ.
Blieb also nur die schwärmerische Taute über, und da
weiß ich wirklich nicht, wie sich die jungen Lente später mit
ihr abgefunden haben — ich weiß nur, daß meine Frau auf
einmal cinen prachtvollen Zobelxelz ihr Eigen nannte »nd
Friedrich eine gewisse Achtung vor meinen Gedichten hatte.
Ich tröstete mich damit, denn es ist das Los eines jeden berühmten
Dichters, nur Lorbeeren zu ernten.
Kelbstbewußt.
Grafi „5ie glauben also, alle Tualifikationen für den Posten eines vornehmen Dieners zu haben?"
5tellesuchender: „lherr Graf, ich könnte 5ie bei bfofe vertreten!"
verantwortlicher Redakteur: Max 5chreiber. Druck von I. F. 5chreiber, beide in Eßlingen bei 5tuttgart.
V esterreich-Ungarn für Lferausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Nohr in lvien I.
Vrrlsg von I. F. Schreibrr in Münchrn und Estlingrn.
M e g g en d 0 r fe r - B l ä t 1 e r, München
Mnkel und Neffe.
„Große Beivundrrung, ja Lhrfurcht vor Ihrem Geiste."
„Sie würden also auck gekoimnen scin, weun Sic gewußt
hätten, daß ich glücklicher Fannlienvater sei?"
Llfride wurde rot und bemerkte etwas gcreizti „Ich wollte
nur den Dichter kennen lernenl"
„Bitte, seien Sie nicht böse. 5ie werden meine Frage
gleich begreifen. Als Ihr Brief kam/machte ich mich gefaßt,
einen Blaustrumxs vor mir zu sehen. Ieder Tag Ihres bfier-
seins brachte mich aber zu der entgegengesetzten Ueberzeugung.
Ist ein solcher ähnlichcr Gesühlswechsel auch in Ihnen vor-
gegangen? 5ind 5ie mir ein wenig gut?"
Sio wurde nur blaß und stotterte einige lVorte, dann sanken
sie sich in die Arme, beinahe hätte ich „hurra" geschrieen.
Friedrich sprach zuerst wiederi „Und bist T>u ganz sicher,
daß es nicht Bewunderung meines Talcntes ist, sondern nur
Liebe?"
„lVenn Du nie eine Zeile geschrieben hättest, wenn Du
ebenso talentlos wie Dein Mnkel wärest, so würde ich doch nicht
anders sprechen."
„Ich danke Dir," rief Friedrich entzückt. „Und nun kann
ich Dir ein Geständnis machen. Ich bin nämlich gar nicht
der Dichter Alceborn."
„!Die? — lVas willst Du damit sagen?"
„Daß ich eine Ulaske getragen habe."
„Ich bin starr vor verwnnderung," rief Llfriede; „ja,
wer ist denn eigentlich der Dichter?"
„Der große Genius ist mein Gnkel — er ist eben nicht
taubstumm — kannst Du mir verzeihen?"
„Du bist ein grenzenlos unverschämtor Ukensch, ein Simmili-
diamant, eine taube Nuß . . ."
„Llfriede!" bat Friedrich stehentlich.
„Aber wie Du mir, so ich Dir," suhr sie fort, „auch ich
bin eine — andere."
Da wir nicht mehr taubstumm waren, konnten wir in das
erstaunte „Mh" und „Ah" unseres Neffen einstimmen.
„Ia," fuhr Llfriede fort, „ich bin eigentlich hier nicht ich,
sondern meine Tante, die den gleichen Namen hat. Sie schrieb
den überspannten Brief,
sie wollte herkommen,
aber ihre Gicht hinderte
sie daran. Ich las den
Brief, und da an dem-
selben Tage ein Lreignis
eintrat, das mir den Auf-
enthalt bei meinem vor-
mund verleidete, so ent-
schloß ich mich, statV ihr
herznfahren."
Nun hatten dieDinge
eine lvendung genom-
men, die uns zu hell-
lautem Lachen zwang. —
Als wir am Morgon
beim Frühstück saßen,
sagte Friedrich zn Ll-
friedei „Ich möchte
jemand eine Ueber-
raschung bereiten. lVie
ich zufälliggestern erfuhr,
ist Dein vormund etwas
besorgt über Deine Abwesenheit, und um ihn züberuhigen, habo ich
ihn eingeladen, mit dem Iwölfuhrzug auf unsere Station zu
kommen. kvillst Du mit mir gehen?"
Llfriede sah sehr verlegen vor sich hin.
„Ich vergaß zn erwähnen," bemerkte sie endlich, „daß dieses
Lreignis, das mich gleichsam zur Flucht zwang — ein bfeirats-
antrag meines vormnndes war, so ungefähr die proxosition zu
einem Lomxagniegeschäft. Ich war so erschrocken, daß ich gar
nichts antworten konnte."
„Ich werde mich mit Ruhe und Ueberlegenheit waxpnen,
mein lferz, komme nur mit!" sagte Friedrich siegesbewußt.
5o fuhren sie also wieder in meinem lvagen auf die
5tation. Als sie zurückkamen, erzählten sie, daß sich der
vormund pünktlich eingestellt hatte, und auch gleich unangenehm
werden wollte. Friedrich hatte ihm jedoch die finanzielle 5eite
der Angelegenheit so entschieden und günstig belenchtet, daß
er sein Ulündel schließlich init seinem vollen 5egen entließ.
Blieb also nur die schwärmerische Taute über, und da
weiß ich wirklich nicht, wie sich die jungen Lente später mit
ihr abgefunden haben — ich weiß nur, daß meine Frau auf
einmal cinen prachtvollen Zobelxelz ihr Eigen nannte »nd
Friedrich eine gewisse Achtung vor meinen Gedichten hatte.
Ich tröstete mich damit, denn es ist das Los eines jeden berühmten
Dichters, nur Lorbeeren zu ernten.
Kelbstbewußt.
Grafi „5ie glauben also, alle Tualifikationen für den Posten eines vornehmen Dieners zu haben?"
5tellesuchender: „lherr Graf, ich könnte 5ie bei bfofe vertreten!"
verantwortlicher Redakteur: Max 5chreiber. Druck von I. F. 5chreiber, beide in Eßlingen bei 5tuttgart.
V esterreich-Ungarn für Lferausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Nohr in lvien I.
Vrrlsg von I. F. Schreibrr in Münchrn und Estlingrn.