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A7 e g g en d o rf e r - BI ä t t e r München
Gefoppt.
inen. Und nach wenigen Scknnden schon lnegt jeniand um die
Lcke. Aber, o mch l es ist nicht der Assessor, sondern ein ziem-
lich verlottertes Fabrikmädchen. Nach einem kurzen Moment der
Lnttäuschung gcwinnt indesscn bei Uluzzen die Schadenfreude
die Vberhand. Dcnn kaum hatte das Ulädchen das jdaket erblickt,
als es sich darnach bückt nnd es nnter ihrer Schürze verbirgt.
Der Uluzz zittcrt vor Anfregung.
Das Ulädchen drunten macht eilends einige Schritte, späht
dann prüfend umher und läßt sich auf dem nächsten Prellstein
nieder, um mit gieriger lsast den Bindfaden herabzureißen.
Der Ulnzz macht einen Luftsprung vor Lntzücken! Na, die
wird die Augen aufreißcn. Steinchen und jdapierschnitzel! Lin
netter Fund. Glückauf, mein Fräulein!
Ietzt öffnet das Ulädchen mit zitternden lhänden die Papier-
hüllen, die Schachtel springt auf und ein Ausdruck jähen
Lntzückens fliegt über das Gesicht der Finderin. was soll das?
Ist sie verrückt, die dort drunten? Denn der Uluzz ist
überzeugt, daß das alles keinen Lseller wert ist, was das Ulädchen
dort in den Lsänden hält. Iawohl überzeugt!
Und dennoch wird's dem Uluzz mit einem Ulale so eigen —
so beklommen — er weiß selbst nicht warum. Lr fühlt nur
das eine: hinunter und dem Ulädel über die Schultern geschaut.
Doch schon springt dieses in die lhöhe, ängstlich späht es die
Straße auf und ab, dann beginnt es zu laufen, als sei ihm
der Böse auf den Fersen.
Das alles ist so seltsain, so verwunderlich, der Uluzz ver-
mag es sich nicht zu deuten. G, daß er sich doch jemand
anvertrauen könntel Das Geheimnis drückt Uluzzens ganze
Fröhlichkeit darnieder, fast lastet es wie cin vergehen auf dem
erschrockenen Nlädchen.
Zwei Tage darauf hält der Paketpostwagen vor dem Thore.
Ulama weiß nur zu gut, was er bringt, wenngleich sie ihn nicht
so bald erwartet hätte. Aber das thut nichts I Nlag der Uluzz heute
schon die Freude haben. Und zärtlich ruft sie ihr Aind herbei.
„Aomm' doch, mein kleiner Spitzbube und sieh, was es hier
für Dich gibt."
Das Ulädchen, däs freudig dem Rufe folgt, nimmt zaudernd
ein kleines jdaketchen in Empfang, ein Paketchen, genau so —
— Nluzzens lserzchen scheint plötzlich stille zu stehen.
„So öffne doch l" muß Ulama die Tochter mahncn.
Und der Uluzz thut wie ihm geheißen.
Line Tabakschachtel, darin jdapierschnitzel und Steinchen
und statt des Zettels ein großer Bogen, ein Brief.
Ietzt ist die Reihe zu staunen an Ulama.
„Wie kann der Iuwelier sich nur eine derartige Ungezogen-
heit erlauben?" stottert sie erzürnt.
Dann faltet sie den Brief auseinander und liest mit lauter
Stimme. „Uleine Gnädigel
würde mein Geschäft nicht die Lhre genießen, schon
öfters mit Ihnen in verbindung gestanden zu haben, so müßte
ich nach der Art der mir zugekommenen Sendung an einen
schlechten Scherz Ihrerseits glanben. Indes ich weiß, mit
wem ich es zu thun habe. Line Dame Ihres Standes thut
dergleichen nicht. Ich glaube vielmehr, daß Sie selbst das
Mpfer einer Nlystifikation geworden sind, wenn es sich nicht
gar um einen Ulißbrauch Ihrer bsandschrift handelt. Und
ich bin überzeugt, daß Lw. lhochwohlgeborcn mit allen Ulitteln
trachten werden, dem wahren Sachverhalte auf die Spur zu
kommen. lvomit ich die Lhre habe rc. :c."
Ulama ist starr, und erst das wehmütige Aufschluchzen ihres
Aindes bringt sie wieder zu sich.
„Also Dn steckst wieder einmal dahinter/' sagt sie ernst,
„ich hätte nicht gedacht, daß Du meine Absicht, Dich mit der
Reparatur Deincs goldenen Uettchens zu crfreuen, auf diese
lveise lohnen würdest. Sag' mir, wie kamst Du dazu, ohne
mein lvissen das Schmuckstück aus dcr Büchse zu entfernen und
es mit jenein Plunder zu vertauschen?"
„B nicht doch, Ulama. So war's ja gar nicht!" rief unter herz-
zerbrechendem lveinen der Uluzz, dem die ganze Geschichtc mit
einem lllale unheimlich klar wurde. llnd dann beichtete das unglück-
liche Rind seine ganze neueste llnthat, ohne sich dabei zu schonen.
„Da hast Du mir und Dir eine schöne Geschichte einge-
brockt," erwiderte Ulama, 'als das Ulädchen geendet hatte.
„llnd mein goldenes Aettchen erhalte ich nun wohl niemals
wieder," klagte Uluzz. „M, ich llnglückliche I"
„Das scheint mir auch. Ia, mein Aind, die Lehre, die
Du Dir geholt, ist hart, aber gerecht. Du wirst jetzt wohl ein-
sehen gelernt haben, daß die Sprichwörter recht behalten und
daß derjenige, der andern eine Grube gräbt, selbst hineinfällt."
Der Uluzz hat scin Aettchen thatsächlich nicht wieder er-
halten, ist aber seit diesem Tage etwas weniger übermütig
geworden und hat vor allem einen lheidenrespekt vor Sprich-
wörtern aller Art bekommen.
Anier Hollegen.
— „kserrjel lvas der Ulensch alles hinunterschluckeu kannl..."
— „Dn, der würde in nnsor Aontor passenl"
Verantwortlicher Redakteur: Nlax Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Mesterreich-Ungarn sür lherausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Ulohr in lvien I.
Vrrlag vvn I. F. Schrribrr in Wünchrn und Etzlingrn.
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Gefoppt.
inen. Und nach wenigen Scknnden schon lnegt jeniand um die
Lcke. Aber, o mch l es ist nicht der Assessor, sondern ein ziem-
lich verlottertes Fabrikmädchen. Nach einem kurzen Moment der
Lnttäuschung gcwinnt indesscn bei Uluzzen die Schadenfreude
die Vberhand. Dcnn kaum hatte das Ulädchen das jdaket erblickt,
als es sich darnach bückt nnd es nnter ihrer Schürze verbirgt.
Der Uluzz zittcrt vor Anfregung.
Das Ulädchen drunten macht eilends einige Schritte, späht
dann prüfend umher und läßt sich auf dem nächsten Prellstein
nieder, um mit gieriger lsast den Bindfaden herabzureißen.
Der Ulnzz macht einen Luftsprung vor Lntzücken! Na, die
wird die Augen aufreißcn. Steinchen und jdapierschnitzel! Lin
netter Fund. Glückauf, mein Fräulein!
Ietzt öffnet das Ulädchen mit zitternden lhänden die Papier-
hüllen, die Schachtel springt auf und ein Ausdruck jähen
Lntzückens fliegt über das Gesicht der Finderin. was soll das?
Ist sie verrückt, die dort drunten? Denn der Uluzz ist
überzeugt, daß das alles keinen Lseller wert ist, was das Ulädchen
dort in den Lsänden hält. Iawohl überzeugt!
Und dennoch wird's dem Uluzz mit einem Ulale so eigen —
so beklommen — er weiß selbst nicht warum. Lr fühlt nur
das eine: hinunter und dem Ulädel über die Schultern geschaut.
Doch schon springt dieses in die lhöhe, ängstlich späht es die
Straße auf und ab, dann beginnt es zu laufen, als sei ihm
der Böse auf den Fersen.
Das alles ist so seltsain, so verwunderlich, der Uluzz ver-
mag es sich nicht zu deuten. G, daß er sich doch jemand
anvertrauen könntel Das Geheimnis drückt Uluzzens ganze
Fröhlichkeit darnieder, fast lastet es wie cin vergehen auf dem
erschrockenen Nlädchen.
Zwei Tage darauf hält der Paketpostwagen vor dem Thore.
Ulama weiß nur zu gut, was er bringt, wenngleich sie ihn nicht
so bald erwartet hätte. Aber das thut nichts I Nlag der Uluzz heute
schon die Freude haben. Und zärtlich ruft sie ihr Aind herbei.
„Aomm' doch, mein kleiner Spitzbube und sieh, was es hier
für Dich gibt."
Das Ulädchen, däs freudig dem Rufe folgt, nimmt zaudernd
ein kleines jdaketchen in Empfang, ein Paketchen, genau so —
— Nluzzens lserzchen scheint plötzlich stille zu stehen.
„So öffne doch l" muß Ulama die Tochter mahncn.
Und der Uluzz thut wie ihm geheißen.
Line Tabakschachtel, darin jdapierschnitzel und Steinchen
und statt des Zettels ein großer Bogen, ein Brief.
Ietzt ist die Reihe zu staunen an Ulama.
„Wie kann der Iuwelier sich nur eine derartige Ungezogen-
heit erlauben?" stottert sie erzürnt.
Dann faltet sie den Brief auseinander und liest mit lauter
Stimme. „Uleine Gnädigel
würde mein Geschäft nicht die Lhre genießen, schon
öfters mit Ihnen in verbindung gestanden zu haben, so müßte
ich nach der Art der mir zugekommenen Sendung an einen
schlechten Scherz Ihrerseits glanben. Indes ich weiß, mit
wem ich es zu thun habe. Line Dame Ihres Standes thut
dergleichen nicht. Ich glaube vielmehr, daß Sie selbst das
Mpfer einer Nlystifikation geworden sind, wenn es sich nicht
gar um einen Ulißbrauch Ihrer bsandschrift handelt. Und
ich bin überzeugt, daß Lw. lhochwohlgeborcn mit allen Ulitteln
trachten werden, dem wahren Sachverhalte auf die Spur zu
kommen. lvomit ich die Lhre habe rc. :c."
Ulama ist starr, und erst das wehmütige Aufschluchzen ihres
Aindes bringt sie wieder zu sich.
„Also Dn steckst wieder einmal dahinter/' sagt sie ernst,
„ich hätte nicht gedacht, daß Du meine Absicht, Dich mit der
Reparatur Deincs goldenen Uettchens zu crfreuen, auf diese
lveise lohnen würdest. Sag' mir, wie kamst Du dazu, ohne
mein lvissen das Schmuckstück aus dcr Büchse zu entfernen und
es mit jenein Plunder zu vertauschen?"
„B nicht doch, Ulama. So war's ja gar nicht!" rief unter herz-
zerbrechendem lveinen der Uluzz, dem die ganze Geschichtc mit
einem lllale unheimlich klar wurde. llnd dann beichtete das unglück-
liche Rind seine ganze neueste llnthat, ohne sich dabei zu schonen.
„Da hast Du mir und Dir eine schöne Geschichte einge-
brockt," erwiderte Ulama, 'als das Ulädchen geendet hatte.
„llnd mein goldenes Aettchen erhalte ich nun wohl niemals
wieder," klagte Uluzz. „M, ich llnglückliche I"
„Das scheint mir auch. Ia, mein Aind, die Lehre, die
Du Dir geholt, ist hart, aber gerecht. Du wirst jetzt wohl ein-
sehen gelernt haben, daß die Sprichwörter recht behalten und
daß derjenige, der andern eine Grube gräbt, selbst hineinfällt."
Der Uluzz hat scin Aettchen thatsächlich nicht wieder er-
halten, ist aber seit diesem Tage etwas weniger übermütig
geworden und hat vor allem einen lheidenrespekt vor Sprich-
wörtern aller Art bekommen.
Anier Hollegen.
— „kserrjel lvas der Ulensch alles hinunterschluckeu kannl..."
— „Dn, der würde in nnsor Aontor passenl"
Verantwortlicher Redakteur: Nlax Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Mesterreich-Ungarn sür lherausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Ulohr in lvien I.
Vrrlag vvn I. F. Schrribrr in Wünchrn und Etzlingrn.